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Branding: Performance mit Zeitverzögerung

Karsten Zunke, 9. Dezember 2010

Radio-Werbung wirkt, TV-Werbung auch, Print sowieso und Online-Werbung erst recht. Vor allem, wenn es um Branding-Ziele geht, möchte sich jedes Werbemedium in den Vordergrund drängeln. Doch bei aller Selbstbeweihräucherung stellen sich Werbungtreibenden dabei vor allem drei Fragen: Wie wirkt die Reklame? Wie lange? Und vor allem: wie schnell?

Die Wirkung von Abverkaufskampagnen lässt sich gut messen – im Internet sogar direkt, mit einem lückenlosen Tracking. Knifflig wird es beim Branding. Hier kommt auch das „Wir-können-alles-messen-Internet“ an seine Grenzen. Es gibt keine allgemeingültigen Antworten, wann, mit welchem Erfolg und in welcher Zeit sich eine Marke oder eine Botschaft in die Hirne der Nutzer brennt. Oder doch?

In der klassischen Mediaplanung gibt es Indikatoren wie den Gross Rating Point (GRP), um den Werbedruck zu beschreiben. Die handliche GRP-Formel (prozentuale Nettoreichweite multipliziert mit den Durchschnittskontakten) wird vor allem für die Analyse von TV-Kampagnen herangezogen. Aber über die tatsächliche Branding-Wirkung beim einzelnen Nutzer sagt der GRP nichts aus. Dafür gibt es keine allgemeingültige Faustformel, denn eine Branding-Wirkung hängt stark von Art, Ziel, Aufbau, Durchführung, Medium sowie unzähligen Rahmenbedingungen ab – beispielsweise dem zur Verfügung stehenden Budget, der Wettbewerbssituation, der Kommunikation der Mitbewerber et cetera.

Dr. Simon Berkler, different

Qualitativer Leistungswert fehlt

„Branding ist erfolgreich, wenn Wahrnehmungsdimensionen von Konsumenten im Sinne des Werbungtreibenden verändert werden. Man beeinflusst die Einstellung, um in der Folge eine Veränderung im Kaufverhalten zu erreichen. Branding ist Mittel zum Zweck“, erläutert Dr. Simon Berkler, Geschäftsführer von diffferent aus Berlin. Doch die Realität ist komplexer als jedes Modell. „Die Einflussvariablen auf eine Branding-Wirkung sind zu vielfältig, um sie monokausal auf eine einzelne Kampagne zurückzuführen. Das wäre eine unzulässige Simplifizierung der Realität“, sagt Berkler. Die Strategieagentur positioniert sich medienneutral in der Lücke zwischen den Dienstleistungen klassischer Unternehmensberatungen einerseits und Umsetzungsagenturen andererseits. Berkler unterscheidet klar zwischen einstellungsbasierten und verhaltensbasierten Zieldimensionen. Unmittelbar messbar ist lediglich das unmittelbare Verhalten der Rezipienten. Ob sich deren Einstellung geändert hat, lässt sich nur über Befragungen herausfinden. Beides bedingt sich zudem wechselseitig, wobei Verhaltensänderungen eher spürbar werden als eine geänderte Einstellung zu einer Marke oder einem Produkt.

„Noch gibt es keinen allgemeingültigen qualitativen Leistungswert, der den Erfolg einer Branding-Kampagne im Web ohne kampagnenbegleitende Werbewirkungsforschung abbilden kann. Es gibt aber bereits Bestrebungen in den großen Verbänden, die sich diesem Thema angenommen haben“, erläutert Martin Lütgenau, Geschäftsführer Sales der Tomorrow Focus Portal GmbH. Der Online-Vermarkter versucht daher, möglichst viele Branding-Kampagnen mit einer kampagnenbegleitenden Marktforschung zu begleiten, um den Branding-Erfolg von Online für Agenturen und Kunden zeitnah nach Kampagnenende greifbar zu machen. Die Ergebnisse aller Studien hat man nach Branchen zusammengefasst, um den Kunden zumindest Benchmarks zu liefern.

Über das Verhalten hin zur Einstellung

Rein verhaltensbasierte Veränderungen können sich auch in einem Klick auf ein Werbemittel äußern. Dahinter muss nicht immer eine direkte Kaufabsicht stecken, oft geht es lediglich um vertiefende Informationen. „Aus einer Banner-Klickrate lässt sich gut auf die Aufmerksamkeit schließen, die eine klar branding-relevante Variable ist“, sagt Berkler. Eine Analyse der Google-Suchbegriffe und des Social Web bringe zudem Aufschluss über die Bekanntheit eines beworbenen Produktes. „Doch bis einstellungsbasierte Imageeffekte greifen, dauert es erfahrungsgemäß mindestens ein halbes Jahr“, so Berkler. Vor allem ein Re-Branding sei langwierig. „Es dauert lange, bis ein Mensch die Trägheit eines bereits eingebrannten Images hinter sich lässt.“ Eine entscheidende Rolle spielt hierbei auch der Werbedruck – und somit letztlich auch das Budget – mit dem Branding in Angriff genommen wird.

Da Branding nicht nur auf Aufmerksamkeit und Bekanntheit zielt, sondern auch inhaltliche Assoziationen erwünscht sind, spielt die Emotionalität eine enorme Rolle. „Audiovisuelle Medien sind das Mittel der Wahl, wenn es um Branding geht“, sagt Berkler. Denn über emotional aufladbare Medien lasse es sich besser steuern. „Auch wenn TV aufgrund der großen Reichweite noch im Vorteil ist, die Wirkung der bewegten Bilder ist gleich – egal ob die Kampagne im Fernsehen oder im Internet läuft.“ Beide Medien nähern sich immer mehr an.

Bewegtbild brandet besser

„Bisher konnten wir keine medienspezifischen Unterschiede zwischen TV und Online bei den Brandig-Effekten beobachten. Einziger Unterschied besteht darin, dass ich im TV die Reichweite schneller aufbauen kann als Online“, bestätigt auch Johanna Teichmann, Head of Advertising Research bei SevenOne Media in München. Dabei betrachtet man vor allem die Werbewirkung von Bewegtbild. „Etwas anders sieht es bei Displaywerbung im Internet aus. Hier ist es generell schwer, Branding zu betreiben, da Images und Emotionen nicht so gut transportiert werden können“, so Teichmann. Eine pauschale Formel für die Zeitverzögerung, mit der Branding-Kampagnen wirken, hat aber auch sie noch nicht ermitteln können. Zu stark hängt der Effekt vom Produkt und der Kampagne ab.

Interessante Ergebnisse liefert hier jedoch eine Begleitforschung zu einer Sponsoringkampagne von Euronics im Umfeld von „ran“ in SAT.1. Die TV-Kampagne wurde auch ins Internet verlängert. Die Kooperation hatte in zwei Stufen gewirkt: Zunächst wurde vor allem Bekanntheit aufgebaut. Im zweiten Schritt konnte das hohe Bekanntheitsniveau weitgehend gehalten und gleichzeitig das Image von Euronics verbessert werden. „Bereits nach einem halben Jahr zur Zwischenbefragung hat die Markenbekanntheit deutlich zugenommen und dieses Niveau bis zur Endbefragung nach einem Jahr gehalten. Die positiven Auswirkungen auf das Image wurden zur Zwischenbefragung noch nicht deutlich, sondern erst zur Endbefragung nach einem Jahr“, erläutert Teichmann. Während Bekanntheit – je nach Ausgangsniveau – in wenigen Wochen und Monaten aufgebaut werden kann, dauert es laut Teichmann bei Imageeffekten durchaus mehrere Monate oder Jahre, bis sie sichtbar beziehungsweise messbar werden. Generell benötigt man demnach mehr Zeit zum Erzeugen von Imageeffekten als zum Aufbau von Bekanntheit.

Produkteinführungen haben es leichter

Doch selbst der Werbewirkungsindikator Markenbekanntheit ist ein Faktor, der sich in der Regel nur sehr langsam aufbaut. „Bei Produkteinführungen beobachtet man allerdings häufig einen sehr schnellen Aufbau von Branding-Effekten. Diese Effekte sind schnell messbar, allerdings in vielen Fällen nicht lang während“, sagt Lütgenau. Etablierte Produkte haben in den meisten Fällen eine sehr lange „Branding-Historie“, in der sie ihre Marke über viele Monate beziehungsweise Jahre aufgebaut haben. „Klar ist, dass auch etablierte und sehr bekannte Marken mit einem Bekanntheitsgrad von über 90 Prozent kontinuierlich etwas für ihre Marke tun müssen, um das Niveau auch langfristig zu halten.“

Auch bei SevenOne Media hat man die Erfahrung gemacht, dass bei Produkteinführungen, die mit einem ordentlichen Mediadruck begleitet werden, schneller Steigerungen erreicht werden als bei bekannten Produkten. „Die Werbewirkung tritt schneller zutage, weil ein unbekanntes oder wenig bekanntes Produkt von einem viel niedrigeren Niveau startet. Eine Marke, die bereits 98 Prozent Bekanntheit hat, wird viel länger brauchen, um die restlichen zwei Prozent noch zu erreichen“, so Teichmann. Auch bei den Imagedimensionen tun sich neue Marken und Produkte der Expertin zufolge leichter, da der Verbraucher sich noch kein Bild gemacht hat, sondern das gewünschte Bild durch die Kampagne erzeugt werden kann. Für gesetzte Marken dauert es auch hier wesentlich länger, um das Image zu justieren oder zu verändern.

Neue Konkurrenz im eigenen Medium?

Aber es gibt viele Werbungtreibende, die an solchen Branding-Zielen intensiv arbeiten. Jüngstes Beispiel, das – zumindest in den USA – für großes Aufsehen gesorgt hat, ist die Procter & Gamble-Marke Old Spice. Der Konzern will das bisher eher angestaubte Image seiner Männer-Pflege-Produkte kräftig auffrischen, auch im Internet, via Social Media. Seit Monaten spielen YouTube-Videos eine zentrale Rolle, die von der Webgemeinde intensiv diskutiert und viral verbreitet werden. Sie zeigen einen muskelbepackten ehemaligen American-Football-Profi, der als Testimonial den Frauen die Vorzüge der Old-Spice-Männerprodukte verdeutlichen soll. Nutzern, die auf Twitter einen Spot kommentierten, antwortete der Muskelmann sogar – mit einer persönlichen Videobotschaft. Mehr als 100 persönliche Videospots sind so entstanden. Vor allem antwortete das Testimonial in seinen Filmchen den großen Influencern im Social Web, bekannten Persönlichkeiten mit sehr vielen Followern.

Initial-Zündung für die Social-Media-Lawine war ein Old-Spice-TV-Spot. Die Begeisterung war groß, es folgten ein weiterer Spot sowie Seiten bei Facebook und Twitter, auch unzählige Blogs widmen sich mittlerweile diesem Thema. Ob sich die Marke dauerhaft neu positionieren kann und die Imagebemühungen im Social Web Früchte tragen, wird sich erst mit der Zeit zeigen – beziehungsweise durch spätere Befragungen der Nutzer.

Für Berkler ist Social Media jedoch prinzipiell ein geeignetes Medium, um Branding-Ziele zu erreichen. „Es gibt heute pragmatischere und aus Kosten-Nutzen-Aspekten günstigere Möglichkeiten, Branding zu betreiben, als großflächig alle Kinos zu bespielen oder TV-Werbung zu schalten. Wenn man Social Media geschickt einsetzt, wird die Brandingwirkung durch virale Effekte enorm verstärkt“, ist sich Berkler sicher.

Vor allem Online-Vermarkter sehen diese Entwicklung naturgemäß skeptisch. Sie könnten im Kampf um lukrative Branding-Kampagnen neben der wiedererstarkten Werbegattung TV nun sogar Konkurrenz im eigenen Medium bekommen. Doch einen greifbaren Beweis hat Social Media als Branding-Medium bisher nicht angetreten, dazu ist es noch zu wenig erprobt. Verhaltensänderungen sind zudem möglich, ohne nachhaltig zu sein. Auf eine Veränderung der Einstellung beziehungsweise der Wahrnehmung einer Marke durch den Nutzer kann auch aufgrund von 130 Millionen Videoabrufen nicht geschlossen werden. Wenn es um echte Branding-Effekte geht, müssen die Vertreter aller Werbegattungen mit der unbestimmten Zeitverzögerung leben. Echtzeitweb hin oder her.

Über den Autor/die Autorin:

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