Pubbles baut einen Kiosk für das elektronische Lesen auf. Nicht alle großen Verlage wollen mitziehen, doch das könnte sich ändern, wenn signifikante Reichweite erzielt wird. Werden Android-Tablets dabei helfen? Wir sprachen dazu mit Dr. Bernhard Mischke, CEO Pubbles.
Adzine: Herr Mischke, mal die Grundfrage vorab. Inwieweit glauben Sie an die Idee des digitalen Lesens im Vergleich zu Print?
Dr. Bernhard Mischke: Ich sehe da kein Entweder-Oder, sondern eher ein Sowohl-als-Auch. Man braucht nur in die USA zu schauen: Die Szene ist zwar zwei Jahre voraus, aber digitales Lesen ist dort absolut Realität geworden. Und zwar überwiegend als Ergänzung, weniger als Substitutionseffekt. Ganz am Anfang konnte sich noch niemand vorstellen, dass die Leute am Bildschirm auch Bücher lesen würden. Das ist klar widerlegt. Die Leute lesen nicht nur auf den E-Readern, sondern auch auf hintergrundbeleuchteten Bildschirmen.
Adzine: Wir haben einen der weltweit stärksten Pressemärkte. Gelten da nicht andere Gesetze?
Mischke: Wir haben hier vielleicht andere Geschwindigkeiten in der Durchdringung. Und im Hinblick auf neue Medien und neue Geräte sind die Leser hier vielleicht etwas konservativer. Aber alle Entwicklungen im Bereich von digitalen Medien, die wir in den USA sehen, haben letztlich auch in Europa Fuß gefasst. Haupttreiber ist derzeit allerdings der Buchbereich, der hinsichtlich Produkten, Plattformen und Prozessen schon deutlich weiter ist. Die Produkte sind standardisiert, ein Buch ist leichter zu digitalisieren als Magazine mit ihrem deutlich aufwendigeren Layout.
Adzine: Was kommt als Nächstes für den digitalen Vertrieb in Frage: Fachmedien, Zeitschriften oder eher die Tageszeitungen?
Mischke: Eher die Zeitschriften. Produktkonzepte für Tageszeitungen sind häufig in der Zeitfalle gefangen. Das Entwickeln hochwertiger Produkte für das iPad ist schon eine Herausforderung. Es gibt Ausnahmen wie wired oder die Frankfurter Rundschau, die dann schon sehr magazinig daherkommen. Zeitschriften mit wöchentlicher oder monatlicher Erscheinungsweise sind da leichter zu handhaben, vor allem was die Aufbereitung mit multimedialen Inhalten angeht.
Adzine: Was kann man nach einem halben Jahr Tablet in Deutschland schon zu einem Thema wie Multimedia sagen?
Mischke: Am Anfang hat alles gefunkt und geblitzt bis hin zu einem Iconist, der die ganze Klaviatur der Möglichkeiten auf dem iPad gespielt hat. Inzwischen haben die Verlage erkannt, dass sich der aktuell betriebene Produktionsaufwand derzeit nicht rechnet. Inzwischen sieht man einen kontrollierteren Umgang mit den multimedialen Effekten. Einige Objekte mit höherer Auflage gehen stärker multimediale Wege, wie zum Beispiel der Stern, aber das ist schon auch ein Investment, das dort getätigt wird.
Adzine: Was ist mit dem Thema Interaktion? Wir haben in den letzten Jahren gesehen, dass sich die Lust der Leser am Kommentieren und diskutieren doch stark in Grenzen hält.
Mischke: Es ist eher so, dass zum Thema Kommentieren generell Facebook und Co. stärker angenommen werden. Ich glaube aber, dass sich die Interaktion bei der Tabletnutzung nicht wesentlich von der Rechnernutzung unterscheidet, auch wenn das iPad in meinen Augen eher ein Lean-Back-Medium ist.
Adzine: Wie positioniert sich Pubbles in diesem Szenario?
Mischke: Wir wollen die digitalen Lese-Angebote bündeln und die zentrale Anlaufstelle für die Leser werden. In unserer Position eines First Mover in diesem Markt haben hier schon einen gewissen Vorsprung erarbeitet, den wir auch halten wollen.
Adzine: Wie viele Nutzer gibt es?
Mischke: Zahlen kommunizieren wir nicht. Aber die Nutzerschaft wächst kontinuierlich, und wir haben vor allem sehr treue Kunden.
Adzine: Stichwort Verlagskooperationen. Ist es ein Ballast oder ein Vorteil, an einem Haus wie Gruner + Jahr zu hängen?
Mischke: Es ist grundsätzlich ein Vorteil. Auf unserer Plattform sind tolle Marken aus dem G+J-Portfolio unterwegs. Wir haben neben dem Buchportfolio mit über 40.000 E-Books aber auch schon 21 Zeitungs- und Zeitschriftenverlage mit insgesamt 66 Titeln an Bord. Diese Verlage kommen zu uns, weil wir eine Plattform gebaut haben, die nicht G+J-dominiert ist. Wir sind ja auch ein Joint Venture zwischen der G+J-Tochter DPV Deutscher Pressevertrieb und der DirectGroup Bertelsmann. Aber jeder Verlag hat seine eigene Strategie.
Adzine: Was sagen Sie denn Herrn Burda, wenn er fragt, warum er zu ihnen kommen soll und es nicht selber macht.
Mischke: Wir sagen ihm, dass wir ein gemeinsames und großes Angebot aller Verlage für die Kunden bilden wollen, auch um die Wertschöpfungskette aktiv für die Verlage mitzugestalten. Wir brauchen uns nur die Musikindustrie in den USA anzuschauen, um zu wissen, dass es nicht erfolgreich sein wird, wenn jeder alleine kämpft.
Adzine: Gehen wir mal einen Schritt tiefer ins Geschäftsmodell. Wenn ich ein kleiner Verlag bin mit einer Handvoll Fachpublikationen. Wie gestaltet sich unsere Zusammenarbeit?
Mischke: Wir arbeiten als Treuhänder für Sie, das gehört zu unseren Essentials. Die Kundenbeziehung entsteht zwischen Verlag und Endkunde. Das erhöht die Vertrauensbasis und erlaubt den Verlagen zum Beispiel die Daten für weitere Marketingmaßnahmen zu nutzen. Wir wollen kein zweiter Gatekeeper wie Apple oder Google werden.
Zweitens greifen wir nicht in die Vermarktung ein. Wir spielen auch keine Werbung in die Umfelder des Contents. Außerdem sind Preisbindung und Pressefreiheit zwei weitere Selbstverständlichkeiten.
Adzine:Gibt es Rahmenbedingungen in puncto Bezahlung?
Mischke: Nein, eigentlich nicht. Wir haben alles, von wöchentlich über monatlich bis hin zu quartalsweise oder jährlich. Und Sonderausgaben verkaufen wir natürlich als Singleshots.
Adzine:Kann ich ein kostenloses Probeabo verteilen?
Mischke: Das ist durchaus denkbar, wir haben die Funktion hinterlegt. Auch das definiert der Verlag.
Adzine: Sehen Sie innerhalb der Publikationen aufseiten der eingesetzten Werbemittel schon Innovationen in Sachen Online und Performance?
Mischke: Es gibt erste vorsichtige Gehversuche, die mit Abo-Bundles arbeiten.
Adzine: Wie generieren die Verlage Kunden?
Mischke: Ein wichtiger Hebel ist Upselling, also der Verkauf eines App-Abos an bestehende Abonnenten. Wir nennen das „Print-Abo +“. Wir bereiten gerade die ersten Abos vor, die Verbindungen zu den CRM-Systemen existieren bereits.
Adzine: Thema Vermarktung: Was tun Sie selbst, um an Neukunden zu kommen?
Mischke: Wir haben z. B. Promotoren in den Gravis-Stores eingesetzt, die Gutscheine an iPad-Käufer verteilt haben. Wir arbeiten generell viel mit Gutscheinen zum Ausprobieren, denn den Nutzen erfährt der Kunde ja erst, wenn er es selbst testet. Die Herausforderung ist zurzeit, dem Kunden erst mal das Produkt nahezubringen. Auf der Buchmesse haben wir das Thema E-Books fokussiert. Das hat uns sehr viele Kunden zugeführt.
Wir sehen, dass die Kunden bleiben und eine hohe Conversion haben. Beim Marketing geht es für Pubbles also primär um den Trial.
Zum Jahreswechsel haben wir auch eine ganze Reihe von Beilagen gestreut, vor allem in Medien, die bei uns Partner sind. Auch auf Facebook sind wir recht umtriebig. Wir haben knapp 900 Fans.
Adzine: Was machen Sie da konkret? Spielen Sie da auch Inhalte aus den Publikationen aus?
Mischke: Bei Content-Elementen haben wir eine schwierige Rechtesituation. Wir nutzen daher eher Gewinnspiele und Aktionen, zum Beispiel zur Prinzenhochzeit. Und wir vernetzen uns intensiv mit anderen Communitys, vor allem im Bereich Special Interest, dort läuft zum Beispiel das Thema Segeln oder Tauchen ganz gut. Ich bin der festen Überzeugung, dass man über Facebook, wenn man es richtig macht, auch neue Kunden finden kann.
Adzine: Haben Sie die Möglichkeit, bei iPads vorinstalliert mit darauf zu sein?
Mischke: Bisher nicht, allerdings könnten das Händler theoretisch im Rahmen des Auslieferungsprozesses in den App-Bars machen.
Adzine: Wie steht’s mit Google? Wie weit ist Pubbles für Android?
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Mischke: Da sind wir sehr weit. Wir arbeiten mit Hochdruck an der Android-App. Wir sind mit zahlreichen Herstellern im Gespräch wegen möglicher Vorinstallationen. Wir haben in den letzten zwei Jahren intensive Verlagsakquise gemacht und sehr attraktiven Content aggregiert. Das sehen die Player schon und kooperieren gerne mit uns, zumal wir auch White-Label-Shops anbieten können.
Adzine: Kann man den Aggregationsgedanken noch einen Schritt weiter denken in Richtung Content-Aggregation. Also Sportseite von der Bild am Sonntag kombiniert mit dem Feuilleton der FAZ und den lokalen Nachrichten des Hamburger Abendblatts?
Mischke: Es gab es ja bereits ein paar Versuche, die alle wieder auf Eis gelegt wurden. Hauptproblem da sind die Urheberrechte. In dem Moment, in dem Sie die Produkte disaggregieren, müssen Sie alles neu aushandeln. Für einen überschaubaren Markt lohnt sich das derzeit nicht. Außerdem ist die Aggregation ja die originäre Verlagsleistung. Sonst braucht der Leser doch nur Google.
Adzine: Werfen wir zum Schluss noch einen Blick in die verschiedenen Vermarktungskanäle. Was machen Sie im Bereich Affiliates?
Mischke: Wir nutzen im Performancebereich Zanox und andere Affiliate-Partner und setzen da natürlich auf den Netzwerkeffekt, weil einige unserer Titel sehr spitze Zielgruppen ansprechen. Darüber hinaus nutzen wir Suchmaschinenmarketing, um die relevanten Keywords zu belegen.
Adzine: Auf Pubbles fokussiert oder auf einzelne Titel?
Mischke: Sowohl als auch. Aber der Fokus der Kampagnen liegt in der Breite des Portfolios. Da spielen dann auch Bücher, Zeitungen und Zeitschriften eine Rolle.
Adzine: Ist für Pubbles auch Werbung auf Facebook vorstellbar?
Mischke: Wir haben einen Test in Vorbereitung.
Adzine: Gibt es Werbekostenzuschüsse (WKZ)?
Mischke: Nein, wir verlangen von den Verlagen keine WKZs. Und wir lassen uns auch nicht dafür bezahlen, wie wir Titel auf der Plattform platzieren.
Adzine: Kann es einen Groupon-Gutschein geben?
Mischke: In Zusammenarbeit mit den Verlagen ist das durchaus denkbar. Alleine werden wir es allein schon wegen der Preisbindung nicht machen.
Adzine: Letzte Frage: Wann schafft Pubbles den Breakeven?
Mischke: Pubbles ist ein Investitionsprojekt, vor allem technologisch. Und die Investitionen hören nicht nach dem Start auf. Außerdem müssen wir den Markt ja erst entwickeln. Der ist im Moment noch homöopathisch. Da zu sagen, wir schaffen den Breakeven nach einem oder zwei Jahren, wäre Augenwischerei. Wir haben uns bewusst Zeit genommen.
Adzine: Herr Mischke, vielen Dank für dieses Gespräch.