Social Media Monitoring gehört inzwischen zum festen Bestandteil von Medienbeobachtung und Issues Management bei Daimler. Größte Herausforderung: Reaktionszeiten sollen in Zukunft noch kürzer werden. Für Großunternehmen wie die Daimler AG gehört die Überwachung von Twitter, Facebook und spezialisierten Automobilforen inzwischen zum festen Alltag im Monitoring.
Maximilian Splittgerber, Leiter Communications Strategy & News Management bei der Daimler AG, sammelt die Daten aus den unterschiedlichen Tools und leitet sie an die verantwortlichen Stellen weiter. Bei besonders wichtigen Vorkommnissen erstellt er Screenshots der Kommentare und gibt eine Handlungsempfehlung.
Adzine: Herr Splittgerber, Ihr Vortragstitel auf dem Social Media Kongress Ende November in Düsseldorf lautete „Hört mir jemand zu?“. Wie lautet die Antwort für alle, die nicht vor Ort sein konnten?
Maximilian Splittgerber: Natürlich hört uns jemand zu, und zwar nicht zu knapp. Schließlich kommuniziert Daimler täglich zu allen möglichen Themen. Und wer zuhört, äußert sich dann gern auch mal – sei es in Blogs, Foren, auf Facebook oder via Twitter. Das bedeutet, wir kommen dann auch schnell in einen Dialog mit unseren Stakeholdern – zuhören, antworten, sich austauschen, das verstehen wir unter professioneller Kommunikation. Inzwischen wird ja auch bei größeren Unternehmensveranstaltungen in Echtzeit gepostet, geshared und getwittert.
Adzine: Wie genau ist Ihre Aufgabe im Konzern definiert?
Splittgerber: Ich verantworte neben dem Thema Kommunikationsstrategie einen Prozess, den wir bei Daimler News Management nennen. Das umfasst auch das Thema Web-2.0-Monitoring. Wichtig ist: Unser Mandat ist es, diesen Prozess effizient zu steuern – wie man dann aktiv mit diesen Informationen arbeitet, liegt im Ermessen unserer Sprecher.
Adzine: Wünschten Sie sich manchmal selbst, direkt reagieren zu können?
Splittgerber: Ich halte diese Rollenverteilung für sinnvoll. Unsere Sprecherinnen und Sprecher haben ein intensives Tagesgeschäft, ich denke, dort ist man froh, sich nicht auch noch aktiv ums Monitoring kümmern zu müssen. Und für die aktiven Kommunikationsaufgaben gibt es ebenfalls Spezialisten, entweder in der Unternehmenskommunikation oder in den Fachbereichen, die zu unseren Produkten oder Services informieren. So trivial es inzwischen klingt – die wichtigsten Handlungsfelder sind sicherlich die sich verändernden Zeitfenster durch die Kommunikation in Social Media: Wie lange kann die Frage eines Kunden oder Journalisten in den sozialen Netzwerken unbeantwortet stehen bleiben?
Adzine: Ist denn das Thema Social Media für Sie so wichtig?
Splittgerber: Inzwischen ist es sehr wichtig und das wird auch von den meisten so gesehen. Vor zwei Jahren war das noch ganz anders. Offen gesagt: Wir haben da sicherlich eher konservativ reagiert und erst einmal beobachtet, wo die Reise hingeht. Second Life war ja auch so ein Hype, aus dem die Luft dann ziemlich schnell raus war. Aber Social Media – da sind sich inzwischen doch fast alle Beobachter einig – ist eben etwas anderes und hat ungleich höhere Bedeutung. Viele Berufseinsteiger informieren sich doch bei ihren Facebookfreunden oder schauen sich YouTube-Videos an. Und oftmals hört man in Blogs und Foren schon sehr früh von Themen, die unsere Stakeholder, seien es Kunden, Mitarbeiter oder eben Journalisten umtreiben.
Adzine: Wie läuft das Monitoring bei Ihnen in der Praxis ab?
Splittgerber: Wir weisen immer darauf hin, dass neben dem Hype-Thema Social Media auch das Monitoring der klassischen medialen Kanäle, also Print, TV oder eben auch das Web 1.0 essenziell für ein Unternehmen ist. Wir versuchen, jedem Medienfeld mit eigenen Werkzeugen gerecht zu werden, die wir z. T. auch schon stärker miteinander verknüpfen. Entscheidend aus meiner Sicht: Social Media Monitoring ist letztlich nicht primär ein Tool-Thema. Sie brauchen die erfahrene Intelligenz von vernetzten Insidern, die intuitiv erkennen und bewerten können, welches Potenzial ein Thema für die Reputation ihrer Marken oder ihres Managements hat. So ist jeder in meinem Team ständig auf seinen Bookmarks unterwegs, prüft und bewertet die Einträge.
Adzine: Haben Sie beim Monitoring tatsächlich Meinungsmacher gefunden, die Sie intensiver beobachten als den Rest? In der Theorie sollte das doch so sein.
Splittgerber: In der Praxis auch. Unsere Kolleginnen und Kollegen in den Produktressorts haben z. B. zwischen 30 und 40 Plattformen – vor allem Blogs – identifiziert, die zu unseren Produkten aktiver sind als der Mainstream. Das variiert je nach Thema. Für uns sind Blogs aus den Bereichen Design, Auto, Fashion & Style sowie Nachhaltigkeit von Interesse. Solche Blogger haben unsere Kommunikationskollegen im Rahmen eines „Kennenlern“-Markenworkshops auch schon aktiv adressiert.
Adzine: Nennen Sie uns doch ein Beispiel.
Splittgerber: Der Mercedes Passion Blog ist vor allem bei Themen rund um die Pkws von Mercedes sehr aktiv. Natürlich schauen auch kritische Geister da regelmäßig vorbei und kommentieren. Die Macher selbst aber sind echte Enthusiasten. Unsere Kollegen aus der Produktkommunikation haben die Blogger auch schon zu Workshops eingeladen.
** Hat Social Media eigentlich Auswirkungen auf die Erlkönig-Jagd?
Splittgerber: Ja. Unter anderem offenbar die, dass es den Jägern nur noch schwer gelingt, ein Erlkönigfoto für Zigtausend Euro an eine Automobilzeitschrift zu verkaufen. Aber natürlich sorgt allein die Verfügbarkeit der Technologie – Kameras, mobiles Internet und Social Media – für eine drastische Beschleunigung der Verbreitung.
Adzine: Kurz zu den Monitoring Tools. Was ist für Sie unverzichtbar?
Splittgerber: Für mich persönlich aus der Sicht des Nachrichtensuchers im Augenblick z. B. Tweetdeck. Eindeutig. Gerade in der Unternehmenskommunikation geht es um Echtzeit. Twitter-Monitoring verschafft uns einen kleinen Vorsprung, bevor die Presseanfragen zu einem Thema in der Presseabteilung ankommen. Salopp gesagt, ist es unser Ziel unseren Sprecherkolleginnen und -kollegen Reaktionszeit zu verschaffen. Darüber hinaus arbeiten wir jenseits von Twitter aber auch mit komplexeren Monitoring-Instrumenten, um z. B. den kontinuierlichen Buzz in anderen UGC-Plattformen zu beobachten.
Adzine: Wie stark haben Sie die Tools personalisiert?
Splittgerber: Sehr stark. Man muss eine richtige Prioritätenliste der wichtigsten Schlüsselbegriffe und -kombinationen hinterlegen und diese Suchen auch ständig aktualisieren. Das ist bisweilen eine etwas dornige Grundlagenarbeit.
Adzine: Wie entscheiden Sie, ob ein Thema tatsächlich relevant wird?
Splittgerber: Tatsächlich hat das viel mit Erfahrung zu tun. Man lernt ja durch das ständige Lesen in Blogs und Foren auch, was die Leute bewegt. Aber natürlich gibt es ein paar handfeste Eckpfeiler. Ohne hier näher auf Details einzugehen: In einem aktuellen Fall haben sich zu einer Aussage aus dem Topmanagement, die dann via Agenturen und WSJ lief, recht früh einige populäre Blogs und Twitterer in den USA mit vierstelligen Follower-Zahlen eingeschaltet. Das ist ein deutliches Signal.
Adzine: Gibt es Eskalationspläne?
Splittgerber: Für Social Media sind wir da gerade mitten in der Diskussion. Unsere Kommunikatoren diskutieren intensiv, ob wir eine verkürzte Darstellung, die im Netz kursiert, selbst aktiv korrigieren sollen, indem wir z. B. in Foren gehen oder bei Facebook kommentieren. Hierbei stellen sich dann auch rein technische Fragen, so ist bei Facebook das direkte Reagieren ja z. T. nicht so einfach, rein aus Gesichtspunkten des Interfaces und der Usability. Andererseits gilt immer auch die Abwägung, ob man durch eine unmittelbare Reaktion nicht ein Thema oder einen Beitrag unnötig prominent macht. Da ist es dann so wie bei den klassischen Medien – manches versendet sich einfach.
Adzine: Wie informieren Sie intern über ein Issue?
Splittgerber: Zunächst ganz pragmatisch, per Mail, mit Screenshots, Auszügen von Kommentaren. Und dann ergänzen wir das um ein paar Kennzahlen, zum Beispiel über die Reichweite eines Blogs oder auch eine qualitative Einschätzung. Das genügt in der Regel.
Adzine: Was tun Sie, um die Mitarbeiter für den Umgang mit Social Media fit zu machen?
Splittgerber: Besonderen Wert legen wir aus Kommunikatorensicht auf unsere Social Media Guidelines, die intern klar kommuniziert sind.
Adzine: Inwieweit lässt sich das Monitoring outsourcen?
Splittgerber: Komplettes Outsourcing birgt aus meiner Sicht zu große Risiken, ein gewisses Know-how und letztlich auch die Prozesssteuerung sollten inhouse bleiben. Es gibt immer einen Anteil an spontanen Themen oder eben Issues mit vertraulichen Inhalten. Die kann man ggf. zunächst keinem Dienstleister kommunizieren. Und letztlich ist es auch immer eine Frage von Ressourcen, ob es gelingen kann, einer Agentur die „Daimler-Brille“ im Sinne von Insights aufzusetzen. Monitoring ist mehr als das Auffinden von Daten.
Herr Splittgerber, vielen Dank für dieses Gespräch.