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PERFORMANCE

E-Mail und Retargeting Hand in Hand

Jens von Rauchhaupt, 28. Januar 2011

Für Onlineshops ist der eigene Newsletter schon für sich ein mächtiges Marketinginstrument, um im Dialog mit den Kunden zu bleiben und neue Kaufimpulse zu setzen. Auch das Retargeting im Rahmen von Display Kampagnen ist für Online-Shops inzwischen eine beliebte Lösung, um ihren Besuchern nach ihren im Shop gezeigten Interessen flächendeckend im Netz Produktempfehlungen auszusprechen. Eine clevere Kombination dieser Instrumente scheint da vielversprechend.

So könnte es anfangen

Wir Online-Einkäufer kennen das: Im Postfach liegt diese E-Mail mit dem Absender IhreBestellung@shopxy.de vom Shop XY, bei dem man vor gut einem Monat sein Notebook bestellt hat. Entgegen der gleichlautenden Betreffzeile hat diese Nachricht neue Produktempfehlung des besagten Shops zum Inhalt. Verwundert reibt sich der User die Augen und ist sich nicht mehr ganz sicher: „Hatte ich denn auch einen Shop-Newsletter abonniert?“

René Kulka

Man hat, so oder so. Entweder nimmt der Shop die letzte Bestellung allein zum Anlass, um sich nochmal ins Gedächtnis zu rufen, vielleicht hat man aber auch den Newsletter gewollt abonniert oder man hat im Eifer des Gefechts, in freudiger Erwartung, als das Hauptaugenmerk auf die Zahlungsmodalitäten gerichtet war, ein kleines Häkchen irgendwo unten in den Niederungen des Bildschirms übersehen. Rechtlich ist kaum eine der Varianten zu beanstanden und eigentlich auch nicht wirklich gegen die Interessen des Users gerichtet. Denn auch Erstbesteller sind doch Bestandskunden, wie uns René Kulka, E-Mail-Marketingexperte vom E-Mail-Marketing-Dienstleiser Optivo, erläutert: „Die Unternehmen machen sich beim Online-Verkauf auch eine vereinfachte Datengenerierungsmöglichkeit durch das UWG zunutze. Bestandskunden können hiernach unter bestimmten Voraussetzungen zu Werbezwecken kontaktiert werden. Ein solcher Ausnahmefall ist gegeben, sofern die E-Mail-Adresse im Rahmen eines entgeltlichen Vertragsschlusses erhoben wurde.“

Mag das Einverständnis zustande gekommen sein, wie es will, denkt sich der User. Nun, wo er die E-Mail schon mal geöffnet hat, schaut er auch auf die Produktempfehlungen. Hier erregen besonders die günstigen externen Festplatten sein Interesse. Schließlich hat die Festplatte im zuvor bestellten Notebook nur eine Kapazität von 160 Gigabyte.

Christin Brandt

Für ein Retargeting ist es zunächst unbedeutend, wie der User zur Webseite des Onlineshops kam; den Retargeting Cookie erhält er auf jeden Fall beim Seitenaufruf des Onlineshops. „Ob über eine AdWords-Anzeige, einen Direkteinstieg zum Shop oder über einen Link in einer E-Mail des Shops, das spielt für das Retargeting zunächst keine Rolle“, sagt Christin Brandt, Head of Marketing beim Retargeting Anbieter Xplosion. Der Cookie wäre normalerweise vom letzen Shopbesuch noch aktiv, soweit dieser nicht länger als 30 Tage zurückliegt. Denn nach der letzten Aktion eines Users auf dem Shop eignen sich Retargeting-Maßnahmen nur für eine gewisse Zeit. 30 Tage ist die durchschnittliche Lebenszeit für den Retargeting Cookie, weil danach davon ausgegangen wird, dass der User andere Produktinteressen hat. Andere Maßnahmen, wie zum Beispiel das E-Mail-Marketing, können nun den User als Impulsgeber zurück auf den Shop führen, damit neu gezeigte Produktinteressen für die Generierung passender Produktempfehlungen im Retargeting zur Verfügung stehen. „Je näher die Werbung den aktuellen Bedürfnissen des Adressaten entspricht, umso positiver wird diese auch wahrgenommen. Genau das macht  den späteren Erfolg von Retargeting Maßnahmen aus“, sagt Brandt.

Robert Lang

Werbebanner für die User

So wundert sich unser User, der in der neuen Empfehlungs-E-Mail ein Visual über eine externe Festplatte angeklickt hatte, dass er jetzt dauernd von Werbebannern des Onlineshops zu dieser Produktkategorie flächendeckend im Internet angesprochen wird. Aufgrund dieses „Big-Brother-Effektes“ vermuten viele Verbraucher schnell ein Ausspionieren ihrer persönlichen Daten. Ein großer Irrtum, wie Robert Lang, Deutschlandchef vom Retargeting-Anbieter Criteo, noch einmal deutlich macht. „Wir setzen keine Cookies in E-Mail-Newslettern, da uns die dazu nötigen Daten, wie z. B. eine E-Mail-Adresse, nicht vorliegen. Unsere Cookies werden in den Browser des Nutzers gesetzt, wenn er in einem Onlineshop eines Kunden surft und einkauft. Die Criteo-Server errechnen dann aus seinem Surf- und Kaufverhalten eine Produktempfehlung – wie man das z. B. von Amazon kennt. Ist der Nutzer nun auf den Seiten unserer Publisher unterwegs und liest z. B. Nachrichten oder E-Mails, wird diese Produktempfehlung in Bannerformat ausgespielt.“

Amazon als Vorbild

Neuerdings macht eine neue „Retargeting“-Variante die Runde, die bei Mediascale getestet wird und nicht mit dem oben gezeigten Retargeting zu verwechseln ist. Hierbei wird versucht, aus dem Surfverhalten im Shop dynamisch die Inhalte in der E-Mail auszusteuern. Für Alexander Emmendörfer, eDialog Leiter bei Mediascale in München, ist Amazon hier das Paradebeispiel, wie E-Mails an das Surfverhalten im Shop inhaltlich angepasst werden können. „Bei Amazon wird das Klickverhalten des Shopbesuchers im CRM-System festgehalten. Auf Basis der Informationen kann Amazon inhaltlich individualisierte Newsletter zustellen“, berichtet Emmendörfer. „Die großen internationalen Shop-Betreiber machen das ja zumeist ohne Cookies. Dazu muss natürlich ein ausdrückliches Einverständnis des Nutzers vorliegen. Es gibt kaum mehr als fünf Unternehmen, die das hierzulande wie Amazon machen können, weil sie im Vorfeld alles rechtlich sauber über ihre Datenschutzbestimmungen und AGBs abgebildet haben.“

„E-Mail-Targeting“

Auch der technische Aufwand für das CRM-System sei ein erheblicher. Daher arbeitet die auf Retargeting spezialisierte Performance-Agentur Mediascale in diesem Bereich alternativ lieber mit Cookies. „Wir haben ja einige Erfahrung mit Retargeting im Display-Advertising. Wenn der User sich etwa Schuhe in einem Mirapodo-Shop anschaut, speichern wir dies als anonymisierte Profildaten im Cookie des Browsers ab. Später sprechen wir ihn auf Basis dieser Information individuell über dynamisch generierte Werbebanner wieder an.“ Ebenso setzen die Münchener Retargeting ein, wenn der User von  einer E-Mail in den Shop gelangt und so ein entsprechendes Cookie erhält. „Das ist ja schon lange Standard“, sagt Emmendörfer.

Alexander Emmendörfer

Neu ist aber nun der Ansatz der Münchener, das auf Cookies basierende Retargeting-Prinzip für den Inhalt der E-Mail selbst anzuwenden. „Wenn der Shopbesucher später eine E-Mail öffnet, blenden wir ihm in der E-Mail an seinen Shopbesuch angepasste Inhalte ein. Vor etwa einem halben Jahr ist uns aufgefallen, dass die meisten E-Mail-Systeme – sei es Freemailer oder Mailprogramme – ebenfalls mit Browser-Engines arbeiten. Auch wenn das neue Outlook anders funktioniert, haben unsere Tests ergeben, dass wir bei 60 bis 70 Prozent der E-Mail-Systeme Inhalte über Cookies dynamisch einsteuern können, sofern uns zuvor ein Profil vorliegt und in der E-Mail ein Platz für ein entsprechendes Angebot reserviert wurde.“

Dieses Vorgehen überrascht ein wenig. René Kulka von Optivo bemerkt dazu: „Im E-Mail-Marketing werden kaum Profilinformationen auf den Rechnern der Nutzer abgefragt. E-Mail-Dienste wie Outlook oder GMX sind dazu technisch auch gar nicht in der Lage, da diese keine Cookie-Informationen einlesen können. Profilinformationen werden vielmehr anonymisiert in der aktuellen Datenbasis abgerufen.“ Wie passt das mit Emmendörfers Erfahrungen zusammen? „Das passt sehr gut zusammen, weil hier genau von den ‚fehlenden‘ 30-40 Prozent ausgegangen wird. Auch nach unseren Erfahrungen sind es vor allem die beiden neuesten Outlook-Varianten und GMX, bei denen wir die Cookies nicht aufrufen können. Aber bei den meisten anderen Mailprogrammen funktioniert das!“, sagt Emmendörfer.

Christin Brandt, Head of Marketing vom Retargeting-Anbieter Xplosion, sieht im Einsatz von Retargeting in den Shop-Newslettern einen „konzeptionell interessanten Ansatz“, um E-Mails noch effizienter für den direkten Abverkauf einzusetzen. Die Vorteile des Retargeting im E-Mail-Marketing zu nutzen, müsse aber „technisch, rechtlich und in Hinblick auf Usersensibilität“ geprüft werden. Momentan setzt Mediascale das neue „E-Mail-Retargeting“ bei zwei Szenarien ein: „Wenn ein Nutzer ein angebotsrelevantes Site-Nutzungsprofil hat oder ein Warenkorbabbrecher ist. Dann können wir Retargeting als Performance-Turbo einsetzen.“ Vor allem bei Warenkorbabbrechern würden Gutscheinangebote in der E-Mail besonders gut funktionieren. Genauere Ergebnisse bei den Kunden darf Mediascale aber leider zu diesem Zeitpunkt noch nicht kommunizieren.

Es bleibt bei den beschriebenen Verfahren festzuhalten, dass die Cookie-Information für das Retargeting und die Daten für einen E-Mail Versand aus völlig unterschiedlichen Datenquellen stammen. Es handelt sich um technisch getrennte Systeme, die sich aber offenbar clever kombinieren lassen.

Bild Jens v. Rauchhaupt Über den Autor/die Autorin:

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