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DISPLAY ADVERTISING

Chancen und Herausforderungen von Realtime Bidding

Tim Gentry, 13. Januar 2011

Werden Publisher zukünftig mehr von ihrem Inventar für den automatisierten Mediahandel bzw. das Realtime Bidding (kurz RTB) freigeben? Tim Gentry, Head of Optimisation & Effectiveness, Guardian Commercial, befasst sich im folgenden Beitrag genau mit dieser Frage und berichtet von seinen Erfahrungen im Umgang mit RTB beim britischen Onlineangebot „The Guardian“ (guardian.co.uk).

Tim Gentry: Ich denke, die Antwort auf diese Frage lautet „Ja, aber …“. Hinter dem „Ja“ stehen triftige Gründe und hinter dem „aber“ verbirgt sich eine spannende Debatte.

Wir betrachten den automatisierten Media-Handel als fantastische Möglichkeit für alle, die Marken mit den relevanten Zielgruppen in Qualitäts-Umfeldern verbinden möchten. Auf der Planungs- und Einkaufsseite sind die Vorteile offensichtlich: Beim Mediaeinkauf ging es ja schon immer darum, die richtige (Werbe-)Botschaft für die passende Zielgruppe am richtigen Ort zur rechten Zeit und zum bestmöglichen Preis zu platzieren.

Nennen wir es adressierbare Werbung, automatisierter Handel, Exchange Trading, Real Time Bidding  oder was wir sonst noch für Begriffe dafür erfinden können, eigentlich haben wir die Garantie, dass es funktioniert  – solange die Mediaeigentümer die „right audience“ und vor allem den „right place“ anbieten.

Für uns Publisher hat es doch echte Vorteile, genau dies zu tun. Denn es bedeutet, dass wir den wahren Wert aller Besucher, die Zeit auf unseren Seiten verbringen, realisieren können – und nicht nur den unserer Kernleser, für die man uns so gut kennt. Automation erlaubt uns, die Vermarktung effizienter zu gestalten, indem Ressourcen im „commodity trading“ frei werden und wir mehr Zeit dort investieren, wo wir den Kunden echten Mehrwert bieten können. Unsere ersten Erfahrungen bekräftigen uns in diesem Vorgehen. So liefert Real Time Bidding 18 Prozent unseres Ertrags aus gerade einmal 7 Prozent unserer Impressions, aus dem „non-direct, non UK“-Inventar. Warum also diese weitverbreitete Ängstlichkeit gegenüber dem Thema?

Transparenten Märkten haftet eben etwas fundamental Beängstigendes an, vor allem denen, wo  Angebot und Nachfrage in einem grundlegenden Ungleichgewicht stehen. Die Nachfrage nach digitalem Display Advertising wird niemals so schnell wachsen wie das verfügbare Inventar. Im ersten Halbjahr 2010 konnte der IAB UK einen Anstieg der Display Werbespendings von 6,4 Prozent feststellen, während UKOM im selben Zeitraum einen Anstieg der Seitenaufrufe von 23 Prozent maß.

Transparente Märkte verängstigen besonders eine Advertising Community, die sich lieber auf Vermutungen, nebulöse Kaffeesatzleserei und verschwommene Metriken stützt, um damit  Premiumangebote und deren „Werbeeffektivität“ zu verteidigen. Doch für diejenigen unter den Publishern, die echten Mehrwert liefern und in der Lage sind, für sich Angebot und Nachfrage auzubalancieren, für die kann die Transparenz der Märkte eine sehr vorteilhafte Sache sein.

In diesem Zusammenhang verbringen wir viel Zeit mit der Diskussion über Mindestpreise, und wie bzw. wo man sie ansetzen sollte. Ich denke, man sollte zunächst einen Schritt zurück machen, um Sachverhalte zu durchblicken und zu verstehen, wie man zu wirksamen Mindestpreisen kommt.

  •  Werte liefern und den eigenen Wert erkennen
  •  Profildaten schützen und monetarisieren
  •  Angebot und Nachfrage in Einklang bringen

Ohne diese Basics ist es schwierig, richtige Preise zu bestimmen (im RTB) oder überhaupt ein Gebot auszuschlagen, was ja das beste Mindestpreis-Management hinfällig machen würde.

Beim Guardian investieren wir derzeit stark in alle genannten Bereiche. Mit unseren Investitionen in die direkte, klassische Vermarktung schaffen wir uns das Fundament, um effektiv über RTB zu handeln. Kurzfristig funktioniert das durch die Wahrung der Nachfrage nach unserem Premium-Inventar, dieses limitiert das Angebot auf den unteren Inventarebenen, die heute schon in Realtime gehandelt werden. Das funktioniert, weil unsere Direktverkäufe für UK-Premium-Inventar regelmäßig 80 Prozent übersteigen.

Längerfristig wird uns detailliertes Wissen darüber, wer Zeit bei uns verbringt und welchen Wert diese Besuche für unser Angebot haben, befähigen, das gesamte Standardgeschäft (commodity sell) automatisiert abzuwickeln – vorausgesetzt, der Gesamtmarkt entwickelt sich deutlich weiter und es macht für uns rechnerisch Sinn.

Bei unserer momentanen Arbeit hilft uns die Partnerschaft mit Maxifier, sowohl den Umsatz als auch die Werbeperformance für unsere Seiten zu optimieren. Für jede Impression wird die beste Platzierung kalkuliert und der Einfluss auf andere Kampagnen innerhalb unseres gesamten Portfolios gemessen. Wir beginnen auch diese Verfahren zur Optimierung von Engagement-Metriken zu nutzen, dies  mit großem Erfolg. Wir sehen derzeit Performance-Zuwächse zwischen 20 und 30 Prozent hinsichtlich Klicks, Verkäufen und Engagement. Die Optimierung liefert Performance, welche letztlich unseren Gesamtwert im Markt steigert.

Der andere Aspekt, der unseren Wert bestimmt, ist, wie gut wir unsere Nutzerdaten verstehen und zu unserem Vorteil einsetzen können. Auf diesem Gebiet geht es allerdings eher um das große Bild als um Details, wie beispielsweise die Providernutzung des Besuchers. Entscheidend ist hier das Verständnis, wie die Daten entstanden sind und wie sie genutzt werden können. Manchmal produzieren die simpelsten Datenbeziehungen den größten Wert für uns – wie die zu unserem Schwesterunternehmen Trader Media, das uns hilft, Absichtsmerkmale (Intent Data) mit unseren Besuchern und Premium-Inhalten zu kombinieren.

Einigen Nachholbedarf gibt es für uns und andere Publisher meiner Meinung nach bei den  Steuerungs- und Genehmigungsverfahren rund um das Sammeln von Nutzerdaten durch unsere Werbekunden. Die Herangehensweise des Wall Street Journals (WSJ) erscheint uns hier sehr empfehlenswert. Sie haben strikte Einschränkungen eingeführt, welche Userdaten von wem gesammelt werden können und wie sie genutzt werden dürfen. Das WSJ setzt diese Beschränkungen heute schon durch, und wir können davon ausgehen, dass eine Limitierung der Nutzung von Profildaten schon bald in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der meisten Publisher und Vermarkter aufgenommen wird.

Group M Marketplace führt derzeit eine offene Diskussion zum Thema Datenhandel, was tatsächlich ein wachsender Trend ist. Natürlich ist es für Publisher beängstigend, über Preismodelle für Daten zu diskutieren. Doch mit dem Willen zum Experimentieren und einem vernünftigen partnerschaftlichen Umgang mit dem Thema wird es uns allen helfen, unseren Daten den wahren Wert beizumessen.

Letztlich müssen wir jetzt die Expertise entwickeln, Inventar und Pricing zu verstehen. Dazu entwickeln wir eine mehrschichtige, regelbasierte, dynamische Herangehensweise, welche schnell und einfach auf alle bestehenden Handelsmodelle angewendet werden kann  – klassisch oder eben über Exchanges.

Und wir experimentieren! Wir testen verschiedene Mindestpreise, Permissions und Beschränkungen in allen Bereichen des Inventars, das wir in Exchanges handeln. Jetzt ist die richtige Zeit, um zu spielen und sich das relevante Wissen anzueignen, bevor der Einsatz zu groß wird.

Dieser Text erschien im englischen Original bei unserem Content Partner* Exchangewire.com.*

Über den Autor/die Autorin:

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