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Für DQ&A in die Glaskugel geschaut

Jens von Rauchhaupt, 16. Juni 2011

Eigentlich erwartet man Prognosen am Ende oder am Anfang eines Jahres, nicht aber mittendrin. Aber DQ&A, internationaler Anbieter für Ad Operations mit Hauptsitz in Amsterdam, feiert nun einmal jetzt sein 10-jähriges Bestehen. Die Niederländer nehmen ihr Jubiläum zum Anlass und ließen dazu zehn Experten von internationalem Rang und Namen in die Zukunft des Online-Marketings blicken. Herausgekommen ist das Buch „The Future of Online Marketing“, das nicht nur zu einer medienkulturellen Grachtenfahrt einlädt, sondern auch den Beginn einer erneuten Transformation der Medienwelt belegt.

Google hatte es im September 2010 getan, PricewaterhouseCoopers hat es soeben in einem großen Rundumschlag getan. Noch so eine Fünfjahres-Zukunftsprognose sollte man also meinen. Weit gefehlt, denn die Spezialisten für Ad Operations haben zu ihrem 10. Geburtstag eine wirklich spannende und außergewöhnliche Auswahl an Beiträgen zusammenstellen können.

Karten auf den Tisch

Ihre Autoren sind keinesfalls Unbekannte, ganz im Gegenteil: Neben Alain Heureux (IAB Europe), Alison Fennah (EIAA-IAB), Michael Read (comScore), Benjamin Faes (Google EMEA) und Heleen Dura van Oord und Rick van Boekel (DQ&A) erhält der Leser auch Prognosen und Einsichten von Jacqueline Smit (Microsoft), Nuria Gimenez (GroupM Spanien), Fernando Taralli, (Young & Rubicam Brasilien) und Babs Rangaiah (Unilever). Die Besonderheit in dem Buch liegt in dem Facettenreichtum und den unterschiedlichen Branchenblickwinkeln aus Sicht der Agenturen, Werbungtreibenden, Technologieanbieter, Werbeträger, Vermarkter und Verbände.

Falls also die Maya mit ihrem ominösen Kalender und die Hopi unrecht behalten sollten und die Menschheit nach dem voraussichtlichen Weltuntergang im Dezember 2012 überraschenderweise doch weiterexistieren darf, können sich die Online-Marketer dank DQ&A schon ab dem 30. Juni, dem Veröffentlichungszeitpunkt des kostenlosen E-Books mit der näheren und mittelfristigen Zukunft beschäftigen. Schließlich sind fünf Jahre schneller vergangen, als es einem lieb sein mag – 2006, Sommermärchen, Sie wissen schon.

Den großen Graben überwinden

Den Anfang macht Alain Heureux, Präsident des IAB Europe. Der supranationale Branchenverband sieht sich zunehmend mit rechtlichen Fragestellungen aus der Politik konfrontiert, berichtet Heureux und prognostiziert eine Zunahme staatlicher Regulierungen. Wie recht er damit hat, zeigt schon jetzt der jüngste Vorstoß aus dem deutschen Ministerium für Verbraucherschutz um Ilse Aigner. Das Bundesministerium empfiehlt allen Ernstes eine Vereinfachungen des Abmahnungsrechts, um Wettbewerber, die auf Online-Umfelder mit laxem Datenschutz werben, abmahnen zu können. Die Behörde will also den Facebooks dieser Welt das Geldverdienen erschweren und missbraucht dazu die Mediaplaner als ihre unfreiwilligen Helfer. Eine groteske Vorstellung in Zeiten, in denen immer mehr die Profile der Zielgruppen und nicht die Umfelder für den Mediaeinkauf entscheidend sind, die Mediaplanung also eigentlich immer weniger über den Zielort der ausgelieferten Werbung wissen muss, solange dieser „brandsafe“ ist.

So gesehen, wird der zunehmenden Bedeutung von Brandsafeness und kommenden Technologien zu ihrer Durchsetzung in diesem Buch etwas zu wenig Beachtung geschenkt. Allenfalls Babs Rangaiah von Unilever äußert sich dazu mittelbar, indem er sagt: „Zukünftig wird vom Advertiser jede Online-Maßnahme evaluiert.“ Der Druck auf Werbeträger, Vermarkter und auch den planenden Agenturen wächst also mit der zunehmenden Bedeutung des Online-Marketings, so viel ist sicher. Daher bedarf es auch innerhalb der Branche einer besseren Ausbildung, ein Punkt, den man in letzter Zeit immer häufiger hört. Heureux erachtet daher eine hohe Qualifikation in allen Bereichen des Online-Marketings als wichtiger denn je. Jacqueline Smit, General Manager Consumer & Online bei Microsoft, glaubt sogar, dass gerade Agenturen mehr Generalisten auf Entscheiderebene benötigten, um die vielen Spezialisten in der Agentur sinnvoll führen zu können. Sie spricht von einem „neuen Agenturentypus“ der nötig sei, um der Vielseitigkeit und Komplexität der Branche Herr zu werden.

Die Zeit der Konsumenten kaufen

Dass Zielgruppen und nicht Umfelder in Zukunft das Herz der Online-Advertiser höher schlagen lassen, das ist auch die Meinung von Nuria Gimenez, Head of Digital Services, GroupM. Die Spanierin hat indes eine fast verwegene Ansicht, was ihr eigenes Land betrifft: Spanien werde nach ihrer Auffassung 2016 in der Online-Werbung eine führende Rolle in Europa spielen. Gimenez belegt das mit dem sprunghaften Anstieg von 13 Prozent in den spanischen Online-Werbeausgaben innerhalb der letzten fünf Jahre – geht es nach ihr, wird diese Entwicklung auch so weitergehen. Von Gimenez ist sonst viel Kluges zu lesen: Man kaufe sich mit der Werbung die Zeit des Konsumenten, die Marken müssten lernen ganz individuell mit dem Konsumenten zu interagieren. Dieses Vorgehen erfordert auch den Einsatz von neuen Technologien, deren zusätzliche Kosten aber auf den Werbeerfolg einzahlen. Das heißt für die Werbungtreibenden, dass wirksame Online-Werbung seinen Preis haben wird. Wer an dieser Stelle mehr über die Arbeitsweise von DQ&A sowie den kommenden Einsatzmöglichkeiten erfahren will, dem sei dann der Beitrag von Rick Van Boekel in diesem Buch ans Herz gelegt.

2016: „Digital First“ ist Data Driven

Zurück zu den Profilen, zurück zu den Daten, die auch Advertiser sammeln. Heureux glaubt, dass auch in Zukunft ohne anonymisierte Profildaten und deren Handel gar nichts geht. Eine Auffassung, die sowohl Benjamin Faes von Google wie auch Microsofts Jacqueline Smit und Babs Rangaiah von Unilever mehr oder minder unisono teilen. Das heißt im Umkehrschluss: soweit die Branche ihre Verantwortung ernst nimmt, kann der Graben zwischen Datenschutz und der profilbasierten Online-Werbung überwunden werden. Ein Themenkomplex, bei dem Googles Benjamin Faes richtigerweise eine größere Sensibilität von der Online-Werbebranche verlangt. Faes ist davon überzeugt, dass sich die Werbewelt just in diesem Moment in einer Art Revolution befindet, die eine noch stärkere Fragmentierung der Mediennutzung zufolge habe. Daher bedarf es intelligente Systeme, die den Nutzer kanalübergreifend tracken können, ohne diesen in seinem Recht auf Privatsphäre einzuschränken.

Bis dies ohne Murren der Öffentlichkeit und Politik funktioniert, wartet auf den IAB noch sehr viel Aufklärungsarbeit. Heureux selbst ist jedenfalls vom Siegeszug des „digitalen Kanals“ und damit auch des Online-Marketings bis 2016 überzeugt. Er glaubt, dass der klassische TV-Konsum einer digitalen und interaktiven Alternative weichen und bereits 2016 der digitale Kanal im Zentrum jeder Marketingmaßnahme stehen wird. Bis es aber so weit ist, muss die Branche vor der eigenen Tür kehren; Heureux, der von einer überaus dynamischen Entwicklung der europäischen Werbeausgaben ausgeht, kritisiert besonders das bestehende „Chaos“ in der Nomenklatur des Mobile Advertisings: „Advertiser und Mediaeinkäufer müssen wissen, was sie einkaufen sollen“, so Heureux. Die mobilen Werbeformate sind auch bei Alison Fennah vom im IAB eingegliederten Schwesterverband EIAA ein zentrales Thema.

Rettet den Regenwald - Print stirbt (auch in Brasilien)

Wussten Sie, dass in Brasilien erst 4,5 Prozent der Werbespendings in das Online-Marketing gehen? Den brasilianischen PR-Experten Fernando Taralli von Young & Rubicam hindert das nicht zu einer ganz besonders krassen Prognose für die südamerikanische Weltmacht in spe: Taralli ist überzeugt: 2016 wird in Brasilien Print vom Markt verschwunden sein, das iPad wird dort den klassischen Zeitungskonsum verdrängen. Wir mögen dazu nur müde lächeln. Aber was wissen wir Mitteleuropäer schon von der brasilianischen Medienwelt sowie von Land und Leuten und den gesellschaftlichen Veränderungen. Der Aufstieg der Mittelschicht wird dort auch die Medienlandschaft nachhaltig in das digitale Zeitalter katapultieren. Davon zeigt sich Taralli überzeugt und macht gleichzeitig keinen Hehl daraus, das für den E-Commerce das Glück in Social Media läge. Die USA wären im Online-Marketing weiterhin der wichtigste Partner und Taktgeber für die Südamerikaner.

Noch eine Wort zum Mobile Advertising. Aus Sicht der Advertiser wie Rangaiah von Unilever, aber auch aus dem von Michael Read, Chef des Metrikendiensts Comscore, ist der Siegeszug von Mobile nicht aufzuhalten. Daher würde man immer mehr App based Behavior mit personalisierten Anwendungen der Nutzer beobachten können. Dies sei laut Rangaiah eine große Chance für die Verlage, neue Monetarisierungsmodelle über den mobilen Kanal zu realisieren. Die mobilen Apps seien die wirklichen Treiber der Online-Werbung. Rangaiahs Beitrag sollte man besonderes Gehör schenken. Der Unilever-Mann hebt die Bedeutung von Gaming hervor. Als Einziger widmet er sich diesem wichtigen Aspekt. Denn immer mehr Zeit verbringen die Zielgruppen mit dem Spielen auf den mobilen Geräten „Mit der Marktdurchdringung von Smartphones und Tablet-Geräten werden die Menschen einen beträchtlichen Anteil ihrer Zeit mit Online-Games verbringen. Das gilt nicht für männliche Teenager, es wird der Mainstream sein.“

Dies war nur ein ganz kleiner Ausschnitt aus den zehn Beiträgen des Buches „The Future of Online Marketing“, illustriert von der niederländischen Cartoonisten Evalien Lang, das schon jetzt als Preview eingesehen werden kann. Das Buch zeigt eindrucksvoll, dass der Branche überaus interessante Zeiten bevorstehen. Doch bei all den wichtigen und richtigen Gedankengängen dieser Visionen sollte der Leser immer die Goldene Regel der Prophetie beherzigen: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.

Bild Jens v. Rauchhaupt Über den Autor/die Autorin:

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