Kampf den Plagiaten: Google bringt eBay in Zugzwang
Jens von Rauchhaupt, 24. März 2011Das Internet ist inzwischen der Vertriebskanal für gefälschte Waren schlechthin. Suchmaschinenwerbung in Form der Textanzeigen leistet dabei einen rechtlich zweifelhaften Beitrag zur Absatzhilfe. Da möchte man als Suchmaschinenbetreiber nicht am öffentlichen Pranger stehen. Google hat jetzt dazu – scheinbar aus eigener Veranlassung – drei Verbesserungen im Kampf gegen die Produkt- und Markenpiraterie vorgestellt. Für den Markenverband ist das zwar kalter Kaffee, doch gleichzeitig freut er sich über diese PR-Rochade.
Keine romantische Piratengeschichte
Ob hippe Sportbekleidung aus Herzogenaurach, wohldesignte Uhren aus Aschaffenburg, schicke Handtaschen aus einer Manufaktur am Bodensee oder Jahresendzeitfiguren aus dem Erzgebirge; Produktpiraten kopieren alles, was sie in die Finger bekommen. Das zumeist mehr schlecht als recht, aber auf den ersten Blick schwerlich von einem Original zu unterscheiden. Der Verkauf von gefälschten Waren geht aber nicht nur zulasten der Verbraucher, die mit den Plagiaten mindere Qualität beziehen. Vielmehr verursacht die Produktpiraterie bei den Markeninhabern einen beträchtlichen Schaden, den man dort einfach nicht mehr hinnehmen mag.
Für die europäische Konsumgüterindustrie bemisst sich dieser Schaden auf etwa 35 Milliarden Euro im Jahr. Dabei ist das Internet inzwischen der bevorzugte Vertriebskanal der Produktpiraten. Der dort verursachte Schaden für die Marken, also die Rechteinhaber, sei laut Dr. Alexander Dröge, Leiter Recht & Verbraucherpolitik des Markenverbandes e. V. beträchtlich: „Der Schaden bewegt sich im guten zweistelligen Milliardenbereich. Wir haben aber keine ganz konkreten Zahlen. Allerdings gibt es Anhaltspunkte aus einer Verbraucherstudie, die wir gemeinsamen mit Ernst & Young Deutschland in den Jahren 2009 und 2010 durchgeführt haben. Hieraus können wir unsere Schätzungen ableiten.“ Die Segmente Bekleidung, Accessoires sowie Kosmetik und Körperpflege seien laut Dröge von der Online-Produktpiraterie besonders stark betroffen.
Für den Markenverband, der u. a. die Interessen der Konsumgüterindustrie mit einem jährlichen Umsatz von 300 Mrd. Euro vertritt, stehen neben Online-Shops und Internet-Marktplätzen auch die Betreiber von Suchmaschinen in der Pflicht, den Kampf gegen die Produktpiraten aktiv aufzunehmen. „Bei einfachen Suchergebnissen, die auf objektive Kriterien, also den Algorithmen beruhen, besteht meines Erachtens keine Mitverantwortung des Suchmaschinenbetreibers. Die Problematik bezieht sich aber auf die Werbung. Da kann man eine Mitverantwortung sehen, die zwar nicht so groß zu bemessen ist wie etwa die eines eBay-Marktplatzes, aber durchaus vorhanden ist. Daher sehen wir auch Google in der Pflicht, den Absatz von Produktfälschungen zu bekämpfen.“
Googles PR-Offensive
Google ist sich seiner eigenen Bedeutung ganz offensichtlich bewusst, denn in Mountain View ging man vorangegangene Woche in die PR-Offensive und zog eine Jahresbilanz zum eigenen Einsatz gegen die dunkle Seite des E-Commerce: In den letzten sechs Monaten des Jahres 2010 habe Google in über 190 Ländern 50.000 AdWords-Konten schließen lassen, über die Produktpiraten Werbung für Markenplagiate geschaltet hatten. 60 Millionen US-Dollar hat Google dafür selbst in die Hand genommen. Doch damit nicht genug. Kent Walker, Senior Vice President Google Councel, kündigte drei Verbesserungen in der Zusammenarbeit mit den Rechteinhabern an. Mit diesen weiteren Maßnahmen wolle Google nun die Markeninhaber noch wirksamer vor dem Online-Absatz von Markenplagiaten schützen.
Nachdem bereits seit 2009 jeder Markeninhaber über ein Online-Formular gegen Google-Werbung für Plagiate seiner Marke Einspruch einlegen konnte, verspricht Google nun, auf jede Beschwerde eines Markeninhabers innerhalb von nur 24 Stunden zu reagieren. Zudem will Google noch enger mit den Markeninhabern zusammenarbeiten, um Rechtsverletzungen besser zu identifizieren und im Falle einer Rechtsverletzung aus dem AdSense-Programm auszuschließen. Kent Walker macht in der Ankündigung noch einmal darauf aufmerksam, dass das Thema Markenpiraterie schon längere Zeit für Google ganz oben auf der Agenda steht: „Wir haben immer unseren AdSense-Partner das Platzieren von Google-Anzeigen auf Websites untersagt, die auf den Verkauf gefälschter Waren abzielen.“
Auf unsere Anfrage bestätigte uns Google, dass man bei der Überprüfung der Textanzeigen sowohl automatisierte als auch manuelle Filtermethoden nutze, um Webseiten und Anzeigen zu identifizieren, über die Markenplagiate angeboten werden. Dabei kann sich auch der Werbetreibende selbst gegenüber solchen Maßnahmen von Google zur Wehr setzen, wie uns der B2B-Sprecher, Klaas Flechsig von Google Deutschland erläutert: „Wenn ein Werbetreibender glaubt, dass seine Werbeaktivitäten zu Unrecht eingeschränkt wurden, kann er Einspruch erheben – wir prüfen dann, inwieweit dieser Einspruch berechtigt ist.“ Als dritte, neu angekündigte Maßnahme will Google nunmehr eine Hilfeseite bereitstellen, auf der jeder Nutzer Werbung, Verlinkungen oder Webseiten mit vermeintlichen Verstößen gegen das Marken- und Urheberrecht melden kann.
Kalter PR-Kaffee
Google sei mit diesen Maßnahmen proaktiv tätig geworden: „Wir nehmen die Sorgen von Markeninhabern sehr ernst und reagieren auf diese Bedenken. Da wir selbst Inhaber einer wertvollen Marke sind, können wir gut nachvollziehen, wie wichtig das Thema Plagiate für Markeninhaber ist. Außerdem handeln wir im Interesse unserer Nutzer: Ein Nutzer, der auf Google Werbung für gefälschte Produkte findet und damit unzufrieden ist, wird Google möglicherweise nicht wieder benutzen wollen. Diese Überlegungen haben uns zu unseren Maßnahmen motiviert“, so der Google-Sprecher Flechsig.
Für Alexander Dröge vom Markenverband ist die Google-Ankündigung „trickreiche Propaganda“. „Das ist alles nicht wirklich neu. Google verwertet vorab eine Verpflichtung, die sie in einigen Wochen gegenüber der EU-Kommission sowieso abgeben wollen“, sagt Dröge. Seit zwei Jahren sitzen nämlich Rechteinhaber mit den Internet-Service-Providern wie Google, eBay, Priceminister und auch Amazon auf Veranlassung der EU-Kommission zusammen, um an einem Memorandum of Understanding die Rechte und Pflichten zur Bekämpfung von Produktpiraterie im Internet auszuhandeln. Dieses Memorandum ist inzwischen vollständig ausgearbeitet und soll bereits im April unterzeichnet werden können.
Inhaltlich decken sich einige Verpflichtungen im Memorandum mit den angekündigten Maßnahmen von Google, wie uns Dröge ausführlich erläutert: „In Ziffer 13. des Memorandums verpflichtet sich der Internet-Service-Provider dazu, eine leicht zugängliche und verständliche Helpcenter-Webseite im Internet zur Verfügung zu stellen. In Ziffer 18. des Memorandums verpflichtet sich der Internet-Service-Provider so schnell als möglich und ohne jegliche Verzögerung bei Kenntnisnahme eines rechtswidrigen Angebotes zur Löschung dieses Angebotes von seiner Plattform. Im Memorandum stehen zwar nicht die 24 Stunden wie in Punkt 1 der Google-Ankündigung. Doch im Grunde handelt es sich bei der Google-Ankündigung um eine Vorwegnahme dessen, zu dem man sich im Memorandum sowieso verpflichtet.“
Google bringt eBay in Zugzwang
Dennoch rechnet Dröge dem Suchmaschinenbetreiber die jüngste Ankündigung „hoch“ an. Google erklärte dort, dass 95 Prozent der geschlossenen AdWords-Konten auf eigene Bemühungen des Suchmaschinenbetreibers zurückzuführen sind. Damit bringt Google vor allem Amazon und eBay in Zugzwang. Denn für den Markenverband ist dies eine Art Beweisführung. „Google zeigt damit, dass die Service-Provider die Fähigkeiten und Kapazitäten haben, etwas effektiv gegen die Produktpiraterie zu unternehmen. Diese Fähigkeiten sind aufseiten der Rechteinhaber nicht gleichermaßen vorhanden.“
Nachbesserungen gefordert
Der Markenverband ist dennoch unzufrieden über die derzeitige Fassung des Memorandum of Understanding. Viele der Formulierungen seien zu schwammig. Das betrifft vor allem die Pflichten der Internet-Service-Provider und den Einsatz eigener Filtermethoden. Daher rät der Markenverband seinen Mitgliedern, dieses Papier nicht zu unterschreiben. Dröge sieht das Papier und die Verhandlungen dazu als richtigen und sinnvollen Zwischenschritt, aber „bestehende Rechte der Rechteinhaber werden durch das Memorandum eingeschränkt. Das Memorandum legt allen Parteien ein einjähriges gerichtliches Moratorium auf, d. h., in dieser Zeit sind dem Rechteinhaber alle Ansprüche aus europäischem und deutschem Recht, also Ansprüche, auf Schadensersatz oder Unterlassung zu klagen, genommen.“
Das volle Interview mit Alexander Dröge finden Sie hier.