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SEARCH MARKETING - Customer Journey

Aus den Reiseberichten schlau werden

Jens von Rauchhaupt, 14. April 2011

Von der eigenen Bedarfserkennung bis zum Kaufabschluss: Die Customer Journey des Internetnutzers kennt viele Online-Stationen. Doch welche dieser Stationen hat den User in seiner Kaufentscheidung maßgeblich beeinflusst? Beim User-Tracking entstehen Unmengen von Daten, aus denen sich wichtige Erkenntnisse für laufende und zukünftige Online-Kampagnen folgern lassen.

Eine Studie der GroupM Search Unit in Zusammenarbeit mit comeScore vom Februar 2011 brachte zutage, dass 58 Prozent aller dort untersuchten Customer Journeys, die auch in einem Online-Einkauf münden, die Suchmaschine als Startpunkt hatten. Schon lange ist den Marketingverantwortlichen die herausragende Stellung von Search in der Bewertung der Online Customer Journeys bewusst. Allerdings beweist diese Studie mit ihrem Ergebnis noch etwas: Search ist eben nur die halbe Wahrheit. Wo starten wohl die anderen 42 Prozent ihre Reise bis zum Kaufabschluss und was noch wichtiger ist: welche Kanäle zahlen zu welchen Anteil auf die Konversion ein? Nur eine umfassende Analyse kann diese komplexe Fragestellung beantworten. Und diese Antworten sind wichtig, damit die Unternehmen neben der Optimierung laufender Kampagnen die Werbe- und Vertriebsbudgets zukünftig noch effizienter in den Onlinekanälen aussteuern können.

Wer sind überhaupt die emsigen Datensammler?

Ob Landing Page nach einer AdWords-Anzeige, aufpoppendes oder geklicktes Display-Banner im mobilen oder stationären Web, ein geöffneter Newsletter, eine Bewertung im eigenen Shop oder gar der Unternehmensauftritt im Social Network: Überall, wo der Browser das Zählpixel lädt und Cookies vom Adserver erhält, lassen sich per Multi-Channel-Tracking Informationen gewinnen.

Doch wer sammelt diese anonymen Daten eigentlich, welches System hat beim Multi-Channel-Tracking den Hut auf? Im Grunde sind es immer die Systeme, die für die einzelnen Kanäle die Redirects generieren, oft sind das kanalübergreifende Tools wie beispielsweise solche von etracker, Omniture oder Econda, allesamt Unternehmen, die eigentlich in der Webanalyse heimisch sind. Daneben bieten aber eben auch die Adserver-Anbieter wie beispielsweise Mediaplex oder newtention ihr technisches Know-how den Agenturen oder auch den Werbungtreibenden direkt an. Ihr Vorteil: Adserver haben eine lange Tradition in der Auslieferung von Werbemitteln und sie verknüpfen dieses Wissen mit ihrer Erfahrung im Erstellen von detaillierten Reportings. Oftmals kooperieren sogar Softwareanbieter für Trackingtools mit Adserver und SEM Bidding Tools und bieten so ihr übergreifendes Multi-Channel-Tracking im Verbund an. Viele Wege führen also auf Trackingseite nach Rom, fast genauso viele wie es auszusteuernde Online-Kanäle gibt.

Heike Lindner

„Wir messen alle Online-Marketing-Kanäle, also SEM, SEO, Display-Kampagnen, Affiliate-Marketing, E-Mail-Marketing, Mobile-Kampagnen, Website-Aktivitäten und Social Media“, sagt Heike Lindner, Deutschlandchefin vom Adserver und Tracking-Spezialisten Mediaplex. Dass dabei Unmengen von Daten anfallen, bestätigen sowohl Lindner als auch Dirk Klose, Geschäftsführer vom Adserver-Anbieter newtention. „Die Daten für sämtliche Auswertungen haben wir heute, dazu muss nur ein Pixel mitlaufen, damit wir eine Markierung der User erreichen.“ Viel schwieriger ist es, sinnvolle Schlüsse daraus zu ziehen. „Es ist ein enormer Daten-Aggregationsaufwand. Wir setzen dafür voll auf Cloudtechnologie. Anders würde das gar nicht funktionieren, 100 Maschinen hier aufzustellen, die wir für Aggregationen nur wenige Stunden benötigen, das wäre für jeden Technikdienstleister ein wirtschaftlicher Alptraum“, sagt Klose.

Lars Hasselbach

Informationsaufbereitung für den Kunden

Daraus resultiert die Frage, wie alle diese gesammelten Daten nun für weitere Interpretationen aufbereitet und sinnvoll genutzt werden. Hier zeigen die Anbieter unterschiedliche Herangehensweisen. Eine geläufige Form sei laut Lars Hasselbach, Geschäftsführer des Premium-Performance-Marketing-Netzwerks Ligatus, die visuellen Informationsaufbereitung der häufigsten Kontaktketten. „Darüber sieht man schon recht gut den häufigen Fall, dass eine Transaktion durch eine Display-Kampagne initiiert wurde, der Sale nach dem ‚last cookie wins‘-Prinzip aber in einem anderen Kanal landet.“ Diese Visualisierung der gesammelten Daten sei eine ganz entscheidende Rolle für den Erfolg eines Multi-Channel-Trackings: „Aufgrund der schieren Masse und der Komplexität der Daten müssen diese sinnvoll aggregiert und visualisiert werden, damit der Anwender sie aufnehmen, analysieren und seine Schlüsse daraus ziehen kann“, meint Hasselbach.

Dirk Klose

„Schonungslose Wahrheit“

So blicken die Experten von newtention beispielsweise in der User-History auf den Zeitlauf der Kampagne und untersuchen die einzelnen Kontaktstrecken, über die der User zur Konversion gekommen ist; also wie häufig er in welchem Kanal zu welchem Zeitpunkt Kontakt mit der Werbekampagne hatte. „Die schonungslose Wahrheit“ nennt das Dirk Klose. „Hier erfährt man oftmals Dinge, die eine Agentur entweder in der Strategiewahl bestätigt oder ein völlig anderes Bild zeichnet. Denn es kann schon vorkommen, dass die Agentur bei der Kampagne auf SEM gesetzt hatte, tatsächlich aber die User-History ergibt, dass die Kontakte vor allem im Display und Affiliate Kanal hergestellt wurden.“

Bei Mediaplex erhält der Kunde eine individuelle und an das Businessmodell angepasste Analyse. „Der Kunde formuliert bis zu fünf Thesen, die er durch die Datenauswertung beantwortet wissen will“, erläutert Lindner und nennt beispielhafte Fragestellungen: „Hat meine Social-Media-Kampagne einen Einfluss auf andere Online-Marketing-Kanäle – also: wo konvertieren eigentlich die Nutzer, die wir zuerst über eine Social Media Aktion erreicht haben? Welcher Publisher (Network oder Partner) war über alle Kanäle für uns der effizienteste Partner?“ „Auswertungen auf Knopfdruck“, die manche Marktbegleiter zur Verfügung stellten, würden laut Lindner „weder dem Businessmodell noch der jeweiligen strategisch-wirtschaftlichen Situation des Kunden gerecht.“

User oder Usercluster?

Eine kanalübergreifende Sicht heruntergebrochen auf den einzelnen User hat laut Klose von newtention wenig Aussagekraft. „Wir bilden Cluster von uniquen User-Gruppen, die exakt die gleiche Kontaktstrecke aufweisen, bei Retailkunden können die Cluster zwischen 30 und 100 User ausmachen, dass richtet sich häufig nach der Stärke der Marke.“ Theoretisch kann man sich jede einzelne Transaktion anschauen und analysieren, welche Kanäle an deren Entstehen beteiligt waren, meint Hasselbach, ohne viel davon zu halten: „Das wird in der Praxis aber niemand machen, relevant sind hier vielmehr aggregierte Daten, welche die grundsätzlichen Zusammenhänge darstellen. Die Frage nach der Visualisierung der Daten ist in der Tat sehr entscheidend und ein Differenzierungsmerkmal der Technologieanbieter, denn wir reden hier bei großen Advertisern, die den gesamten Online-Marketing-Mix bedienen über sehr (!) viele Daten“, sagt Hasselbach, der vor seiner Zeit bei Ligatus sämtliche Online-Sales- und Marketing-Aktivitäten der Marken E-Plus, BASE und Ay Yildiz verantwortet hat.

Mathias Seidler

Ganz anders scheint hier die neu gegründete Performance-Agentur Digital Response um ihren Geschäftsführer Mathias Seidler zu denken. Für ihr eigenes Multi-Channel-Tracking und der Customer Journey-Analyse nutzt Digital Response Adternity Adserving: „Natürlich ist auch die Darstellung der Customer Journey von einzelnen Nutzern möglich. Reports zeigen uns deutlich, welche Wege die Nutzer zur Konversion nehmen“, sagt Seidler und erläutert die Vorgehensweise seiner Agentur: „Kanäle, die besonders gute Performance liefern, können wir stärker buchen und wir sehen natürlich, welche Kanäle unterstützend zur Konversion beitragen.“ Die Auswertungen stehen dem Kunden als Tages-, Wochen- und Monatsreport zur Verfügung. „Die Daten werden schon live bei View oder Click des Users ausgewertet und als Touchpoint in der Customer Journey abgelegt. So können wir immer live eine Customer Journey des Users abfragen und die Werbung dementsprechend steuern. Da wir eine kampagnenübergreifende Customer Journey generieren, die selbstverständlich anonym ist, sind wir in der Lage, die Daten so anzureichern, um das beste Ergebnis für die Konversion zu erreichen“, erläutert Seidler.

Learnings

Interessant sind die Learnings, die beim Tracking der Kampagne entstehen. Die Betrachtung der Kampagnen laufen bei newtention beispielsweise zwischen zwei und acht Wochen, bis der Adserver aus der User-History ein Learning für die Optimierung ziehen kann. Ein paar grundlegende Erkenntnisse zu den einzelnen Branchen: Bei Versicherungen sollen beispielsweise Display-Werbung und der Affiliate-Kanal gut funktionieren, während SEM dort zur Konversion beitragen kann. Doch Klose warnt vor zu schnellen Verallgemeinerungen: „Wir haben zwar branchenspezifische Erfahrungswerte, allerdings sind die Learnings auch innerhalb einer Branche vor allem von der Marke abhängig. Bei manchen Fashion-Marken funktionieren SEM und Affiliate besonders gut, während andere unserer Kunden aus diesem Bereich weit bessere Erfahrungen mit den Kanälen Newsletter und Display bzw. Social Media gemacht haben.“

Bild Jens v. Rauchhaupt Über den Autor/die Autorin:

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