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Die Klassik bleibt wichtiger

Frank Puscher, 7. April 2011

Der Automobilzulieferer Continental nutzt im Reifenbereich schon länger Social Media – die klassischen Online-Marketing-Instrumente sind aber immer noch die wichtigsten, wie uns Dirk Rockendorf, Leiter eBusiness im Bereich Marketing und Vertrieb PKW-Reifen Europa der Continental AG verriet.

Adzine: Wie ist der Stand heute bzgl. Social Media und Conti? Müssen Sie um Etats kämpfen?

Dirk Rockendorf

Dirk Rockendorf: Continental ist ein sehr innovatives Unternehmen. Wir befassen uns zum Beispiel viel mit Elektromobilität. Das schlägt sich auch darin nieder, dass wir mit unter den Ersten waren, die in Social Media aktiv waren. Im Reifenbereich waren wir die Ersten. Wir haben recht früh die Chancen erkannt. Für die Etats muss ich nicht kämpfen, da unsere Aktivitäten Bestandteil des Marketingbudgets sind. Aber man muss natürlich schon erklären, was man dort tut. Das wird dann bei uns auch schnell verstanden.

Adzine: Wer verantwortet das Thema?

Dirk Rockendorf: Das ist bei uns Teamarbeit. Die Triebfeder ist Marketing PKW-Reifen, weil wir den größten Endkundenkontakt haben. Aber wir arbeiten auch ganz intensiv mit der PR zusammen, denn die können gut schreiben. Und wir brauchen Geschichten. In Social Media geht es um Storytelling. Gerade für ein Produkt, das nicht für alle Konsumenten so sexy ist. Das muss immer wieder in neue Geschichten eingebunden werden. Des Weiteren gibt es noch Corporate Communications, die sich um Themen wie Social Media Guidelines oder Corporate Branding kümmern. Last but not least noch HR mit Recruiting- und Employer-Branding-Themen.

Adzine: Und was ist mit Service und Customer Care?

Dirk Rockendorf: Da sind wir in den Anfängen. Wir haben als global agierendes Unternehmen da ein Problem, weil wir noch nicht überall Ressourcen zur Verfügung haben. Das muss man auch lernen: Für einen Dialogkanal braucht man Menschen. Ein einzelner globaler Kanal funktioniert auch nur begrenzt, weil wir natürlich eine Menge Produkte haben und die Prozesse dahinter mitunter sehr komplex sind.

Adzine: Was ist mit Monitoring: Haben Sie denn genügend Leute, um alle Standorte zu „beobachten“?

Dirk Rockendorf: Beim Thema „Reifen“ ist nicht so viel los. Da muss man Kommunikation immer wieder induzieren, sonst kommt da nicht viel. Ich kann recht einfach Facebook tracken. Das finde ich schon recht aussagekräftig. Wir vergleichen zum Beispiel den Traffic auf Facebook und den Traffic auf unserer Website, das gibt ein Gefühl für die Bedeutung von Facebook.

Adzine: Wie viele Nutzer kommen von Facebook auf die Website?

Dirk Rockendorf: Wir kriegen einiges an Traffic, wir nähern uns dem zweistelligen Prozentbereich.

Zurück zum Monitoring: Wir arbeiten zusammen mit TNS Infratest. Die nutzen Alterian SM2. Das ist ein sehr mächtiges Tool. Wir experimentieren auch mit anderen Tools wie Twitter-Suche oder Forensuche und fühlen uns da recht gut aufgestellt. Es kann immer sein, dass uns etwas durch die Lappen geht, aber wir wissen, wo die Leute über uns reden, und einen Teil davon reden sie auch auf unseren eigenen Plattformen.

Adzine: Stichwort Alterian: Die Datenmasse ist sehr komplex. Wie handhaben Sie das?

Dirk Rockendorf: Deswegen haben wir TNS dabei. Ich alleine könnte das nicht stemmen. Wir kriegen saisonale Reports, einen im Sommer und einen im Winter.

Adzine: Das klingt nach wenig. Was ist denn mit Issue-Management? Gibt es ein Eskalationsszenario, wenn sich ein Kunde richtig aufregt?

Dirk Rockendorf: Hatten wir in der Form noch nicht. Es kommt sehr darauf an, wo das erscheint. Wenn das einer in seinem Blog schreibt und er hat zehn Leser, interessiert mich das erst einmal relativ wenig. Wenn er etwas von mir will, hat er genügend Kanäle, um mit mir in Kontakt zu treten. Und genau das passiert. Aber klar: Wenn man eine solche Plattform auf Facebook eröffnet, dann kommt da auch Kritik. Aber davor muss man keine Angst haben. Wenn man ein seriöses Unternehmen ist mit guten Produkten, dann überwiegt das Lob.

Adzine: Wenn Issues reinkommen, wie werden die verteilt?

Dirk Rockendorf: Wir haben eine Reaktionsmatrix. Wenn zum Beispiel Themen wie Werkschließungen reinkommen, würde ich das sofort an Corporate Communications weiterleiten. Bei Produktproblemen geht das an den technischen Kundendienst. Auch das haben wir gelernt. Man muss nicht alles öffentlich diskutieren. Meistens antworten wir auf Kritik dahingehend, dass wir direkt mit dem Betroffenen Kontakt aufnehmen. Auch vor Social Media haben sich Leute mal über Produkte beschwert. Die bekommen alle die gleiche Aufmerksamkeit.

Adzine: Antwortet das Marketing auch mal direkt?

Dirk Rockendorf: 90 Prozent werden an Spezialisten weitergeleitet. Wir machen die Feel-Good-Kommunikation, den Smalltalk. Die echte Arbeit macht der Kundendienst oder Corporate Communications.

Adzine: Gab es mal einen Fall, wo Sie versucht waren zu reagieren und diesen Impuls dann unterdrückt haben?

Rockendorf: Ja.

Bild: Continental auf Facebook

Adzine: Gibt es bei einem Produkt, das nicht sexy ist, Brand-Advocates?

Dirk Rockendorf: Nicht wie bei anderen Produktgattungen. Bei den Motorrädern gibt es eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Produkt. Die sind näher dran. Und wir haben auch festgestellt, dass Blog-PR – unter Einhaltung der Spielregeln – gut funktionieren kann. Wir haben z. B. mal Blogger zum Produkttest eingeladen, chinesische Billigreifen gegen Conti-Reifen. Und mit den einen Reifen sind die Blogger den Berg raufgekommen, mit den anderen nicht. Die schreiben dann hinterher schon authentisch über das Thema und geben Tipps in diese Richtung. Ich würde sie aber nicht als Brand-Advocates bezeichnen.

Adzine: Schlagen wir noch einmal die große Brücke: Welche Bedeutung hat Social im Bereich Onlinemarketing für Sie heute und was ist im Onlinemarketing derzeit das spannendste?

Dirk Rockendorf: Erstens: Die Klassik gilt nach wie vor und macht über 75 Prozent. SEO, SEM, E-Mail und Display. Das zweite spannende Thema, das gerade hochkommt, ist Mobile und drittens kümmern wir uns um Social Media.

Adzine: Was machen Sie Mobile?

Dirk Rockendorf: Erst mal die Hausaufgaben. Wir schauen, dass unsere Website mobil funktioniert und dass man auch unsere Newsletter auf dem Smartphone gut anschauen kann. Dann machen wir z. B. Branding Apps und haben erste Service Apps wie Händlersuche im Angebot (wenn auch noch nicht in D).

Adzine: Welche Strategie fährt Conti im Social Web?

Dirk Rockendorf: Hier kann ich Content spielen, der bei uns bisher keinen Platz hat und trotzdem die Marke erlebbarer macht. Und natürlich der Dialog. Gerade für das Marketing ist das doch eine einmalige Gelegenheit.

Adzine: Ist Social eine Chance für ein qualitätsorientiertes Unternehmen, um höhere Preise durchzusetzen, oder wird der Transparenzdruck der Märkte noch größer?

Dirk Rockendorf: Nein. Social Media ist ein wunderbares Branding-Instrument. Man muss genau überlegen, was man da tut, denn das zeichnet mein Bild nach außen. Das ist wie früher mit der Imagekampagne. Gerade wenn es am Markt einige ähnliche Produkt gibt, entscheidet doch ganz oft zum Schluss ein subjektiver Faktor. Ich mag die Marke. Hier wird auch Social Search spannend, weil die Nutzer von ihren Freunden erfahren, dass diese ein bestimmtes Produkt gekauft haben und das dann positiv mit der Marke verbinden. Deshalb machen wir Fußball, unsere Konkurrenten machen Formel 1. Social Media bietet eine tolle Chance, eine Marke spannend zu gestalten.

Adzine: Sie sprechen Social Search an. Hat Ihre Aktivität auf Facebook heute schon Einfluss auf das Google-Ranking?

Dirk Rockendorf: Bei uns derzeit noch nicht. Es wird wichtiger werden, aber nur allmählich. Außerdem stellt sich noch die Frage, ob die Nutzer die Verbindung von z. B. Google und Facebook überhaupt wollen. In den USA ist BING zum Beispiel schon recht weit. Hier gibt es eine eigene Registerkarte Social, in der ich suchen kann, was meinen Freunden gefallen hat.

Adzine: Schlussfrage: Nur Facebook oder auch andere Plattformen?

Dirk Rockendorf: VZ machen wir nicht, weil die Zielgruppe nicht passt. Nein, wir sind bei Facebook, wir experimentieren bei Twitter und schauen uns Foren an. Ach ja, YouTube gibt es auch noch …

Adzine: Herr Rockendorf, vielen Dank für das Gespräch!

Bild Frank Puscher Über den Autor/die Autorin:

Frank Puscher arbeitet seit über 20 Jahren als Journalist in der Online-Branche. Er schreibt regelmäßig für Publikationen wie ADZINE, InternetWorld Business, Ct, Internet-Magazin oder die Absatzwirtschaft. Seine Lieblingsthemen sind Usability, E-Commerce und Online-Marketing. Seit 12 Jahren arbeitet Puscher außerdem als Moderator auf Online-Veranstaltungen. Außerdem berät er Unternehmen und öffentliche Institutionen im Umgang mit Online-Marketing und Social Media.

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