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Die Black-Box der Marke entschlüsseln

Dr. Peter Haller, 24. März 2011

Marken des täglichen Bedarfs verlieren im Durchschnitt fast 40 Prozent ihrer loyalen Stammkunden pro Jahr. Diese immens hohe Rate ist in den letzten zwölf Monaten noch weiter gestiegen. 71 Prozent aller neu eingeführten Produkte sind nach einem Jahr nicht mehr im Handel. Fast 50 Prozent der 100 teuersten Kampagnen in Deutschland ändern innerhalb von zwei Jahren ihren Auftritt. Und ein Marketingchef wechselt in Deutschland im Durchschnitt alle zwei bis zweieinhalb Jahre seinen Job.

Vertrauen als wichtigstes Kapital der Marke

Woher kommt diese enorme und wachsende Unsicherheit im Marketing? Was machen Gewinnermarken richtig, was die Verlierer falsch? Welche Einflussfaktoren bedingen den Erfolg einer Marke? Wie unterscheidet sich das Kommunikationskonzept der Gewinner von dem der Verlierer? Mit diesen Fragen befasst sich eine aktuelle Studie von GfK, Serviceplan und dem Markenverband. Die neuen Erkenntnisse für das Marketing werden auf einer bundesweiten Roadshow unter der Schirmherrschaft des Markenverbands vorgestellt.

Unsere wirtschaftlichen Abläufe sind in den letzten Jahren immer komplexer, immer intransparenter und immer volatiler geworden. Wir können heute in der Praxis nur noch etwa 30 Prozent eines Umsatz- oder Marktanteilserfolges messen: Beispielsweise den Einfluss von Preisschwankungen, von steigendem oder sinkendem Werbedruck, von Distributionsveränderungen – also von kurzfristig wirkenden, rationalen Faktoren. Über den Rest – und das sind durchschnittlich 70 Prozent des Erfolges oder Misserfolges des Marketing – haben wir meist nur partielle Kenntnisse. Das sind längerfristig wirkende und in der Hauptsache emotionale Einflussfaktoren. Das ist die Black-Box der Marke und wesentlicher Grund für die vielen Fehlschläge und die mangelnde Effizienz.

Zentraler Faktor der Black-Box und einer der wichtigsten Treiber des Marktanteils ist das Vertrauen in eine Marke. Je größer das Vertrauen, umso höher ist der Anteil an Stammkunden, die für durchschnittlich 60 bis 70 Prozent des Umsatzes einer Marke stehen. Je größer der Stammkundenanteil aber einer Marke, umso rascher wächst auch ihr Marktanteil. Vertrauen ist erstmals zuverlässig messbar auf Basis von Paneldaten der GfK: Es ist heute möglich, für alle relevanten Warengruppen und Marken einen so genannten Vertrauensindex zu messen. Dieser ist von Warengruppe zu Warengruppe und von Marke zu Marke dramatisch unterschiedlich und in der Tendenz der letzten Jahre sinkend.

Das Key-Ergebnis: Aus steigender Loyalität folgt steigender Marktanteil

Marken mit steigender Loyalität, also mit wachsendem Vertrauen, erzielen in nur drei Jahren eine Marktanteilserhöhung auf Index 129, während Marken mit sinkender Loyalität im gleichen Zeitraum auf einen Indexwert von nur noch 91 zurückfallen. Die Kenntnis und die Messbarkeit der Keydriver von Loyalität und Vertrauen sind der Schlüssel zur Black-Box der Marke. Doch Loyalität und Vertrauen entstehen nicht willkürlich, sondern sind das Ergebnis des Zusammenspiels verschiedener wahrgenommener Eigenschaften einer Marke.

Subjektive Uniqueness und soziale Akzeptanz entscheiden über Markenvertrauen

Die Treiber der subjektiven Uniqueness – also der vom Verbraucher vermuteten Qualität einer Marke – sind, wie man aus der unten abgebildeten. Vertrauenspyramide ersieht: vermutete Produktqualität und klares Markenbild als wichtigste Einflussgrößen, während Umweltschutz, Forschung und die regionale Herkunft heute nur ein Gewicht von 30 bis 40 Prozent haben.

Ein zweiter unmittelbarer Einflussfaktor auf das Markenvertrauen ist das soziale Umfeld des Käufers bzw. Verwenders. Das sind insbesondere Händler, denen man vertraut, Empfehlungen von Freunden und Bekannten, aber auch weitere indirekte Faktoren wie beispielsweise Berichte im Internet oder Testurteile.

Wie steuert man subjektive Uniqueness und soziale Akzeptanz?

Für 90 Marken – differenziert nach steigender und sinkender Loyalität – wurde in der Praxis überprüft, mit welchen Maßnahmen sich ihre Kommunikationskonzepte unterscheiden. Es sind vier Keydriver, die über Uniqueness und soziale Akzeptanz entscheiden:

  • Gewinnermarken tätigen in wirtschaftlichen Abschwungphasen ein antizyklisches Kommunikationsinvestment.
  • Gewinnermarken entschieden sich für ein multimediales – statt monomediales – Mediakonzept.
  • Gewinnermarken setzen auf konstante und kontinuierlich geführte Kampagnen mit inhaltlich und formal wiederkehrenden Elementen – dies erhöht die Wiederkennung.
  • Werbekampagnen von Gewinnermarken erreichen eine positive emotionale Akzeptanz bei den Konsumenten.

Diese Ergebnisse sind konkrete Handlungsempfehlungen für die Praxis, wie Gewinnermarken ihr Markenvertrauen gefestigt, ihren Anteil von Stammkäufern erhöht und damit ihre Marktanteile verbessert haben.

Abbildung: Serviceplan

Zusammenfassend empfehlen wir mit der GfK und Unternehmen, die Transparenz in die Black-Box der Marke bringen wollen, die emotionalen Einflussfaktoren, insbesondere das Vertrauensniveau ihrer Marke zu untersuchen, um unter anderem anschließend das Kommunikationskonzept entsprechend der vier Keydriver zu steuern. Denn die Ergebnisse der Studie zeigen klar, in welch starker Abhängigkeit die wichtigsten Marketingtools zu einander stehen: sie bilden eine geschlossene Kette. Fehlt nur ein einziges Glied, scheitert das Konzept als Ganzes. Fehler verzeiht die Praxis längst nicht mehr.

Über den Autor

Dr. Peter Haller, Jahrgang 1937, gründete Serviceplan 1970 zusammen mit seinem damaligen Partner Rolf O. Stempel als klassische Werbeagentur. Heute ist die Serviceplan Gruppe mit ihren weiteren Labels Plan.Net, Mediaplus und Facit die größte inhabergeführte Agentur Deutschlands und eine der kreativsten Agenturen des Landes. 2002 übergab Peter Haller die Hauptgeschäftsführung an Florian Haller, ist aber nach wie vor in der Geschäftsführung tätig. Gemeinsam mit Wolfgang Twardawa (GfK) präsentiert er jährlich eine neue Studie zu aktuellen und spannenden Marketingthemen.

Bild Dr. Peter Haller Über den Autor/die Autorin:

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