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DISPLAY ADVERTISING

Sichtbarkeit, Zeit und Frequenz

Jens von Rauchhaupt, 7. Juli 2011

Diese Woche gaben TNS Infratest und Alenty, Toolanbieter für Werbemessungen, ihre Partnerschaft bekannt. Damit soll die Werbewirkung jenseits von Cookies und Klickraten analysiert werden. Den Effizienznachweis der Werbemittelkontakte, das hat sich der französische Technologieanbieter bereits länger auf die Fahne geschrieben. Milan Dolinar, Country Manager D.A.CH bei Alenty, erläutert im Interview die drei Grundparameter, um die Wirksamkeit von Online-Display-Werbung zu überprüfen.

Adzine: Herr Dolinar, worum geht es beim Einsatz eines Alenty Tools?

Dolinar: Auch bei Brandingkampagnen ist noch immer Usus, dass der Erfolg einer Werbekampagne auch über die Klickrate gemessen wird. Doch wissen wir schon lange, dass dies Unsinn ist. Wenn einer von Tausend klickt, haben 999 User das Werbemittel gesehen.

Adzine: Diese Argumentation ist nicht neu …

Milan Dolinar

Dolinar: Stimmt, genauso wenig wie die Tatsache, dass Nutzer die auf eine CPM-Kampagne klicken, in der Regel nicht zur Zielgruppe gehören, die der Werbungtreibende bzw. seine Agentur gebucht hat. Daher sollte man diese Performance-Metriken für das klassische, also brandingorientierte Display Advertising endlich über Bord werfen.

Adzine: Und nach welchen Kriterien soll man den Erfolg der Online-Kampagne messen?

Dolinar: Nach der wirklichen Kontaktqualität. Hier muss man von der Klassik lernen.

Adzine: Inwiefern?

Dolinar: Am Ende einer CPM-Kampagne muss der Advertiser wissen, wie viele Menschen er für sein Budget insgesamt erreicht hat und wie lange jeder Nutzer Kontakt mit dem Werbemittel hatte, in Minuten; wir nennen das Exposed Contact. Das ist der eigentliche Ansatz. Ähnlich wie im Radio oder Fernsehen, kann ich mit dem Alenty Tool messen und nachweisen, dass der Werbungtreibende wirklich den gebuchten Werbekontakt erhält, also fast wie im Radio oder TV.

Adzine: Ob der Nutzer dort die Werbung wirklich gesehen bzw. gehört hat, weiß man bei diesen Kanälen aber auch nicht.

Dolinar: Das ist richtig. Auch das beste Tool wird nicht messen können, ob der Nutzer gerade auf den Bildschirm schaut. Diese Unschärfe gibt es immer. Aber lassen Sie mich ins Detail gehen.

Adzine: Bitte.

Dolinar: Es geht um drei Grundparameter, die für die Werbewirkung auch online Grundvoraussetzung sein sollten: Sichtbarkeit, Zeit und Frequenz. Erstens muss die Werbung tatsächlich für den Nutzer überhaupt sichtbar sein. Das klingt trivial. Aber schon hier verlieren Advertiser bis zu 25 Prozent ihrer Werbegelder einer Kampagne …

Adzine: Weil das Werbebanner nicht im sichtbaren Bereich ausgeliefert wurde, weil der Nutzer z. B. nicht runtergescrollt hatte und die Auslieferung aber vom Adserver gezählt wurde?

Dolinar: Genau. Der zweite Parameter betrifft die Werbebotschaft selbst und damit die notwendige Zeit, die Botschaft ausnehmen zu können. Bei Online-Kampagnen kann ein animiertes Werbemittel und damit dessen Botschaft eine Dauer von 5 bis 35 Sekunden haben. Ohne eine Überprüfung, ob die im Mediaplan gewählten Platzierungen auch die notwendige Werbezeit haben, ist die Gefahr groß, dass Werbebudgets einfach verpuffen.

Adzine: Aber das kann auch die Fläche betreffen, also ein abgeschnittenes Wallpaper auf einem Netbook, weil versäumt wurde, die Webseite dynamisch auszusteuern.

Dolinar: Richtig. Deshalb messen wir auch die tatsächlich eingeblendete Fläche des Creatives. Nur so kann überprüft werden, ob die Werbebotschaft auch vollständig gesehen werden konnte. Wo wir bei der Fläche sind … Natürlich spielt auch die Größe der Werbefläche als Anteil am gesamten Bildschirm eine Rolle. Der „Screenshare“ hat sogar einen erheblichen Einfluss auf die Wahrnehmung. Je größer ein Format, desto mehr Aufmerksamkeit bekommt die Werbung und vor allem desto weniger Wiederholungen werden benötigt.

Adzine: Wie das?

Dolinar: Wir haben auf diesem Gebiet einiges an Forschung mit unserem Marktforschungspartnern TNS Emnid betrieben. Ein kleines Content Ad wird vom User anders wahrgenommen, als ein Wallpaper. Das heißt, für die gleiche Werbewirkung wie ein Wallpaper kann es sein, dass ein Content Ad sechsmal wiederholt werden muss. Deswegen werden wir im August auch die neue Kennziffer „Screenshare“-Anteil ausweisen und in die Berechnung der „Effektiven Werbeeinblendung Kennziffer“ aufnehmen.

Adzine: Damit könnten Sie bei Alenty also die Kontaktklasse in Abhängigkeit des Werbemittelformates und dessen Betrachtungsdauer aussteuern. Aber hat Ihr Tool denn überhaupt Einfluss auf das Adserving?

Dolinar: Es könnte Einfluss nehmen, tut es aber noch nicht. Aber ich muss auch deutlich machen, dass wie in Deutschland – aber auch in vielen anderen Ländern – in der Praxis noch nicht so weit sind. Jetzt geht es erst einmal darum, dass die Display-Werbung wirklich sichtbar ist und wir die Betrachtungsdauer messen.

Adzine: Wäre Ihr Tool überall im Einsatz, könnte man aber auch nach Werbezeiten buchen und erhält über ein Reporting den Nachweis dafür?

Dolinar: Ja. In Frankreich ist das bereits der Fall. Dort garantieren einige Vermarkter dem Advertiser schon feste Werbezeiten. Das liegt aber auch daran, dass dort die Mediaeinkäufer aus dem TV-Geschäft erst gar keine Lust hatten sich mit Ad Impressions, CTR-Raten und anderem online-typischen Vokabular herumzuschlagen.

Adzine: Wo gehört das Alenty Tool als Nachweisinstrument hin? Bei der Agentur oder beim Vermarkter? Wer sind Ihre Kunden?

Dolinar: Eigentlich beide Marktteilnehmer. Agenturen und Vermarkter. Derzeit setzen Zweidrittel der Agenturen unser Tool unregelmäßig für ihre Kampagne ein. Vermarkter seltener.

Adzine: Und das, obwohl gerade die Vermarkter mit der Untersuchung im Auftrag des OWM letztes Jahr so viel Kritik hinsichtlich der Sichtbarkeit einstecken mussten. Hinter den Kulissen hört man, dass einige OVK-Vermarkter nicht wirklich von einer Sichtbarkeitsmessung à la Alenty begeistert sind, woran mag das liegen?

Dolinar: Das habe ich so noch nicht gehört. Richtig ist aber, dass einige Vermarkter viele Werbeträger im Portfolio haben, bei denen die Seiten nur sehr kurz vom User aufgerufen werden. Stellen Sie sich Webseiten mit An- und Abmelde-Pages vor.

Adzine: E-Mail-Anbieter zum Beispiel

Dolinar: Ja oder eben Seiten mit ausgiebiger Menüführung. Diese Webseiten werden nicht sehr lange vom Nutzer betrachtet. Da haben vielleicht einige Vermarkter Angst, dass die Agenturen nur noch Werbezeiten buchen wollen und solche Werbeträger eher vernachlässigen.

Adzine: Könnte man das nicht mit der Größe des Werbemittels kompensieren?

Dolinar: Sie sagen es. Umso größer die Werbung, desto stärker die Werbewirkung. Ein kurzeitig eingeblendetes Wallpaper erzielt eine bessere Werbewirkung als ein kurzzeitig sichtbares Content Ad. Aber damit ist auch klar: Wenn ich als Agentur weiß, dass eine Seite durchschnittlich einfach nur drei Sekunden aufgerufen wird, dann kann ich als Agentur dort nicht eine 15-Sekunden-Animation einbuchen.

Adzine: Und wie wollen Sie jetzt die Vermarkter mit ins Boot holen, damit sie Alenty nutzen?

Dolinar: Wir bieten beispielsweise den Agenturen an, dass sie den Vermarktern den Zugang zu Alenty online freischalten. So sehen die Vermarkter die Messergebnisse, ohne dass dabei weitere Kosten entstehen.

Adzine: Eine Frage zum Schluss. Auch andere Agenturen bzw. Richmedia-Adserver bieten inzwischen Sichtbarkeitsmessungen an. Daher die Gretchenfrage: Warum sollten sie eher auf ein unabhängiges Tool wie Alenty setzen? Ist da eine reine Adserverlösung nicht sinnvoller?

Dolinar: Hierfür gibt es drei Gründe: 1.) Ist es eine Frage der technischen Entwicklungskapazitäten. Ein Dienstleister wie Alenty ist spezialisiert auf die Zeitmessung. Wir forschen und entwickeln ausschließlich in diesem Bereich. 2.) Bei einer Kampagne werden in der Regel zwischen fünf bis zehn verschiedene System (Agentur und Vermarkter) eingesetzt. Hier ist es notwendig, das gleiche Messverfahren zu verwenden. 3.) Ein unabhängiges System schafft Vertrauen bei Werbetreibenden.

Adzine: Herr Dolinar. Vielen Dank für das Gespräch.

Bild Jens v. Rauchhaupt Über den Autor/die Autorin:

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