Adzine Top-Stories per Newsletter
SEARCH MARKETING

Auf und ab im Contentgeschäft

Jens von Rauchhaupt, 19. Mai 2011

Mit jüngsten Veränderungen des Suchalgorithmus will Google Onlineangebote mit zweifelhaften und nutzlosen Inhalten im Ranking der Suchergebnisse abstrafen. Dabei hat es der Suchmaschinenanbieter vor allem auf die ominösen Contentfarmen abgesehen. Doch erwischt Google mit diesem sogenannten Panda-Update eigentlich immer die richtigen Internetangebote? Wir haben unsere Zweifel und sprachen dazu mit Dirk Westphal, Chefredakteur Suite101.de, der den deutschen Ableger des Autorennetzwerks Ende 2007 „mit dem Laptop auf dem Schoß“ aufgebaut hat.

Adzine: Herr Westphal, was hat es eigentlich mit dem Namen Suite101 auf sich? Das erinnert an Room101.

Dirk Westphal: Suite101 ist keine orwellsche Folterkammer, wenn sie das meinen. "101" steht im Englischen auch für einen Einstieg, eine Übersicht, einen Einführungskurs, eine Sammlung. Als Suite101.com auf Englisch im Jahr 1996 loslegte, entsprach genau das der damaligen Ausgangsidee – und daher der Name.

Adzine: Aber Suite101 steht auf jeden Fall unter Beobachtung. Laut SISTRIX VisibilityIndex war die US Seite suite101.com zunächst eine der großen Verliererinnen des Google-Panda-Updates. Was meinen Sie, hat Google mit seinen Abstrafungen immer die richtigen Webangebote erwischt?

Dirk Westphal

Westphal: Auch wenn ich das Vorgehen von Google prinzipiell begrüße: Diese Frage lässt sich unmöglich einfach mit Ja oder Nein beantworten. Zwar weist die Sistrixliste einige der typischen Contentfarmen zurecht als klare Verlierer aus, andererseits werden immer noch Scraper-Webseiten, also automatisierte aggregierte Contentseiten, von Google im Ranking höher gelistet als die Originalseiten. Das ist also noch immer nicht der Weisheit letzter Schluss.

Adzine: Bereits vor dem Panda-Update von Google gab es rund um das Unternehmen Demand Media die Diskussion um Contentfarmen und Journalismus von der Resterampe. Ärgert es Sie, wenn man suite101.de zu diesen Angeboten zählt?

Westphal: Ja, absolut. Die Unterschiede zwischen Suite101 und Angeboten wie eHow von Demand Media sind sehr deutlich. Suite101 verfolgt einen stark redaktionell geprägten Ansatz. Mit suite101.de brauchen wir uns in Bezug auf redaktionelle Qualität in keinster Weise hinter den klassischen Medien zu verstecken.

Adzine: Worin unterscheidet sich Suite101 jetzt genau von Angeboten wie Demand Media? Dass es pro Sprache eine zentrale Webseite gibt und die Inhalte nicht weitergegeben werden, ist das der größte Unterschied?

Westphal: Das ist ein wesentlicher Unterschied. Aber es gibt noch einen weit wichtigeren: In den USA und Kanada sind eine ganze Reihe von Modellen wie Demand Media entstanden, die Inhalte auf Basis eines Computerprogramms generieren lassen. Das ist eine höchst ausgefeilte Software, bei der ein Algorithmus nach Kriterien wie etwa potenzielles Besucheraufkommen und Monetarisierungspotenzial darüber entscheidet, welche Themen generiert werden sollen. Diese automatisch erstellten Themen werden dann an die Mitarbeiter für die Textanfertigung weitergegeben. Bei uns ist das ganz anders. Die Autoren entscheiden selbst, worüber sie schreiben, unsere Autoren sind gerade angehalten, nach ihrem Wissen und ihren Interessen Themen auszusuchen, zu recherchieren und Beiträge zu schreiben. Ein Vorgehen, wie wir es aus dem klassischem Journalismus kennen, die Inhalte stehen im Vordergrund.

Adzine: Die Themenwahl kommt bei Suite101 allein von den Autoren?

Westphal: Wir haben eine Redaktion von 14 Leuten, die unsere Autoren betreuen, und natürlich geben wir auch Vorschläge und Anregungen. Aber grundsätzlich entscheiden unsere Autoren immer selbst, worüber sie schreiben möchten, und das führt zu einem weiteren wesentlichen Unterschied. Wir haben ganz viele, unterschiedliche Inhalte aus den Bereichen Geschichte, Kultur, Theater, Politik und Gesellschaft usw., die einfach interessant sind, aber kein Algorithmus auf dieser Welt automatisch generieren könnte.

Im zweiten Sistrix Visilibity Ranking war Suite101.com noch immer Leittragende des Google Panda Updates

Adzine: Wie wollen Sie jetzt suite101.de verbessern, damit Google das deutschsprachige Autorennetzwerk nicht abstraft?

Westphal: Wir müssen keinen kompletten Schwenk machen. Vieles läuft bei uns richtig. Natürlich ziehen wir auch unsere Learnings daraus. Aber es darf nicht so weit kommen, dass Google redaktionelle Qualität beurteilt. Zudem spielen ja auch andere Faktoren wie die Seitenstruktur, Usability und Design eine wichtige Rolle. In diesem Bereich werden wir demnächst einige Änderungen vornehmen. Unser redaktioneller Qualitätsanspruch bleibt davon unberührt.

Nach zwei Wochen hatte sich aber das Blatt zugunsten der US Suite101 Seite gewendet.

Adzine: Apropos Qualität, wie wird man eigentlich Autor für Suite101?

Westphal: Jeder muss sich bei Suite101 online bewerben und eine Textprobe abliefern. Gut die Hälfte der Bewerber wird von uns abgelehnt. Dann entscheidet vor allem der erste Beitrag eines Autors. Dieser wird noch einmal von der Redaktion auf seine Qualität überprüft, bevor er bei uns veröffentlicht wird.

Adzine: Wie sieht es mit den Nutzungsrechten für die Autoren aus, werden die Inhalte Ihnen exklusiv durch die Autoren zur Verfügung gestellt?

Westphal: Wir halten ausschließlich nur die Nutzungsrechte für das Internet für ein Jahr exklusiv, schon weil wir Duplicate Content vermeiden müssen. Zweitverwertungen wie über Print sind Sache des Autors.

Adzine: Und nach welchen Kriterien wird nun der Autor ausbezahlt?

Westphal: Der Autor erhält einen Anteil des am Artikel erzielten Werbeumsatzes. Manche Themen erzielen zwar eine hohe Reichweite, aber nicht zwangsläufig hohe Werbeumsätze. Andererseits gibt es wiederum Themen, die eine geringere Reichweite haben, aber höhere Werbeerlöse erzielen. Das ist ganz unterschiedlich und stark themenabhängig.

Adzine: Wie wird suite101.de vermarktet? Drei Millionen Unique User im Monat sind ja schon einmal eine Hausnummer.

Westphal: Zurzeit noch über das Google-Netzwerk, allem voran Google AdSense, das ja sehr textsensitiv ist. Aber wir verhandeln gerade mit einigen anderen Vermarktern.

Adzine: Herr Westphal, vielen Dank für das interessante Gespräch!

Bild Jens v. Rauchhaupt Über den Autor/die Autorin: