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SOCIAL MEDIA

CRM: Kundenbeziehungsmanagement im Wandel

Christina Rose, 28. April 2011

Ohne das Präfix „Social“ definiert sich derzeit kaum ein Trend im Web. Und offenbar ist für keine Branche die Entwicklung so passend wie für das Kundenbeziehungsmanagement. Doch noch ist es für Unternehmen ein weiter Weg, CRM effektiv via Social Web zu ergänzen.

CRM ist systematisiertes Kundenmanagement. Es schafft die Voraussetzung dafür, Kundenbeziehungen auf Basis gesammelter Daten aktiv zu managen und zu steuern. Gelingt es, eine vollständige Kontakthistorie aufzubauen, können Unternehmen ihre Kunden dort abholen, wo sie stehen, und ihre Bedürfnisse konkret bedienen.

Mehr und mehr beeinflussen auch Social-Media-Komponenten das Kundenbeziehungsmanagement. Der Branchenverband BVDW hat Leadmanagement, Kundenservice und Kundenbindung als die ersten CRM-Felder identifiziert, in denen Social Media eine zunehmende Rolle spielen wird. CRM-Systemanbieter werden dafür sorgen, Daten und Prozesse aus Social Media systematisch nutzbar zu machen.

Doch Social Media ist längst noch nicht das gelobte Land fürs Kundenbeziehungsmanagement. Was als Binsenweisheit („Keine Aktivität ohne durchdachte Strategie“) anmutet, lässt nach wie vor viele Unternehmen im Social Web Schiffbruch erleiden: Teldafax, Vodafone, Jack Wolfskin und Jako, um nur einige zu nennen. Dagegen scheinen erfolgreiche Unternehmen wie Lufthansa, Haribo oder 1&1 die Social-Media-Fantasien vieler Unternehmen zu beflügeln. Denn zweifellos nehme die Bedeutung sozialer Netzwerke im Marketingmix klar zu, hat jüngst eine vom EHI Institut in Auftrag gegebene Umfrage unter Geschäftsführern und PR-Profis ermittelt: Doch „sehen Entscheider Social Media noch durch die rosarote Brille.“ Kommunikationsverantwortliche hingegen hätten die Schwächen, aber auch den tatsächlichen Wert von Social Media begriffen.

Als Vorteile nannten beide befragte Gruppen die interaktive Kommunikation, Aktualität und Schnelligkeit. Nachteile sehen beide Personengruppen in der Steuerbarkeit und der Reaktionsgeschwindigkeit. Erstaunlich unkritisch sähen Geschäftsführer das Fehlverhalten der eigenen Mitarbeiter im Umgang mit der betrieblichen Außendarstellung. Nur 22 Prozent der Entscheider hätten laut Umfrage hier Bedenken gegenüber 53 Prozent bei den Kommunikationsprofis.

Öffentliche Fehltritte als PR-GAU

Der fatale Effekt, die Bedürfnisse seiner Kunden nicht ernst zu nehmen, hat sich für Teldafax im Social Web sogar noch potenziert. Die Verantwortlichen des Unternehmens hatten sich angesichts einer Vielzahl an negativen Kundenkommentaren auf der Facebook-Fanpage von Teldafax dazu hinreißen lassen, einen Post abzugeben, in dem die Fans aufgefordert wurden, ihr negatives Feedback nicht über Facebook, sondern lieber per E-Mail an den Support abzugeben. Der PR-GAU folgte auf dem Fuße in Form einer Flut empörter Äußerungen wütender Kunden und verdeutlicht, was viele Unternehmen eben noch unterschätzen: Social CRM ist bidirektional und direkt. Unangenehme Kundenfragen können nicht im Stillen via Hotline geklärt werden, der Frust entlädt sich öffentlich. Das Social Web stellt bisherige CRM-Strategien auf den Kopf und  Unternehmen vor ganz neue Fragen erläutert Mario Pufahl, Partner des CRM-Beratungsunternehmens EC4U Expert Consulting AG:

- Wie viel Transparenz möchte ein Unternehmen zulassen?
- Welche Kanäle müssen in welchen Zeitabständen bedient werden?
- Welche Mitarbeiter sollen eingesetzt werden? Muss man Mitarbeiter dafür qualifizieren oder neue akquirieren?
- Wie können Unternehmen den Schutz persönlicher Daten garantieren?

Wer also den Wandel seines Kundenbeziehungsmanagements in Richtung Social Media vollziehen will, muss neue Konzepte entwickeln. „Es reicht es nicht aus, bestehende Konzepte weiterzuentwickeln“, mahnt Pufahl. Denn zu komplex und grundlegend sind die Veränderungen im Unternehmen: Vor der Einführung der Technik müssen eine Social-CRM-Strategie erarbeitet, Richtlinien und Prozesse etabliert und die Mitarbeiter geschult werden.

Dokumentation

Nötig sind CRM-Systeme, die soziale Prozesse sowohl außer- als auch innerhalb des Unternehmens dokumentieren. Die Aufgabe für die IT ist dabei, Mitarbeiter abteilungsübergreifend beispielsweise durch ein intelligentes Reportingsystem zu unterstützen, skizziert Pufahl: „Welcher Kunde hat sich im Callcenter beschwert? Was ist daraus bei Twitter resultiert? Wie kann ich diesen Kunden wieder ins Callcenter zurückholen?“

Mario Pufahl

Unternehmen sollten sich im Klaren sein, dass bei der Findung einer CRM-Strategie die Entscheidung auch gegen Social Media fallen könnte: Weil das Unternehmen im Social Web deplatziert sein könnte, weil die Unternehmensstrukturen nicht dazu passen. Denn die größten Hürden auf dem Weg zum Social CRM sind weniger technische als vielmehr menschliche und organisatorische Variablen. „Customer Experience Management, also die Verknüpfung von Marketing, Vertrieb und Service, findet praktisch bislang nur rudimentär statt“, kritisiert Mario Pufahl. Besonders im Vertrieb treffe man noch auf eine Gutsherrenmentalität nach dem Motto „Meine Kunden gehören mir“. Austausch und Rückmeldungen an andere Abteilungen zum Kommunikationsstatus mit dem Kunden fehlten meist.

Produktverbesserungen und personalisierte Offerings

Um Kundenfeedbacks und Supportanfragen im Unternehmen und den einzelnen Abteilungen systematisch zu erfassen und zu verwerten, bedarf es klarer Prozesse und einer offenen Kommunikation. „Man muss CRM organisatorisch höher aufhängen“, plädiert CRM-Berater Pufahl. In der Vergangenheit sei CRM entweder in der IT oder im Marketing, weniger im Service angesiedelt worden. Künftig müsse das Thema aber bei Stakeholdern und der Geschäftsleitung aufgehängt werden, um Austausch überhaupt forcieren und abteilungsübergreifend konzipieren zu können. „Die Erkenntnis der Notwendigkeit ist da, viele tun sich aber noch schwer, verkrustete Strukturen aufzubrechen“, resümiert Pufahl.

Social Media sei sicherlich überall sinnvoll, wo ein Austausch zu Produkten bzw. Handhabungen oder Hilfe zur Selbsthilfe gefragt ist, skizziert Mario Pufahl: „Social CRM kommt überall da ins Spiel, wo der Austausch der Endkunden genutzt werden soll, um ihn in eine systematisierte Information oder in Service umzusetzen. Zudem kann Social CRM mit gezielten Insights dazu beitragen, dass Produkte verbessert werden und wichtige Meinungsbildner nicht nur identifiziert, sondern auch gezielt mit Offerings angesprochen werden können.“

Ralf Schengber

Prof. Dr. Ralf Schengber, der mit seiner DSaF GmbH Unternehmen in Sachen Community-Marketing und Social Media berät, sieht Einsatzszenarien bei Kundenforen und Chats oder Bewertungsmöglichkeiten und Ideenpools, die Unternehmen auf ihren eigenen Internetseiten zur Kundeninteraktion und -bindung anbieten können. Bei der Kommunikation über externe Kanäle wie Facebook, YouTube und Twitter sollten Unternehmen immer die spezifische Nutzersituation berücksichtigen, mahnt er: „Die Kunden möchten nicht überall und immer mit Unternehmen kommunizieren.“ Wer sich in die sozialen Medien begibt, muss vor allem auch zuhören können.

„Aus unserer Erfahrungen mit Kunden in 27 Ländern können wir sagen, dass Social Media zusehends zu einem der wichtigsten strategischen Kanäle wird, über den Unternehmen mit ihren Kunden und anderen Stakeholdern kommunizieren“, begründet Meltwater-Gründer und CEO Jørn Lyseggen die Übernahme des Social-CRM-Anbieters Jitter Jam. Einen Umsatz von 100 Millionen US-Dollar pro Jahr erwartet Meltwater alleine aus dem Segment Social Customer Relationship Management.

Auch Marktforscher sehen Social CRM als Wachstumsmarkt. Gartner prognostiziert, dass bis zum Jahr 2013 die Ausgaben für Social Software, die den Vertrieb, das Marketing und das Kundenmanagement unterstützt, weltweit bei über einer Milliarde US-Dollar liegen. Nach Angaben von Gartner werden in den kommenden zwei Jahren 30 Prozent der weltweit führenden Unternehmen ihre Online-Community Aktivitäten verstärken, um Social-CRM-Maßnahmen und -Services integrieren zu können. Für den deutschsprachigen Raum geht die IT-Unternehmensberatung Detecon davon aus, dass die Unternehmen branchenübergreifend bis 2015 im Durchschnitt etwa 25 Prozent ihres gesamten Kontaktvolumens über Social Media und webbasierte Self Services abbilden werden.

„Unternehmen sollten jetzt in das Thema Social CRM einsteigen“, rät Mario Pufahl. „Denn noch befinden wir uns hierzulande in einer Testphase, in der sich Unternehmen Fehler leisten können. Spätestens in zwei Jahren werden diese nicht mehr verziehen.“

Bild Christina Rose Über den Autor/die Autorin:

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