Beginnen wir mit einem kleinen Zahlenspiel. Längst nicht alle werblich genutzten Websites werden von der IVW gemessen. Aber allein die von der IVW gemessenen Page Impressions addierten sich im Jahr 2010 auf rund 650 Milliarden auf. Wenn man von nur zwei Werbemitteln bei jedem Seitenaufruf ausgeht – das ist eine eher konservative Annahme –, ergibt sich daraus schon eine Zahl von über 1,2 Billionen Werbemitteleinblendungen. Das ist eine enorme Menge. Rein rechnerisch 24.000 pro Internetnutzer!
Nur ein kleiner Teil dieser Ad Impressions – so etwa die Homepages etablierter News-Portale – wird von der Werbewirtschaft konkret nachgefragt. Ein deutlich größerer Anteil ist mehr oder weniger austauschbar und kann lediglich über den Preis verkauft werden. Hier kommen die Ad Networks ins Spiel.
Sie bündeln signifikante Anteile dieser Inventare und bieten sie zu attraktiven Konditionen am Markt an. Entweder zu geringen Tausenderkontaktpreisen bis teilweise in den Cent-Bereich hinein, auf Basis von Cost per Click oder gar weiterführenden Performancemodellen (Cost per Lead o. Ä.).
Es ist aber nicht allein der Preis, der Ad Networks für die werbungtreibende Industrie interessant macht. Mit einigen Ad Networks lassen sich selbst in kurzen Zeiträumen hohe Reichweiten in der Gesamtbevölkerung bzw. dem weitesten Onlinenutzerkreis (WNK) erreichen, da sie eine Vielzahl von Websites mit sehr unterschiedlichen Themen und dadurch unterschiedlichen Nutzerschaften umfassen.
Die sogenannten Vertical Networks allerdings bündeln Inventare von Websites aus einem bestimmten Themenumfeld. Glam Media beispielsweise bietet Inventare aus Lifestyle- und Fashionsites und ist damit für Frauenzielgruppen eine attraktive Ergänzung bzw. Alternative zu Direktbuchungen auf Modewebsites. Denn gerade in diesem Themenumfeld weist die Angebotsseite eine eher atomisierte Marktstruktur auf, sodass jenseits von Glam Media ein schneller Reichweitenaufbau nur über eine aufwendige und unökonomische Vielzahl von Einzelbuchungen zu erzeugen ist.
Verticals sind aber nur eine Form der spezialisierten Networks. Daneben haben sich auch Networks um einzelne Formate gebildet. Nicht selten übernehmen diese sogar eine gattungsbildende Funktion. So hat Smartclip zum Beispiel wesentlich zur werblichen Nutzung von Videoinhalten mit Pre-Rolls beigetragen, indem man überhaupt erst einmal einen technischen Player-Standard etabliert hat. Werbungtreibende, deren Kommunikation massiv auf Bewegtbild setzt, kommen an Smartclip kaum vorbei. Da ist der Preisvorteil des Networks sogar eher sekundär. Vibrant Media für keywordsensitive Werbung oder AdMob für Mobile Ads sind weitere Beispiele.
Das wesentliche Manko der Ad Networks ist eine im Schnitt geringere Qualität der Inventare im Vergleich zu Direktbuchungen, denn schließlich behalten die Direktvermarkter die „Filetstücke“, jene Inventare mit hoher Sichtbarkeit und damit Awareness, für sich. Zudem muss der Werbungtreibende bei den Ad Networks in Kauf nehmen, keine oder zumindest eine extrem eingeschränkte Kontrolle über Umfelder und die Werbemittelplatzierung zu besitzen („blind network“). Einigen Werbungtreibenden ist dieser Mangel an Kontrolle und Transparenz möglicherweise suspekt.
Um dem Misstrauen entgegenzutreten, versucht der BVDW über die Initiative IASH.EU (in UK gibt es IASH bereits seit 2007) Vertrauen zu schaffen. Bei der Initiative handelt es sich um die Implementierung eines Qualitätsstandards, der eine Zertifizierung von Ad Networks durch das Fraunhofer Institut IAIS vorsieht. Dieses Zertifikat gewährleistet laut BVDW, „dass bei einem Ad Network geschaltete Anzeigenkampagnen nicht auf Websites veröffentlicht werden, die den Marken und Produkten der Werbungtreibenden potenziell schaden könnten“. Letztendlich ist es aber Aufgabe des Beraters auf Mediaagenturseite, dem Kunden die Charakteristika die Pros und Cons der Networks darzulegen.
Durch die zunehmend bessere Targetingtechnologie generieren die Ad Networks einen weiteren Vorteil gegenüber Einzelbuchungen: die übergreifende Aussteuerung der Kampagnen auf ihre individuellen Zielvorgaben. Dazu zählen:
- Kontakthäufigkeiten pro User (z. B. durch Frequency Capping oder -Boosting)
- Retargeting auf bereits erfolgte Besuche der Kundenwebsite (Reminder, Promotions...)
- Regionalität (Geo-Targeting)
Mittels dieser publisherübergreifenden Mechaniken werden Effekte freigesetzt, die die Performance von Kampagnen teilweise dramatisch verbessern.
Genau das ist aber auch der Grund, warum Ad Networks zunehmend Konkurrenz bekommen, und zwar von den primären Marktteilnehmern: der Angebotsseite (Publisher bzw. deren Vermarktungseinheiten) und der Nachfrageseite (Werbungtreibende bzw. deren Agenturen). Ad Exchanges bringen die Angebots- und Nachfrageseite auch im Mid und Long Tail, den die Ad Networks über die Jahre mehr und mehr bedienten, wieder näher zusammen.
Mittels sogenannter Demand Site Platforms (DSPs) greifen Werbungtreibende bzw. deren Agenturen direkt und automatisiert auf die Ad Exchanges zu. Auf den DSPs laufen verschiedene Informationen zusammen, mit deren Hilfe im Moment eines Seitenaufrufes entschieden wird, ob und wenn ja zu welchem Preis die Werbung eines Kunden ausgeliefert wird. Publisher erkennen zunehmend, dass die Bündelung von (Rest-)Inventaren mehr Chancen birgt als nur die Option auf Zusatzumsätze, die man über Ad Networks abwickelt. Langfristig steckt darin das Potenzial, Mediaplanung völlig neu zu definieren: Als eine der Börsen-Brokerage sehr ähnliche Disziplin, bei der es darum geht, den richtigen User in der richtigen Dosis im richtigen Moment und zum richtigen Preis in Realtime und one-to-one anzusprechen.
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