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DISPLAY ADVERTISING

Klicklos glücklich?

Jens von Rauchhaupt, 11. Februar 2011

Geht es nach einigen Premium-Vermarktern, sollten die Advertiser bei TKP-basierter Display-Werbung den Klicks keine Beachtung schenken. Denn die Internetnutzer sind klickmüde. Das hat die Tomorrow Focus AG jüngst auf der DLD-Konferenz (Digital Life Design) in München anhand eines Studien-Sammelsuriums belegt. Könnten die Advertiser in der klassischen Display-Werbung also ohne Klicks glücklich werden – gibt es ein Advertiser-Leben nach dem Klick?

„Ja natürlich. Klicks haben für uns bei pilot schon lange keine Bedeutung mehr, um die Effektivität unserer Online-Branding-Kampagnen zu bewerten oder zu optimieren, und zwar seit einigen Jahren nicht.“, sagt Alisa Yasui, Online Media Director bei pilot 1/0. Das dies aber aufseiten der Advertiser der Fall sei, suggeriert allein der Titel der Tomorrow Focus Studiensammlung „Brand Advertising Online in Germany – Is the ‚Click‘ the right currency for Display Advertising Effectiveness?“ Und ganz falsch liegen die Münchener damit auch gar nicht, wie wir später noch sehen werden. Doch zunächst ein kurzer Blick auf die interessanten Ergebnisse, die Tomorrow Focus gemeinsam mit Comscore ermittelt hat.

- 2009 sind in Deutschland die Click-Through-Raten um 15 Prozent gesunken und lagen im Dezember 2009 durchschnittlich bei lediglich 0,11 Prozent. Die durchschnittlichen Klickraten in den Monaten November und Dezember lagen bei Tomorrow Focus sogar nur bei 0,07 Prozent und übers ganze Jahr 2010 hinweg bei 0,14 Prozent.

- Im August 2010 klickten 85 Prozent der deutschen Internetnutzer überhaupt keine Werbung an. Die Wirkung der Online-Display-Werbung auf diese Nutzer wird mit Click-Through-Raten daher nicht erfasst.

- Nur 3 Prozent aller Internet-User waren sogenannte ‚Heavy Clickers‘, die jedoch 62 Prozent aller Klicks erzeugten.

Alisa Yasui

Und trotzdem: Display-Werbung kann auch bei niedrigen Klickraten die Besucherzahlen der beworbenen Website um 72 Prozent steigern, wie Comscore in seinen Werbewirksamkeitsstudien belegte. Zudem erhöhe die Display-Werbung die Wahrscheinlichkeit, dass Verbraucher eine Suchanfrage nach den Produkten des Werbetreibenden starten, um durchschnittlich 94 Prozent. Kurzum: Bei einem Werbemittelkontakt passiert was im Kopf der User, auch ohne den Klick mit der Maus. „Wenn zum Beispiel nur ein Prozent klicken, heißt das aber auch dass die restlichen 99 Prozent mit der Werbung in Kontakt gekommen sind. Wir wissen schon länger, dass die Werbewirkung mit jedem Kontakt erst einmal steigt, zwischen vier und sechs Kontakte optimal ist und danach ein Grenznutzen eintritt. Darum optimieren wir Branding-Kampagnen nach Kontaktklassen“, sagt Yasui.

Und dennoch scheiden sich bei der klassischen Display-Werbung die Geister bei der Frage, welche Bedeutung den Klicks beziehungsweise CTRs beigemessen werden sollte. Abgerechnet wird hier bekanntlich nach TKP, also nach der Anzahl der Sichtkontakte und nicht nach Klicks. Offiziell haben die Klicks und die daraus resultierenden CTRs für die Advertiser also seit jeher wenig Bedeutung, offiziell jedenfalls. Tatsächlich sieht es ein wenig anders aus. Noch immer bewerten und optimieren viele Werbungtreibenden ihre klassischen Display-Kampagnen nach Klickraten, längst nicht alle Werbungtreibenden befinden sich auf der Höhe der Zeit, wie Yasui von pilot berichtet: „Ich bin schon immer wieder überrascht, wenn ich von Markenartiklern höre, die ihre Branding-Kampagnen nach wir vor noch nach Klickraten auswerten und optimieren. Manchmal werden Klickraten und Marken-Awareness in ein Verhältnis gesetzt. Wir haben das ausgiebig überprüft, dort gibt es keine Korrelationen – wenn die Awareness mit der Klickrate steigen würde, wäre das ja ein richtiger Ansatz. Aber genau das konnten wie nicht bestätigen.“

Dominik Terruhn

CTRs als Druckmittel?

Ganz ohne Klicks will und kann man freilich nicht leben. Denn Klickraten lassen sich von Mediaagenturen argumentativ in Preisverhandlungen mit Vermarktern einbringen. Vor allem dann, wenn dasselbe Werbemittel einer Kampagne auf einem vergleichbaren Werbeträger höhere Klickzahlen erzielte. Dann erinnert sich der Mediaeinkäufer auch schon mal daran. Setzen die Agenturen CTRs gar als Druckmittel gegen die Vermarkter ein?  „Als ‚Druckmittel‘ würde ich das sicherlich nicht bezeichnen. Bestenfalls als Bewertungsmaßstab bei Kunden, für die qualifizierter Website-Traffic und nachfolgende Aktivitäten und Umwandlung auf ihrer Site eine zentrale Rolle spielen. Die aus der Klickrate resultierenden Kosten pro Visit etc. sind durchaus relevante Bewertungsgrößen, die auch bei Medienverhandlungen Bedeutung haben“, erklärt Dominik Terruhn, Geschäftsführer von Plan.Net Media. Auch Alisa Yasui bestätigt, dass in der Branche CTRs herangezogen werden, um „den Kampagnenerfolg zwischen gleichgearteten Werbeträgern zu vergleichen."

In Schönheit sterben

Für Terruhn gibt es keine Schwarz-Weiß-Betrachtung der Bedeutung von Klicks im Display Advertising:  „Natürlich kann der ein oder andere Advertiser theoretisch auch klicklos glücklich sein, pauschal würde ich das allerdings nicht bestätigen. Bei Awareness Zielsetzungen liefert sicherlich das entsprechende Werbemittel bereits einen hohen Brandingbeitrag auf die Kernbotschaft. Je nach Kampagnenzielsetzung ist jedoch auch das vertiefende Involvement auf einer Zielseite von Bedeutung, insbesondere wenn Markenwerte und Einstellungen verändert werden sollen. Dies ist schließlich einer der großen Vorteile des ‚interaktiven Mediums‘, den man nicht einfach vom Tisch kehren sollte. Grundsätzlich muss man dies kundenindividuell definieren.“

Und zu diesen individuellen Zielsetzungen kann eben auch Traffic auf der eigenen Webseite gehören. Somit hätte der Klick auf das Werbebanner doch eine Bedeutung. Gerade einige Marken aus dem FMCG Bereich sind dafür bekannt, viel Geld in Online Specials zu stecken.  „Hier muss es eine ausgewogene Relation geben: Wenn Hunderttausende von Euro in solche Specials gesteckt werden, dann aber an Mediabudget gespart wird, um diese mit Traffic zu versorgen, läuft etwas falsch. Ein toller Webauftritt, den keiner kennt, kann auch keine Werbewirkung entfalten.“ In Schönheit sterben, nennt das Terruhn. Nach seiner Ansicht muss man als Marke nicht zwangsläufig aufwendige Specials entwickeln „Viel öfter sollte man sich Gedanken machen, ob man nicht bereits im Werbemittel den relevanten Impact entfalten kann. Insbesondere, wenn man nachfolgend nicht wirklich viel tiefer argumentieren muss, wie im FMCG-Bereich.“

Ersatzstoffe für den Klick

Mit Online-Display-Banner erzielen die Advertiser nicht die gleiche Werbewirksamkeit wie mit einem TV-Spot, das bestätigt auch die Studie von Tomorrow Focus. Doch nach welchen Kennziffern soll nun die Werbewirksamkeit von Display-Werbung gemessen werden? Häufig wird von Vermarkterseite neben der Visibility die Banner-Viewtime ins Spiel gebracht. Dahinter steht auch der Wunsch der Vermarkter, mehr TV-Werbegelder in den Onlinekanal zu lotsen. Alisa Yasui betrachtet das mit äußerster Skepsis. „Am Ende ist die Viewtime ja auch nur eine Dimension von vielen, um die Effektivität von Werbung zu messen. Die Qualität des Views kann man damit noch längst nicht messen, das hängt auch vom Umfeld, Anzahl Werbeformate pro Seite, Seitenaufbau, Qualität des Inhaltes und, wie wir zuletzt in der ‚Online Visions‘ gezeigt haben, auch von der Stimmung des Users ab.“ Zudem befürchtet Yasui, dass Display Advertising bei den Werbungtreibenden an Attraktivität verlieren würde: „Wir sollten versuchen, das Medium einfacher zu machen und nicht noch komplexer, als es bereits ist. Werbegelder aus dem TV-Geschäft erhält man, wenn der Werbeträger den Online-Videoinventar signifikant erhöht, und nicht, wenn eine Viewtime für Displaybanner eingeführt wird.“

Dominik Terruhn von Plan.Net dazu: „Dieses harte Konkurrenzdenken zu TV ist schlichtweg nicht angebracht. In der Budgetdiskussion und -allokation brauchen wir eine objektive Betrachtung und Beratung über alle** Mediengattungen – inklusive Print, Outdoor etc. Viewtime ist für Online sicherlich ein sehr interessantes Kriterium. Aber nicht, um es nur gegen TV zu argumentieren, sondern wenn dann intermedial über alle Medien – auch Print.“

Bild Jens v. Rauchhaupt Über den Autor/die Autorin:

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