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DISPLAY ADVERTISING

Wer verwaltet die mobile Reichweite?

Karsten Zunke, 26. Mai 2011

Seit zehn Jahren im Trend, nun verzeichnet man beachtliche Zuwachsraten: Das Mobile Advertising kommt in Schwung. Seit die Internetprofis Apple und Google die Richtung im Mobile-Markt vorgeben, nimmt auch die Display-Werbung auf mobilen Endgeräten Konturen an. Doch ob Mobile Display Advertising im engeren Sinne tatsächlich eine große Zukunft hat, muss sich noch zeigen. Es ist nicht auszuschließen, das Mobile Advertising viele neue Wege nimmt – jenseits klassischer Banner.

Mobile Advertising wächst um 40 Prozent, die Zahl der Werbungtreibenden steigt um 27 Prozent, vermeldete kürzlich der Bundesverband Digitale Wirtschaft. Es geht mit großen Schritten voran – allerdings auf sehr niedrigem Niveau. So ist die Anzahl der Werbungtreibenden noch recht überschaubar: 248 Unternehmen schalteten hierzulande im vergangenen Jahr mobile Kampagnen. Zum Vergleich: Es gibt rund 3,2 Millionen Unternehmen in Deutschland. Der Werbemarkt hat also reichlich Luft nach oben. In Gang gekommen ist er durch den Smartphone-Boom. Mittlerweile werden jährlich mehr Smartphones verkauft als Laptops und PCs zusammen. Allein in Deutschland legten sich laut comScore im vergangenen Jahr 5,1 Millionen Nutzer ein Smartphone zu. Damit besitzt fast jeder vierte Konsument zwischen Helgoland und Bodensee ein internetfähiges Handy – und kann theoretisch damit im Web surfen.

Mobile im Schatten von Online

Laut der aktuellen AGOF mobile facts 2010 zählen 9,13 Millionen der Deutschen ab 14 Jahren zu den Unique Mobile Usern, das entspricht rund 14,6 Prozent der Mobiltelefonbesitzer in Deutschland – Stand Sommer 2010. Aufgrund der rasanten Entwicklung in diesem Bereich dürften die neuen mobile facts weitaus höhere Zahlen liefern. Marktbeobachter rechnen mit 12 bis 16 Millionen Unique Usern. Der Grundstein für florierende Werbegeschäfte im mobilen Internet ist somit gelegt.

Doch betrachtet man die Werbereichweiten, hat der große Bruder Online klar die Nase vorn. So sind Einzelreichweiten von Werbeträgern im klassischen Web in der Regel um ein Vielfaches höher als im mobilen Internet. Im mobilen Web wird daher fleißig Reichweite aggregiert. Werbenetzwerke wie Madvertise oder InMobi spielen eine wichtige Rolle. Sie bündeln die verstreuten Werbeflächen von Hunderten Websites und ermöglichen den Werbungtreibenden Kampagnen mit hohen Reichweiten.

Rob Jonas

„Das Verbraucherinteresse an mobiler Werbung ist in den meisten Märkten größer als das Interesse an Werbung auf dem PC“, sagt Rob Jonas, Europa-Chef von InMobi. Einer Untersuchung des Werbenetzwerkbetreibers zufolge liegt die Verbraucherakzeptanz für mobile Werbung in den meisten großen Märkten bei circa 70 Prozent. „Das zeigt eine überwältigende Chance für Werber und Agenturen, die so Konsumenten mit zielgenauer und relevanter Werbung auf deren mobilen Endgeräten erreichen“, so Jonas.

Bei Ybrant Digital beobachtet man aber, dass der Endkunde in Deutschland im Vergleich zu anderen Märkten der mobilen Werbung derzeit noch verhalten gegenübersteht. „Zentraler Erfolgsfaktor zur Überzeugung der User bleibt auch hier, dem Kunden relevante Mehrwerte für seine spezifische Nutzersituation zu bieten – und dabei die besondere Sensibilität im deutschen Markt für Datensicherheit und Privatsphäre zu berücksichtigen“, sagt Marc Wrobel, Deutschlandchef der Ybrant Digital Group. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Indien bietet weltweit digitale Marketinglösungen an, auch für den mobilen Sektor.

Marc Wrobel

Ybrant Mobile ist nicht nur ein globales Ad Network: „Wir verstehen uns, nicht zuletzt aus unserer Erfahrung im Onlinebereich mit Analyse und Optimierungsmöglichkeiten als Berater für  Agenturen und Werbungtreibenden mit Performance-Zielsetzung, genauso wie für den Publisher. Für unser Gesamtangebot im digitalen Marketing gilt die Zielsetzung, dass wir den richtigen User zum richtigen Zeitpunkt ansprechen“, sagt Wrobel. Dazu entwickelt das Unternehmen seine Tracking- und Targeting-Technologien permanent weiter. Wrobel zufolge sei das Unternehmen schneller als reine mobile Player in der Lage, auch diese Mediengattung unter Performance-Aspekten optimal zu bedienen.

Deutschland noch abgeschlagen

Große Vermarkter sind in Deutschland in der Unit Mobile Advertising (MAC) des BVDW organisiert. Der MAC – quasi das Mobile-Pendant zum Online-Vermarkterkreis OVK – zählt 13 Mitglieder. Der Vermarkter mit der größten Reichweite ist hierzulande G+J Electronic Media Sales, gefolgt von Yoc und Interactive Media. G+J EMS erreicht nach eigenen Aussagen bereits zwei Drittel aller deutschen Mobile-User. Der Berliner Vermarkter Yoc bearbeitet mit gleich drei unterschiedlichen Stoßrichtungen den Markt, bietet Premium-, Audience- sowie eine Ad-Network-Vermarktung an.

„Die klassischen Vermarkter definieren sich über ihr Portfolio; wir definieren uns zusätzlich über unsere Technologie, die in höheren Klickraten, besseren Werbeerinnerungen und guten Kaufwahrscheinlichkeiten mündet“, erklärt der Gründer und Vorstandsvorsitzende von YOC, Dirk Kraus. Auch die Netzbetreiber mischen als Vermarkter mit. Als vierter Player im Vermarktermarkt kommen neben den Netzbetreibern, Premium-Vermarktern und Ad Networks die Ad Exchanges ins Spiel. Smaato ist einer der Platzhirsche in diesem Bereich.

„Wir sind eine Art PubMatic für den Mobile-Sektor“, beschreibt Harald Neidhardt, Co-Founder & CMO von Smaato, die Positionierung seines Unternehmens. Smaato steht als Ad Exchange zwischen den Vermarktern und Ad Networks auf der einen sowie den Publishern und App Developern auf der anderen Seite. „Wir bündeln einerseits die Inhalte und die Ad Request von mehr als 20.000 registrierten Publishern und App Developern. Andererseits aggregieren wir mehr als 60 Ad Networks weltweit“, erläutert Neidhardt. Nach seinen Aussagen ist das Unternehmen die größte Mobile Ad Exchange weltweit, zählt monatlich 150 Millionen Unique User und verzeichnet dabei mehr als 30 Milliarden Ad Requests (pro Monat). In 220 Länder liefert Smaato mobile Werbung aus. Deutschland rangiert dabei eher auf den hinteren Plätzen der Smaato Top 10. „Der gesamte asiatische Markt boomt und die USA ist unser größtes Einzelland. Doch Deutschland ist hinter seinem Potenzial – auch im Vergleich zu UK“, sagt Neidhardt.

Martina Vollbehr

Qualitative Reichweite gefragt

Aus Agentursicht ergibt sich laut Martina Vollbehr, Geschäftsführerin pilot checkpoint in Hamburg, noch eine andere Sicht auf die Dinge: „Die Smartphone-Verbreitung ist hoch, die daraus resultierende quantitative Reichweite für Werbezwecke grundsätzlich akzeptabel. Aber entscheidend ist die qualitative Reichweite“, so Vollbehr. Aus ihrer Sicht ist es nicht ausreichend, eine Menge an X Konsumenten theoretisch ansprechen zu können. „Die Herausforderung ist es, die Menschen in ihrer jeweiligen Nutzungssituation so anzusprechen, dass die Werbebotschaft wahrgenommen wird. Das ist mit mobiler Display-Werbung äußerst schwierig“, so Vollbehr.

Nach ihrer Ansicht ist die Zukunft des mobilen Display-Advertising noch ungeklärt. „Die Größe der Werbeflächen ist stark limitiert. Das wird sich auch künftig nicht ändern. Daher gehen wir davon aus, dass Mobile Advertising neue Wege geht, jenseits der kleinformatigen Banner-Anzeigen“, so Vollbehr. Insbesondere im Performance-Bereich sieht sie große Wachstumspotenziale für Mobile. „Mobiles Display-Advertising wird eine sinnvolle Ergänzung zu anderen Kampagnen sein. Der Fokus der mobilen Werbung wird aber auf die Interaktion mit den Nutzern liegen“, ist sich Vollbehr sicher. Vor allem in den Location Based Services sieht sie ein großes Potenzial. „Und auch großflächige Bewegtbildwerbung könnte zu einem der Treiber im Mobile-Advertising-Markt werden“, so Vollbehr.

Obwohl Smartphones hierzulande ausreichend vorhanden sind und der Werbemarkt kräftig durchstarten könnte, tun sich die hiesigen Werbungtreibenden schwer. Der Deutsche braucht Zahlen und eine Marktforschung, bevor er werblich aktiv wird – so scheint es. „Alles muss 130-prozentig sein, bevor man loslegt. Das könnte für viele Werbungtreibende zum Problem werden“, glaubt Neidhardt. Die Mobile-Werbebranche müsse hierzulande aufpassen, nicht in eine Sackgasse zu laufen. „Noch hat die Werbebranche die Möglichkeit, kleine Fehler zu machen und daraus zu lernen. In zwei Jahren wird es hingegen viel Geld kosten, um qualitativ hochwertig dabei sein zu können“, so der Experte. Sein Tipp: Lieber jetzt aus Fehlern lernen, als in ein paar Jahren viel Geld zu versenken – oder zu scheitern.

Digitales Déjà-vu

Doch wer sich in die mobile Werbewelt wagt, geht im ungewohnten Werbemedium meist auf Nummer sicher. Das äußert sich auch in der weitverbreiteten CPX-Abrechnung. Auch strahlt Googles Einfluss aus dem klassischen Web in die mobile Werbewelt ab. Werbungtreibende schauen kaum auf die Werbewirkung, sondern – wie in den Anfangstagen des Internets – auf die Klickrate. Das performanceorientierte CPX-Geschäft dominiert den Mobile-Bereich, wächst stark. Allerdings legen mittlerweile auch alle anderen Bereiche zu. „Wir verzeichnen ein ebenso starkes Wachstum in der Premium- und Audience-Vermarktung. Die Wachstumsraten liegen in allen drei Bereichen deutlich über 40 Prozent“, erläutert Kraus.

Doch die gesamte Entwicklung im mobilen Web erinnert an jene im klassischen Internet vor 15 Jahren. In den Anfangstagen des kommerziellen Webs waren Werbungtreibende nur auf Performance und Response bedacht. Alles, was zählte, war der Klick auf das Werbemittel. Und auch im mobilen Internet schauen Marketer gebannt auf die Klickraten. Durchaus fasziniert, denn diese liegen signifikant höher als im stationären Web. Während sich dort die Werte bei etwa 0,1 Prozent CTR einpendeln, liegen sie im mobilen Internet bei 1 Prozent und mehr. Dass dies ausschließlich der Faszination des Neuen geschuldet ist, halten Marktbeobachter für unwahrscheinlich.

Dirk Kraus

„Die Klickraten werden auch langfristig signifikant höher sein als beim stationären Online-Advertising“, ist sich Kraus sicher. Vor allem sind es die neuen, mobile-spezifischen Werbeformate, die für eine neue Klickaffinität sorgen. So ist Yoc beispielsweise mit seinem Format Ad Plus sehr erfolgreich, das auf allen Handybetriebssystemen funktioniert. Die Werbebotschaft wird als Banner gestartet. Klicken die Nutzer darauf, verschwindet der aktuell angezeigte Bildschirminhalt und der Nutzer taucht in eine komplett neue Welt – in die des Werbungtreibenden. Dies wird im ersten Schritt für Branding- und Imageziele eingesetzt. Erste Kunden setzen es bei Yoc auch im reichweitengetriebenen Audience-Bereich ein. „Premiumkampagne werden dadurch unabhängiger vom Umfeld, weil sie sich selbst ein neues Umfeld kreieren“, erläutert Kraus.

Zur dmexco im September will die AGOF die neuen Ergebnisse seiner mobile facts vorlegen, ab dann ist auch die quartalsweise Ausweisung vorgesehen. Man darf gespannt sein, wie sich Werbe- und Nutzermarkt bis dahin geändert haben. Eines steht fest: Diese Branche ist im Aufbruch. Diesmal wirklich.

Bild Karsten Zunke Über den Autor/die Autorin:

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