Zurück in die Zukunft mit dem Private Ad Exchange?
Nicolas Clasen, 7. April 2011In den letzten Jahren wurden wir alle Zeuge eines hochdynamischen Wandels im Onlineanzeigenmarkt verbunden mit einer Vielzahl neuer Marktteilnehmer. Trotz der Bandbreite an neuen Angeboten haben viele Vermarkter, Websitebetreiber und Verlage (im folgenden Publisher genannt) bisher eher zurückhaltend reagiert, wenn es darum ging, ihr Inventar über automatisierte Plattformen zu monetarisieren. Häufig entstand bei ihnen der Eindruck, dass viele der neuen Plattformen den Abstand zum Werbekunden einfach nur um ein weiteres Glied in der Wertschöpfungskette vergrößern und so für den Publisher letztendlich kontraproduktiv wirken.
Aber die Einführung von Agency Trading Desks, Demand-Side-Plattformen und Premium Ad Networks führt die Publisher immer stärker in die Versuchung, die Vorteile der neuen Angebote für sich zu nutzen. Und schnell war auch die Preisoptimierung ein Thema, denn bei der Vielzahl von Plattformen und Abrechnungsmodellen war es gar nicht mehr so einfach, sicherzustellen, am Ende auch wirklich immer die Kampagne mit dem höchsten Ertrag pro Ad Impression einzublenden. Daraus ergaben sich für Publisher zwei Szenarien: zum einen konnte man den Großteil seines Inventars an einen speziellen Plattformpartner vergeben und auf dessen Optimierungsgeschick hoffen oder man hielt das Heft weiter selbst in der Hand, arbeitete mit diversen Plattformen zusammen und sah sich mit jeder Menge händischem Optimierungsaufwand konfrontiert.
Mindestreichweite und Prinzip des Private Ad Exchange
Doch für einige reichweitenstarke Publisher (ab 50 Millionen Ad Impressions pro Monat) könnten Private Ad Exchanges die bessere Lösung sein. Es handelt sich dabei zwar immer noch um ein relativ neues Konzept, aber seinen besonderen Reiz gewinnt es durch die Möglichkeit, das Publisher so einen Großteil der Kontrolle über die Dynamik und den Preisfindungsprozess im Markt zurückgewinnen können, die im jetzigen Modell immer stärker zu den Plattformbetreibern ausgelagert wird; und das oft ungewollt.
Das Grundprinzip eines Private Ad Exchanges besteht darin, dass Publisher mit entsprechender Reichweite einen eigenen Marktplatz schaffen, auf dem Netzwerke und Plattformen über einen automatisierten Prozess an einer Echtzeitauktion um jede verfügbare Ad Impression teilnehmen. Dabei werden die Konditionen und Kaufbedingungen durch den Publisher definiert und die Netzwerke konkurrieren über den Preis um das vom Publisher eingestellte Inventar. So wird der Preis für jede eigenstellte Ad Impression im Interesse des Publishers optimiert und sichergestellt, das über die eingeblendete Kampagne der höchstmögliche Ertrag realisiert wird.
Vom Publisher wird nur unverkauftes Inventar zu Verfügung gestellt, die Menge ist variabel, alle klassischen Ratecard- und Premiumverkäufe werden weiter über den Adserver ausgeliefert und haben bei der Auslieferung Vorrang.
Für viele bereits ein bewährtes Modell
In Europa arbeiten bereits viele Premium-Publisher mit dieser Lösung, darunter sind Namen wie Le Monde in Frankreich, RTL in den Niederlanden oder die Gamingplattform Spil Games, die die Technologie für ihr Inventar in allen europäischen Ländern einsetzt.
„Unser Ziel ist es, 100 % unseres Inventars zum höchstmöglichen Ertrag zu monetarisieren. Dabei wollen wir entscheiden, wer zu welchem Preis welches Format kauft. Es ist für uns von strategischer Bedeutung, zu kontrollieren, in welcher Weise dies geschieht, und die Handelsbedingungen zu bestimmen.“
Marion Kuipers, Sales Director RTL Netherlands
Der eigene Private Ad Exchange: ein wichtiger Schritt hin zu mehr Kontrolle über das eigene Inventar
Um von einem Private Ad Exchange zu profitieren, ist es wichtig, dass Publisher verstehen, was die Grundprinzipien eines solchen Markplatzes sind und wo die Vorteile liegen.
Prinzip und Vorteile
Die Grundvoraussetzung für einen funktionierenden Private Ad Exchange ist, dass nur Kampagnen eingebunden werden, die keine Auslieferungsgarantien enthalten, damit ein dynamischer Preisfindungsprozess initiiert werden kann. Kampagnen werden nur so lange ausgeliefert, solange sich kein anderer Werbekunde findet, der bereit ist, einen höheren Preis pro Ad Impression zu zahlen. Dabei wird der aktuelle Preis für jede Ad Impression in wenigen Millisekunden neu berechnet. Fällt die Performance einer Kampagne oder bietet ein Marktteilnehmer höher auf das Inventar, fällt die Auslieferungsrate der Kampagne mit dem niedrigeren Preis.
Dabei können Gebote auf TKP-, CPC- oder transaktionsgebundener Basis gehandelt werden, unabhängig davon, über welche Technologie die Kampagne ausgeliefert wird, sei es Retargeting, Behavioral Targeting oder über einen klassischen Ad Exchange.
Der Private Ad Exchange erleichtert das Handling, Reporting und die Abrechnung aller Kampagnen, denn jede Kampagne der über 200 Plattformen im Markt (Ad Exchanges, Agency Trading Desks, Demand Side Platforms etc.) wird über das eigene System „gehandled“ und der Publisher entscheidet, welche der externen Plattformen angebunden werden soll und welche eben nicht.
Zudem erhöht der Private Ad Exchange die Transparenz, da Klickraten, Auslieferungsraten und weitere wichtige Kontrollgrößen im eigenen System nachverfolgt werden können, ohne dass man auf externe Berichte angewiesen ist. Auch Themen wie Blocklist Handling, Ad-Quality-Kontrolle und Cookie Droping Restrictions liegen so in der Hand des Publishers und werden zu kontrollierbaren Größen.
Innovation für mehr Kontrolle
Zusammenfassend kann man sagen, dass der Private Ad Exchange für den Publisher die Möglichkeit bietet, unabhängige zu agieren, über die Verkaufsbedingungen für sein Inventar selbständig zu entscheiden, die Abhängigkeit von externen Plattformen extrem zu reduzieren und damit einen großen Schritt zu tun, um im rasant wachsenden Markt des 2nd Ad Ecosystems der automatisierten Handelsplattformen die Nase vorn und die Kontrolle im Haus zu behalten.
Über den Autor:
Nicolas Clasen ist Director Publisher Development Germany bei Improve Digital. Clasen ist seit über 12 Jahren im Onlinebereich aktiv und war in verschiedenen Positionen sowohl für klassische Verlagshäuser als auch für reine Onlinefirmen tätig. Zuletzt hat er Unternehmen wie SevenOne Intermedia, aSmallWorld, artnet, Holtzbrinck eLab und Sueddeutsche.de beraten, immer mit dem Schwerpunkt auf Online Media Sales & Strategie. Clasen ist Diplomökonom und hat seinen Abschluss an der privaten Universität Witten/Herdecke mit Auszeichnung bestanden.
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