Eine langfristige Kundenbeziehung aufzubauen, ist nicht nur eine der Hauptaufgaben für die Warenhäuser in der realen Welt, gerade Online-Shops zeigen auf diesem Gebiet zunehmend Kreativität. Einige Online-Händler lassen dazu immer mehr die Kunden zu Wort kommen. Auch wenn es dann manchmal wehtut, zahlt sich ihre Offenheit langfristig aus.
Die OTTO Tochter limango ist kein gewöhnlicher Webshop. Vielmehr handelt es sich um eine sogenannte Shopping Community, bei der die angemeldeten Nutzer Restposten und Saisonware mit starken Preisnachlässen von bis zu 70 Prozent unter dem UVP aktionsbasiert erwerben können. 100 Aktionen laufen bei limango im Monat. 1,4 Mio. angemeldete Community-Mitglieder stöbern auf limango.de nach neuen Aktionen für beispielsweise Waschmaschinen, Lichterketten, Kinderspielzeug oder DaWanda Designerware. „Unsere Zielgruppe sind Frauen zwischen 25 und 45, die als markenbewusste Schnäppchenjäger durchschnittlich einmal im Monat online einkaufen“, beschreibt limango-Geschäftsführer Sven van den Bergh das eigene Klientel. Damit gehören limango-User eigentlich zum schwierigen Kundenstamm. Schnäppchenjäger haben aufgrund ihrer Erfahrung kein Problem damit, die Ware bei Missfallen postwendend wieder zum Absender zurückzuschicken.
Limango hält diese Herausforderung für eine Kommunikationsaufgabe, denn meist lassen sich Missverständnisse zu einem Produkt bereits im Pre-Selling-Zeitraum jeder Aktion aus dem Weg räumen. Daher setzen die Münchener auf die eigene Community. Wenn man als Online-Shop mit der eigenen Kundschaft dauerhaft im Dialog ist, weiß man eben besser, was der Kunde will, welche Fragen er zu einem Produkt hat, damit die Aktion ein voller Erfolg für den Shop wird.
Seit zwei Monaten können die limango-Community-Mitglieder daher zu jedem Produkt bzw. jeder Aktion und für alle anderen Mitglieder sichtbar Fragen an den Kundendienst stellen. Alle Antworten werden auf dem Portal für alle sichtbar gemacht. Acht Redakteure arbeiten hier eng mit dem Einkauf und dem Aktionsmanagement von limango zusammen. Das Ergebnis: Die Beratung direkt im Shop führt zu einer spürbaren Verringerung der Anfragen über das eigene Callcenter. Das Aufkommen ist um 35 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zurückgegangen. Und was für den Shopbetreiber noch wichtiger ist: „Seitdem wir die Kommentarfunktion in die Community integriert haben, ist die Retourenrate messbar gesunken.“ Der Social-Media-Service senkt also bei limango die Kosten. Zudem arbeitet man parallel mit einem eigenen limango-Blog. Hier werden neue Themen ausprobiert. Durch die Beteiligung mit der Kommentarfunktion, erkennen die Einkäufer von limango, welche Aktion Aussicht auf Erfolg haben könnte.
Das kann auch schon mal wehtun
Doch van den Bergh berichtet, dass die Verbesserungen keinesfalls vom Himmel gefallen seien. „Wir haben länger herumexperimentiert und eine lehrreiche ‚Trial and Error‘-Phase durchlaufen, bis wir vor gut zwei Monaten das aus unserer Sicht perfekte Kundenbindungs- und Informationsportal launchen konnten.“ So versuchte man beispielsweise auch eine Chatfunktion in das Portal zu integrieren, bis man feststellte, dass die meisten Fragen sich immer glichen. Auch an die Offenheit der Nutzer musste man sich aufseiten von limango erst einmal gewöhnen. Denn auch Kritikfähigkeit muss erst einmal gelernt sein. „Dass unsere Community-Mitglieder bei uns frei und öffentlich ihre Meinung sagen können, das kann auch schon mal wehtun“, sagt van den Bergh.
Inzwischen beteiligen sich die Community-Mitglieder rege an der Kommentar- und Dialogfunktion. Und zwar so sehr, dass 200 Kommentare am Tag eingehen. Zudem beschleunigt diese Social-Media-Variante die Antwortzeit des Kundenservice, da die öffentlichen Anfragen in weniger als 60 Minuten beantwortet werden. Das sei laut limango deutlich schneller als per E-Mail. Das freut den Kunden und hält ihn bei der Stange. „Kundenbindung ist uns per se wichtiger als die Neukundengewinnung. Es ist das A und O, um erfolgreich E-Commerce zu betreiben.“
Facebook als Imageinstrument
Ein anderes Beispiel aus Deutschland: Wer schon einmal ein Computerbauteil im Internet bestellen wollte, kennt mit Sicherheit Alternate, den Computer-Versandhändler des Jahres 2010, mit Sitz im mittelhessischen Linden. Unternehmenssprecher Björn Bartsch beschreibt die Social-Media-Ausrichtung von Alternate als „eher konservativ“. „Der deutsche Webshop von Alternate hat bislang keinen eigenen Twitter-Account, der Fokus liegt hier aktuell auf Facebook. Über eine Chatfunktion haben wir nachgedacht, aber wir lassen uns mit so was noch Zeit. Wir sind ein bodenständiges Unternehmen, das langsam und beständig wächst. Mit der Alternate-Fanseite auf Facebook haben wir erst in diesem Jahr begonnen“, sagt Bartsch. Das Feedback von Kundenseite wie von den eigenen Mitarbeitern sei durchweg positiv. Über 13.000 Fans zählt die Site auf Facebook. Vor allem die Anzahl an Bewerbungen sei bei Alternate seit der Facebookseite stark gestiegen.
Denn für Alternate dient Facebook nicht als Kundenbindungsinstrument. „Es ist ein Imageinstrument, wo es menscheln soll. Unsere Webseite war uns schon länger zu sachlich, es fehlte an tieferen Informationen über das Unternehmen und über die Menschen, die dort arbeiten“, sagt Bartsch. So stellt Alternate bei Facebook vor allem Bilder vom Lager, den Büroräumen sowie freigegebene Mitarbeitfotos ein. „Aber auch Fotos und Berichte von Events wie unseren Messeauftritt auf der Games Convention.“ Die Facebookseite soll sich vorrangig an die jüngeren Käuferschichten richten „Die Jüngeren kämen gar nicht auf die Idee nach einer ‚Über uns‘-Unternehmensseite zu suchen, die ist deshalb eher für die ältere Zielgruppe gedacht.“
Hatte Alternate keine Bedenken, dass User dort auf der Fanpage auch schlecht Kommentare über Produkte oder das Unternehmen abgeben? „Wir hatten uns mit dem Thema zuvor ausgiebig auseinandergesetzt. Aber die Produkte stehen auf der Fanseite ja nicht so im Vordergrund. Natürlich können die Kunden auch hier Kommentare zu den Waren abgeben oder nach ihren Bestellungen fragen, unsere Mitarbeiter reagieren dann immer sofort auf solche Anfragen, aber das ist nicht die Hauptzielsetzung dieser Seite. Daher ist das auch kein Problem.“
Bewertungen für das eigene Geschäft nutzen
Während der eigene Newsletter bei Alternate eher als reine Abverkaufsmaschine gedacht ist, misst Bartsch vor allem dem Bewertungstool des Webshops eine größere Bedeutung bei. Dabei können auch schlechte Produktbewertungen wichtige Informationen enthalten, wie Bartsch erläutert: „Wir brauchen diese Informationen, was Besseres kann uns doch gar nicht passieren. Bei vielen schlechten Bewertungen über ein Produkt, wissen wir, wie wir das Lager bevorraten müssen oder ob wir das Produkt gar ganz auslisten. Damit senken wir wiederum die Retourenrate. Aus diesem Grund haben wir schon sehr früh den Kunden die Möglichkeit gegeben, Produktbewertungen abzugeben.“ Übrigens: Das Geschäft brummt bei Alternate mehr denn je. Aber das sei nichts besonders. „Es brummt immer um diese Zeit und unsere Umsätze steigen von Jahr zu Jahr kontinuierlich an.“ Und zwar ohne zwischenzeitliche Einbrüche wie Bartsch berichtet.