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DISPLAY ADVERTISING - Selbstregulierung

Mehr Transparenz und Kontrolle – warum die Selbstregulierung der europäischen Online-Industrie ein neues Zeitalter einleiten wird

Stephan Noller, 18. April 2011

Am 14. April 2011 hat eine breit angelegte Koalition der europäischen Online-Werbeindustrie den Start einer umfassenden Selbstregulierung in Bezug auf Online Behavioral Advertising (OBA) der Öffentlichkeit vorgestellt . Zu den Unterstützern zählen alle relevanten europäischen Dachverbände, sowie der Verband der europäischen Selbstregulierungsorganisationen EASA, desweiteren zahlreiche Unternehmen und Technologieanbieter.

Damit reagiert die Industrie auf die zahlreichen Kritikpunkte aus der Öffentlichkeit und zuletzt auch seitens des Gesetzgebers. Werbung, die Informationen über das Online-Verhalten des Users nutzt, wird in Zukunft eindeutig gekennzeichnet sein. Es wird zudem möglich sein, einfach verständliche Hintergrundinformationen zu bekommen - zur Frage welche Unternehmen involviert sind, welche Art des Trackings stattfindet usw. Zusätzlich wird der User ein europaweit gültiges Kontrollwerkzeug an die Hand bekommen, mit dem er seine Präferenzen für derartige Technologien verwalten kann (youronlinechoices.com).

Diese Initiative hat das Potenzial, das Gesicht des Internets dauerhaft zu verändern - und zwar sowohl für den normalen Internet-User, als auch für die Werbeindustrie und die Content-Publisher. Die Informationspolitik gegenüber dem Internet-User wird regelrecht um 180 Grad gewendet. Wo bisher Stillschweigen und Juristendeutsch herrschten, wird es in Zukunft extrem einfach zu erreichende, standardisierte und von unabhängigen Institutionen überprüfte Informationen über Herkunft und Hintergrund von OBA-Werbemitteln geben.

Das dazu eingeführte Informations-Icon wird europaweit standardisiert und damit für den User immer leicht erkennbar sein. Damit wird die Transparenz und Kontrolle hinsichtlich derartiger Werbung drastisch verbessert. Vor allem aber wird die Information in einer Art und Weise präsentiert, wie der Internet-User es in diesem Medium erwartet: kontextbezogen, unmittelbar und extrem schnell zugänglich.

Hintergrundinformationen bis hin zur Abschaltmöglichkeit sind einen, maximal zwei Klicks entfernt. Niemand muss irgendwelche kryptischen Datenschutzbestimmungen durchlesen oder Webseiten von Technologieanbietern aufsuchen, um herauszufinden, was mit seinen Daten geschieht. Wenn es der Industrie gelingt hier alles richtig zu machen, könnte es die Art, wie mit Usern und Ihren Daten umgegangen wird, revolutionieren. Übrigens auch aus der Sicht von Verbraucherschützern, denn die Art User sozusagen permanent kontextbezogen zu informieren ist bisher beispiellos.

Und viele der OBA-Provider werden es nicht damit bewenden lassen, den User nur passiv zu informieren. Richtig spannend wird es nämlich, wenn dieser Touchpoint – wo ein User also sagt, moment mal, was passiert hier eigentlich im Hintergrund – dafür verwendet wird mit dem User in einen Dialog einzusteigen. Also nicht nur zu zeigen, was man gespeichert hat und welche Schlüsse die Algorithmen aus den Daten ziehen würden, sondern auch Möglichkeiten zu offerieren, das Profil zu ändern, zu ergänzen und zu modifizieren. Kann ja sein, dass jemand durchaus interessiert ist passendere Werbung zu bekommen und nur bestimmte Bereiche davon ausschließen will. Oder, dass jemand eigentlich noch viel spezifischer über bestimmte Produktbereiche informiert werden möchte. Wenn es der Industrie gelingt, diese Filtersouveränität mit überzeugenden Mehrwertdiensten zu verknüpfen, die ggf. auch über reine Werbung hinausgehen, könnte ein ganz neuer Deal mit dem User entstehen – Daten gegen Relevanz.
Aber das ist bisher noch Zukunftsmusik, zunächst mal schafft die Selbstregulierung (neben einer Reihe weiterer Beschränkungen, z.B. im Hinblick auf Kinder, sensitive Segmente usw.) Transparenz und Kontrolle.

Und selbst wenn es nur dabei bleibt – der Effekt für die Online-Werbeindustrie könnte grösser nicht sein.  Zum einen wird eine der größten Barrieren für intelligente Werbung dauerhaft entfernt. Denn viele Werbekunden haben bisher immer wieder Sorgen geäußert, ob man mit derartiger Werbung nicht „mit einem Fuß im Gefängnis“ stünde. Man befürchtete in einer Grauzone zu operieren, und vielleicht plötzlich den Zorn der User auf sich zu ziehen.

Diese Sorge ist – vorausgesetzt die Selbstregulierung wird überzeugend umgesetzt und allseits akzeptiert – nachhaltig vom Tisch, denn das Framework schafft einen sauberen Rahmen in dem auf der Basis von Tracking-Technologien geworben werden kann.

Zum anderen kann nun ein regelrechter Innovations-Schub der OBA-Werbeformen erwartet werden. Durch diese „Legalisierung“ ist es nämlich nochmal weitaus attraktiver und zukunftsweisender geworden, in diesem Feld zu forschen, zu entwickeln und mutig Werbung neu zu definieren. Und wir sind erst am Anfang der Online-Werberevolution. Genaugenommen müssen wir uns für das, was bisher insbesondere. im Display-Advertising zu sehen ist eher schämen – wenn man die technologischen Möglichkeiten dahinter sieht.

Wenn wir mal davon ausgehen, dass nun ein legaler und sowohl für den Gesetzgeber als auch den User akzeptabler Weg gefunden wurde, unter Verwendung von Nutzungsdaten zu werben – dann kann man nur hoffen, dass wir über die nächsten Jahre ein Feuerwerk intelligenter Werbung sehen werden. Kluge Werbung, die den User nicht nervt, sondern durch überraschende Treffsicherheit in der Sache, im Ton oder im Timing überrascht und einwickelt. Werbung die wieder mehr als Information wahrgenommen wird. Werbung die Geschichten erzählt. Werbung, die nicht nur so schlau ist zu merken, wenn ich mir ein Produkt angesehen habe, sondern es auch rafft, wenn ich es gekauft habe und mich dann in Ruhe lässt. Werbung die zeigt was digital kann.

Über den Autor

Stephan Noller ist CEO des Targetinganbieters nugg.ad und IAB Chairman of the Policy Commitee.

Hier gehts zum Rahmenwerk des IAB Europe.

Bild Stephan Noller Über den Autor/die Autorin:

Stephan Noller, Jahrgang 1970, ist Gründer und CEO der nugg.ad AG, Anbieter für digitales Zielgruppenmarketing. Als Chief Executive Officer verantwortet er die konstante Entwicklung und strategische Ausrichtung der nugg.ad Lösung am Markt. Seit 2010 ist nugg.ad eine Tochter von Deutsche Post DHL.Neben seiner Tätigkeit bei nugg.ad bekleidet Noller seit 2009 den Posten als Chairman des Policy Committee beim IAB Europe, dem europäischen Internet-Dachverband in Brüssel. In dieser Funktion vertritt er die Interessen der Industrie vor politischen Gremien auf europäischer Ebene.

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