Auf dem EMEA Summit in London stellte der Webanalyse-Anbieter Omniture eine integrierte Lösung vor, die Social-Media-Aktivitäten und die Analyse des Traffics der eigenen Website zueinander in Bezug setzt. Aseem Chandra, Vicepresident Product Marketing Omniture/Adobe geht das noch nicht weit genug.
Omniture wurde Ende 2009 für 1,8 Mrd. Dollar vom Softwareriesen Adobe (Photoshop, InDesign, Flash) gekauft und wird seit letztem Sommer schrittweise integriert. Beide Unternehmen weisen sehr unterschiedliche Firmenkulturen und Zielgruppen auf. Während Adobe in den Agenturen und der Kreativindustrie zu Hause ist, sind für Omniture in der Regel IT-Spezialisten, Controller und Business-Spezialisten die Ansprechpartner in den Unternehmen.
Im Sommer letzten Jahres band man erstmals kleine Werkzeuge in Flash und Photoshop ein, die es den Kreativen erlauben sollten, Kampagnenmotive gegeneinander online zu testen. Die gute Grundidee scheiterte am Widerstand der Kreativen und daran, dass es keine passenden Prozessstrukturen dafür gab. Deshalb hat Adobe in der soeben veröffentlichten Version 5.5 seiner CS-Produktlinie den Fokus wieder verlagert und zielt nun auf eine Vermarktung durch Online-Tools und durch Synergien innerhalb der beiden Produktlinien von Omniture und Adobe ab, vor allem im Hinblick auf Anzeigengestaltung und Auslieferung über unterschiedliche Bildschirme hinweg.
Adzine: Letztes Jahr, als die erste Integration von Omniture in die CS5-Suite von Adobe stattfand, geschah das sehr versteckt. Was werden Sie tun, um mehr Designer zum Einsatz von Webanalyse zu bewegen?
Aseem Chandra: Versteckt? Nein, das sehe ich nicht so. Wenn wir mit unseren Kunden sprechen, haben wir allerdings festgestellt, dass die Kreativen die Analytics-Daten gar nicht wirklich nutzen. Die Webanalyse kommt hinterher. Vor allem deshalb, weil die Kreativen gar nicht das Know-how haben, diese Daten zu erheben und auszuwerten.
Auf der einen Seite wollen wir dieses Verhalten natürlich ändern, durch die Integration von Test & Target in die Creative Suite. Auf der anderen Seite kommen beide Prozessebenen – Analyse und Kreation – in den Agenturen vielleicht gar nicht zusammen. Das ist ein Spagat. Wir versuchen, den Kreativen Analytics in konsumierbaren Dosen mitzugeben. Wenn Sie sich ein typisches SiteCatalyst-Szenario vorstellen, das würde doch jeden Kreativen komplett überfordern. Nein, wir integrieren nur eine sehr grundlegende, einfache Datenaufbereitung, die leicht zu verstehen ist. Also: Nicht versteckt, sondern modular.
Adzine: Das ist doch ein Henne-Ei-Problem. Wenn Sie es den Kreativen nicht anbieten, können die das doch gar nicht verstärkt einsetzen. Die ganze Idee der Conversionrate-Optimierung fordert doch, dass kreative Leistungen an Analysezahlen gemessen werden. Gibt es zum Beispiel die Idee, mit leichtgewichtigen, kleineren Produkten den Zugang gerade für Freelancer und Agenturen zu vereinfachen?
Chandra: Wir haben uns jede Menge Ideen ausgedacht. Eine Idee ist – vor allem im Hinblick auf Flash und Video –, die Analyse als Onlineservice anzubieten und den Kreativen das ad hoc zur Verfügung stellen. Unser Ansatz ist die Integration von kleinen Daten-Widgets in die kreativen Werkzeuge und wir wollen die Nutzer langsam dahinführen.
Der zweite strategische Ansatz ist natürlich unsere CMS-Integration, wo wir den Kreativen die Möglichkeit geben, User zielgerichtet anzusprechen – und dazu brauchen sie natürlich Analysedaten. Und ich glaube, der wichtigste Hebel ist die Integration der Social-Media-Analyse. Der Markt hat einen großen Bedarf für eine integrierte Lösung.
Adzine: CMS als entwicklungsfähiger Adobe-Markt? Reichlich spät.
Chandra: Nein, wir waren schon immer in diesem Markt. Aber viele der heute weitverbreiteten Tools sind zehn Jahre alt und da wird es Zeit für einen Wechsel. Und die Zeichen stehen ja eindeutig auf Multiscreen.
Adzine: Wie stellt sich dann die Kundenstruktur dar, wenn man die Omniture-Produkte betrachtet?
Chandra: Wir haben 5.000 Kunden. 1.000 davon machen 80 Prozent des Umsatzes aus. Das sind die ganz Großen. Industriell betrachtet sind wir am stärksten in den Medien und im Onlinehandel. Und Automotive, die geben ja sehr viel in der Online-Werbung aus.
Adzine: Die Großen stehen also nach wie vor im Fokus?
Chandra: Nein, wir denken eher vertikal in Branchen und versuchen, Lösungen für große und kleine Kunden zu finden. Aber wir starten oben, das stimmt.
Adzine: Kommen wir zum Kernthema, der Social-Media-Analyse. Was muss ich tun, um meinen Facebook-Account so an SiteCatalyst anzubinden, dass das Tool die Social-Media-Daten und die Webanalysedaten zueinander in Bezug setzen kann?
Chandra: Es gibt die zwei Aspekte der Anbindung von Social Media. Den einen Teil liefern wir, das ist klassische Social-Media-Analyse. Da müssen Sie gar nichts tun. Sie definieren nur Keywords und Plattformen und das Tool analysiert, was dort über Sie und Ihr Unternehmen gesprochen wird. Diese Daten lassen sich zum Beispiel auf einem Zeitstrahl sehr gut in Bezug zu den Analysedaten setzen, sodass man sieht, welche Aktivität in Social Media welchen Effekt auf den Umsatz hat.
Die zweite Dimension ist die Integration der Fanpage. Da muss man einen Tag einbauen. Das geht nicht in der Fanpage selbst, aber in einem iFrame.
Adzine: Im Bereich der klassischen Social-Media-Analyse ist ja sehr viel Bewegung. Wie sorgen Sie dafür, dass immer die richtigen Plattformen ausgelesen werden. Das ist doch auch von Land zu Land verschieden.
Chandra: Wir ziehen Daten auch aus den AdNetworks und die bleiben aktuell, da bin ich sicher. Aber Sie können uns ja auch eine spannende Site nennen, wenn die dem Produkt hilft. Im Bereich der Bewertungsportale und Social Networks ist die Auswertung recht komplex. Der einzelne Blog hingegen ist einfach zu analysieren.
Adzine: Was können Sie auf Facebook messen?
Chandra: Zwei Bereiche. Sie können Facebook-Ads und das entsprechende Bidmanagement über das zentrale Search Center in SiteCatalyst verwalten und natürlich erhalten Sie die ganzen Performance-Daten bezüglich der Anzeigen. Die entscheiden ja schließlich über den ROI.
Zweitens können Sie alle Aktivitäten auf der Fanpage messen. Die Likes, die Shares, die Kommentare, wer sie abgegeben hat und zu welchen Segmentgruppen er oder sie gehört. Bis hin zur Gefühlsanalyse der Kommentare.
Adzine: Sentimentanalyse ist ein schwieriges Thema. Wie weit sind die Tools heute?
Chandra: Bislang ist Sentimentanalyse ein sehr grober Wert. Interessant ist vor allem der Zeitverlauf. Wird eine Stimmung besser oder schlechter? Auch spannend ist die Frage, ob die Diskussion überhaupt emotional ist oder eher sachlicher Faktenaustausch. Aber Sie haben natürlich recht. Ab einer gewissen Granularität nutzt mir die Aussage einer Sentimentanalyse nicht mehr viel.
Adzine: Ist das von Land zu Land nicht unterschiedlich? Vielleicht sind die Deutschen ironischer und die Tools verstehen das nicht.
Chandra: Großartige Frage, auf die ich leider keine Antwort weiß.
Adzine: Wohin geht der Markt im Bereich Social-Media-Analyse. Was sagen die Kunden?
Chandra: Der Markt kommt aus der reinen Quantität. Wie viele Fans habe ich, wie viele Posts setzen die ab und so weiter. Das hat nicht wirklich direkt etwas mit dem geschäftlichen Nutzen zu tun. Da gibt es Fans, die mit wenigen Statusmeldungen für mein Geschäft viel wichtiger sind als mancher sehr aktive Fan. Da haben wir mit unserer Integrationslösung schon einen Schritt geschafft. Wir verbinden Internet-Aktivität mit Website-Aktivität. Jetzt liegt es an Ihnen, die richtigen Fragen zu stellen. Das ist aber der harte Teil.
Wenn ich einen Schritt weiter schaue, dann ist es heute viel zu schwierig, eine Social-Media-Kampagne aufzusetzen. Einer unserer Kunden wollte eine Kampagne auf 200 amerikanische Städte lokalisieren, er hat Läden dort. Das ist eine wahnsinnige Arbeit. Er hat es tatsächlich mit 200 lokalen Facebook-Profilen gelöst. Das geht doch nicht.
Der nächste Schritt muss heißen: Kampagnenmanagement in Social Media. Eine der häufigsten Aussagen, die ich derzeit höre, ist: Ich habe ein Budget für Social Media, aber ich weiß nicht, wo ich es ausgeben soll.
Adzine: Letzte Frage: Wir diskutieren heute viel über die Frage, was die richtige Währung ist für das Messen von Engagement. Die Menge der Follower und Fans ist es nicht.
Chandra: Drehen Sie das Ganze einfach um. Stellen Sie keine Hypothese über Engagement auf, sondern messen Sie, welche Aktivitäten auf Facebook welche Effekte auf Ihren Webstore haben. Jeder Sitebetreiber wird andere Zusammenhänge entdecken und die werden sich auch im Zeitablauf ändern. Darauf muss man vorbereitet sein.
Adzine: Herr Chandra, vielen Dank für dieses Gespräch.