Egal ob Tokio-Hotel- oder der Rammstein-Fan, Unschuld vom Lande oder Großstadt-Indianer, lediger BWL-Student oder verheiratete Frau mit Interesse für kindliche Früherziehung: In den sozialen Netzwerken trifft man sie alle. Und Marketer können sie dort ganz gezielt mit Werbung ansprechen. Denn ein Social Targeting basiert nicht auf statistischen Schätzungen, sondern auf den realen Profilen realer Nutzer, die diese selbst erstellt haben. Die Communitys sind voll davon. Basierend auf diesen Profildaten und Interessen kann die Zielgruppe selektiert und mit passender Werbung versorgt werden. Sollte Social Targeting portalübergreifend Schule machen, beginnt ein neues Zeitalter der Zielgruppenansprache.
Facebook und MySpace gelten als Vorreiter. Sie haben den Weg für eine Entwicklung geebnet, die ein interessengenaues Targeting verspricht. Während technische Dienstleister seit Jahren immer ausgefeiltere Targeting-Lösungen entwickeln, um aus dem Surfverhalten und begleitenden Befragungen auf Affinitäten, Soziodemografien und Interessen von Nutzergruppen zu schließen, gehen die Amerikaner – allen voran Facebook-Chef Mark Zuckerberg – das Thema pragmatischer an. Man gibt den Usern die Möglichkeit, detaillierte Profile zur eigenen Person zu hinterlegen, und räumt später Werbungtreibenden ein, auf bestimmte Kriterien davon zu targeten. So einfach kann Targeting sein.
„Das Charmante am Social Targeting ist, dass man die Werbemittel anhand der vom User hinterlegten Daten aussteuern kann. Und diese werden – zum Beispiel bei Facebook durch den Like-Button – ständig mit aktuellen Daten angereichert. Auf diese Weise erfährt man sehr viel über den Nutzer“, erläutert Roland Fiege, freier Management-Berater, Trainer und Dozent mit Schwerpunkt Social Media Strategieentwicklung & -implementierung aus Mannheim.
Spannende Jahre für Marketer
Doch noch hat die Sache einen Haken. Bisher ist Social Targeting nur in sehr wenigen Netzwerken in Eigenregie möglich. Relevant ist vor allem Facebook mit seinem Selbstbuchungstool. Doch trotz der großen Nutzerschaft hat dieses profilbasierte Targeting seine Tücken und die Zielgruppe für eine detaillierte Ansprache ist noch überschaubar. „Im Rahmen eines Projektes haben wir herausgefunden, dass in Deutschland bei Facebook nur knapp die Hälfte der Nutzer relevante Daten für ein Targeting hinterlegt hatte. Das ist in anderen Ländern aber schon anders“, erläutert Fiege. Nach Ansicht von Fiege wird das Online-Targeting der kommenden Jahre eine Kombination aus Behavioral und Social Targeting sein, ergänzt mit Geodaten. „Es wird eine spannende Zeit für Werbungtreibende“, ist sich Fiege sicher. Dynamik dürfte diese Entwicklung erhalten, wenn dieses Targeting im großen Stil plattformübergreifend möglich wird.
Schon heute verschmelzen die Informationen aus sozialen Netzwerken und klassischen Websites zunehmend miteinander. Über sogenannte Single-Sign-on-Lösungen können andere Applikationen auf die Profildaten zugreifen und diese auslesen. Der Nutzer hat auf diese Weise sein einmalig hinterlegtes Profil immer dabei, nimmt es mit in die weite Welt des WWW. Eines der prominentesten Beispiele ist die Applikation Facebook Connect. Der Vorteil für den Nutzer ist, dass er sich künftig über seinen Facebook-Account auch auf anderen Plattformen einloggen kann. Gibt der User aktiv sein Opt-in für die Übermittlung seiner Daten, wird die Verbindung via Facebook Connect hergestellt und Daten werden an das angeschlossene Portal übertragen. Mithilfe dieser Informationen können dort Inhalte und Werbung personalisiert werden.
Social Targeting für klassische Websites
Hierzulande bietet der Social-Web-Technologie-Anbieter Adtelligence eine Lösung an, die es auch Publishern ermöglichen soll, auf ihren Websites auf die in sozialen Netzwerken hinterlegten Profile der Besucher zu targeten. Website-Betreiber, die mit ihrer Site über Open Social, Facebook Connect oder ähnliche Dienste an ein soziales Netzwerk andocken, könnten damit zukünftig Inhalte und Werbung personalisiert anbieten.
Mithilfe der Adtelligence-Technologie können Content, Werbung oder Nachrichten gezielt nach Alter, Region oder Geschlecht ausgeliefert werden. Das Prinzip: Wenn sich ein Nutzer auf einer Partnerseite zum Beispiel via Facebook Connect einloggt, werden diese Daten ausgelesen und wird anhand der transferierten Profildaten im selben Augenblick eine Anfrage an die Plattform Adtelligence Sell Side gestartet, ob eine zu diesem Profil passende Kampagne oder Inhalte vorhanden sind. Ist dies der Fall, wird die entsprechende Werbung vom Adtelligence-System ausgeliefert. Falls nicht, übernimmt dies wie gewohnt der Adserver des Anbieters. „Die Website bezieht die Profilinformationen für das Targeting über eine definierte Schnittstelle, die – zum Beispiel von Facebook – freigegeben wurde. Das funktioniert sauber und völlig datenschutzkonform, da der User sein aktives Opt-in gibt und noch einmal im Detail darauf hingewiesen wird, was übergeben wird“, sagt Managing Director Michael Altendorf.
Alles datenschutzkonform
Adtelligence tritt dabei als technischer Dienstleister auf; erhebt und speichert selbst keine Daten in seinem System. Diese verbleiben beim jeweiligen Website-Betreiber, das Mannheimer Unternehmen fungiert lediglich als Auftragsdatenverarbeiter. „Bei diesem Social Targeting werden Interessen oder demografische Informationen datenschutzkonform verwendet. Persönliche Daten wie Name oder E-Mail sind nicht nötig“, erläutert Altendorf. An den Werbekunden werden nur anonymisierte Daten übermittelt, zum Beispiel aggregierte Informationen zu Herkunft oder Alter bestimmter Nutzergruppen. „Die Interessen der Nutzer werden dann mit der Zielgruppendefinition des Werbekunden abgeglichen, wodurch Streuverluste minimiert werden“, so Altendorf. Momentan ist die Nachfrage bei Agenturen und Websitebetreibern groß. Vermarkter sind hierzulande noch skeptisch. Denn ein zunehmend automatisiertes Geschäft zwischen Agenturen und Websitebetreibern könnte das klassische Vermarktungsgeschäft erschweren.
Sollte das Social Web das Internet außerhalb der Communitys weiter infiltrieren, würden sich für ein Social Targeting noch weitreichendere Möglichkeiten ergeben. Vom webweiten Sammeln von Nutzerdaten über das Matchen von Profilen bis hin zu aggregierten Metaprofilen ist technisch vieles möglich, um ein umfassendes Bild eines Onliners zu erhalten. Vor allem in den USA werden bereits viele Informationen zusammengeführt. „Es gibt im Silicon Valley bereits zahlreiche Aktivitäten, bei denen Daten aus öffentlichen Profilen analysiert und komprimiert werden, um noch mehr über einzelne Nutzer zu erfahren“, erläutert Elke Bövers, Social Media Executive bei Taurus Media, einem Social-Media-Beratungsunternehmen in Hamburg. Bövers hat selbst mehrere Jahre in San Francisco gelebt, Social Targeting dort selbst erlebt. „In den USA werden nicht nur Profilinformationen zusammengesammelt, sondern es wird auch zugehört. Wer redet über welches Thema. Dieses Wissen wird in der Zielgruppenansprache mit einbezogen“, so Bövers.
Markt ganz am Anfang
Doch es gibt auch skeptische Stimmen im Markt. „Wir nutzen bewusst keine Informationen aus sozialen Netzwerken. Mit unserem Fokus auf E-Commerce sind Daten von Publisher-Seiten über spezifisches Userverhalten effektiver nutzbar als demografische oder andere Daten aus sozialen Netzwerken“, sagt Lothar Krause, Vice President Sales, sociomantic labs. Allerdings nennt sociomantic sein Targeting ebenfalls Social Targeting, versteht darunter aber eine Kombination aus Retargeting und Behavioral Targeting, bei dem durch Realtime Bidding der optimale Preis erzielt wird. Andere Anbieter sprechen ebenfalls von Social Targeting, meinen beispielsweise aber bestimmte Formen des soziodemografischen Targetings. Für das Targeting in sozialen Netzwerken wird hingegen auch der Begriff „Social Media Targeting“ synonym für „Social Targeting“ verwendet.
Diese kleine Begriffsverwirrung zeigt: Der Markt für Social Targeting steht ganz am Anfang – und es ist längst nicht alles Gold, was glänzt. So war Bövers in den ersten Monaten ihres USA-Aufenthalts beispielsweise von dem Social Targeting auf Facebook sehr angetan. „Die Facebook-Reklame hat mir in der Anfangszeit sehr geholfen, hat mich angesprochen, mir beispielsweise Restaurants und Locations gezeigt. Die Werbung war mein Freund“, sagt Bövers. Doch dann schlug es plötzlich um. Statt cooler Locations gab es nun Reklame für Cremes, Spas und Erholungsreisen. Die Social-Media-Expertin fühlte sich missverstanden und belästigt. Was war passiert? Sie hatte Geburtstag gehabt und auf Facebook lief die automatisierte Werbemaschinerie für Frauen über 40 an – und seitdem an Bövers vorbei.
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