Auditing – Kontrolle im Auftrag des Werbekunden
Jens von Rauchhaupt, 10. Dezember 2010Mit der wachsenden Bedeutung des Internets als Werbekanal steigt bei den Werbungtreibenden das Bedürfnis nach mehr Kontrolle bei den Online-Werbeauslieferungen. Was Mediaagenturen bei den klassischen Medien unter den Begriff Auditing schon länger kennen, gewinnt auch im Online-Advertising zunehmend an Bedeutung. Nun geraten auch die Vermarkter in das Blickfeld der Traffic-Kontrolleure.
Auditing und Ad Verification, dieses Begriffspaar hört man immer öfters im Online-Marketing. Beide Disziplinen sollen die Interessen der Werbungtreibenden schützen. Nach dem Verständnis des Interactive Advertising Bureau (IAB) beinhaltet Ad Verification sowohl die korrekte Auslieferung in die gebuchten Umfelder, als auch die korrekte Zählung der ausgelieferten Ads. Beim Media Auditing geht es hingegen eher um die Arbeitskontrolle all der Unternehmen, die direkt mit dem Einkauf von Medialeistungen zu tun haben. Dennoch sind die Übergänge fließend, wenn es um die Qualitätsüberprüfung der Medialeistungen geht.
Stress für die Agenturen
Erst seit zwei Jahren ist das britische Auditing-Unternehmen Billetts in Deutschland mit einem eigenen Team aktiv. Werbungtreibende beauftragen Billetts für das Media-Auditing über alle Medien hinweg. „Online-Auditing gewinnt dabei jetzt erst richtig an Fahrt“, sagt Oliver Migge, der das Online-Auditing für die Kunden von Billetts verantwortet. „Auditing kennen wir in Deutschland bereits seit gut 10 Jahren aus dem TV-Geschäft, Online kam das Thema das erste Mal vor zwei Jahren auf“, berichtet Migge. Viele OWM-Mitglieder (Organisation Werbungtreibende im Markenverband) zählten zum Kundenstamm von Billetts. Doch um welche Unternehmen es sich tatsächlich handelt, will Migge nicht sagen; im Auditing-Geschäft brüstet man sich eben nicht mit seinen Kunden. Doch so viel verrät Migge schon: „Es sind deutlich mehr als 50 Kunden, davon etwa 15 von den Top 30 Werbetreibenden, die in Deutschland online aktiv sind.“
„Wir überprüfen ausschließlich die Mediaagenturen. Das ist ein völlig offenes Spiel, denn die Agenturen wissen, dass wir das für den Kunden machen. Das geschieht nicht heimlich.“ Neben Preflight Checks überprüft Migge mit seinem Team vor allem die Reportings der Agenturen. Es handelt sich also vorrangig um Ex-Post-Analysen. „Wir sehen uns alle Daten und Reports an, die uns die Agenturen zu den Kampagnen unserer Kunden geben können und überprüfen die Effizienz und Qualität ihrer Arbeit. Vereinfacht gesagt, geht es um die Frage, ob die Agenturen das getan haben, was in den Briefings mit den Werbungtreibenden vereinbart wurde“, sagt Migge nüchtern, zu dessen Berufsstationen unter anderem die Mediaagentur pilot gehört. Einfach macht man es sich bei Billetts aber nicht, denn: „Online-Mediaeinkauf ist um ein Vielfaches komplexer als der Einkauf für TV und Print. Hier muss man schon sehr dezidiert alle verfügbaren Daten prüfen, bis man valide Aussagen machen kann“, meint Migge.
Effizienz der Medialeistung
Für Schöngeisterei hat Migge bei seiner Arbeit keine Zeit, das merkt man gleich, wenn man mit ihm spricht: „Unter Effizienz der Medialeistung fällt alles, was mit den Kosten zu tun hat. Wie gut wurde Media eingekauft, das ist unsere zentrale Effizienzfrage, dann überprüfen wir, ob es zu Unterlieferungen kam und welche Formate eingesetzt wurden.“ Im Gegensatz zu anderen Medien seien beim Online-Auditing immer nur die Netto-TKPs als Kosten interessant. „Hier differenzieren wir nach unterschiedlichen Einkaufstypen, also Fix-Platzierungen, CPCs und eCPMs.“ Primär überprüft Billetts jedoch vorrangig Branding-Kampagnen.
Qualität der Medialeistung
Ob die Werbemittel im richtigen Umfeld oder doppelt ausgeliefert wurden, überprüft Billetts mithilfe von Thomson Media Control (TMC). „Besonders interessant sind hier die Netzwerkbuchungen. Wir gehen trotz IASH noch mal drüber, es sind ja nicht alle Networks IASH zertifiziert“, sagt Migge. Auch die Gleichmäßigkeit der Werbeauslieferung sei immer mehr ein Thema. „Das ist natürlich von Buchung zu Buchung unterschiedlich, aber es gibt natürlich Kunden, die ihre Kampagnen nach bestimmten Tages- oder Wochenverläufen ausgeliefert haben wollen. Da machen dann Werbeauslieferungen auf den letzten Drücker, am Ende der gebuchten vier Wochen wenig Sinn.“
Bei der Qualität der eingekauften Medialeistung achten die Billetts-Prüfer zudem darauf, ob die Agentur wirklich die Zielgruppe erreicht hat und wie sie die Kampagne dafür geplant hatte. So prüft Migge, wie von der Mediaagentur die Themen Targeting und Frequency Capping berücksichtigt wurden und ob der Einsatz von Targeting für die jeweilige Kampagne überhaupt sinnvoll war. „Ob eine Kampagne die geplante Zielgruppe über ein Targeting wirklich erreichen konnte, das kann man nur über ein Panel überprüfen. Und da gibt es neben dem Media GfK Media Efficiency Panel (MEP) nicht so viele Alternativen am Markt“, sagt Migge.
Stresstest für Vermarkter und Agenturen
Dr. Christian Bachem ist Geschäftsführer des Berliner Strategieberatung Companion. Eigentlich berät Companion schwerpunktmäßig Werbekunden hinsichtlich ihrer Medianstrategien. Zusätzlich hat Companion einen unabhängige Mess- und Reportingservice für Online-Display- und Online-Videowerbung, den Online Media Audit (OMA) entwickelt. Das ist eine Art Belastungs- oder besser „Stresstest“, dessen Ergebnisse die Branche wachrütteln sollte. Bachem legt aber Wert darauf, dass Companion mit OMA kein klassischer Auditor wie beispielsweise Billetts ist. „Da geht es ja vor allem darum, ob die Agenturen richtig eingekauft haben. So etwas machen wir gar nicht. Wir schauen nur auf die operativen Vorgänge.“
Passend zur dmexco 2010 veröffentlichte der OWM die ersten Ergebnisse einer neuen Machbarkeitsstudie, die auf der Arbeit von Companion beruht. „Der OWM ist an uns herangetreten und wollte mehr Klarheit darüber erhalten, an welcher Stelle es zu Abweichungen zwischen gemessenen Auslieferungen und tatsächlichen Anlieferungen der Online-Werbung kommt.“ Dazu hat Companion ein komplett neues Messsystem entwickelt, das mit präparierten Werbemitteln, nicht sichtbaren iFrames arbeitet. „Uns war schnell klar, dass wir dort ansetzen müssen, wo die Werbung ankommen soll, nämlich beim Nutzer. Über den OWM haben wir dann den Piloten gestartet, dessen neue Messmethodik wir nun auch den Werbungtreibenden individuell anbieten“, erläutert Bachem.
Die Ergebnisse waren für die Branche und vor allem den Vermarkter so ernüchternd, dass Arne Wolter, Chef von Gruner + Jahr EMS und OVK-Vizevorstand, bei der Eröffnungsrede auf der Admonster-Veranstaltung in Hamburg mit einem Siebenpunkteplan reagierte. Mit einem Printausdruck des OWM-Reports in der Hand sagte er gegenüber der versammelten Ad-Operator-Gilde: „Wir arbeiten schon gut. Aber wir müssen noch viel besser werden. Der OWM, das sind die Kunden, die uns alle bezahlen. Wenn wir mehr TV-Budget erhalten wollen, dann müssen wir handeln.“ Denn das Ergebnis der OWM-Studie zeigte eklatante Defizite im Display-Advertising, teilweise kamen nur 75 Prozent der bezahlten Medialeistung beim User an.
Den Werbungtreibenden ging es bei der OWM-Studie vorrangig um die auf TKP basierenden Branding-Kampagnen, da es bei Performance-Kampagnen keine Rolle spielt, wie viele Werbemittel ausgeliefert werden. Fast 200 Mio. Ad Impressions für Display- und Video-Ads hatte Companion für den OWM überprüft. Auch Bachem unterscheidet beim Companion-Audit zwischen der quantitativen, „echten“ Audit-Perspektive und der taktischen Perspektive. „Die quantitative Perspektive betrachtet die Auslieferungszahlen der Adserver von Agenturen und Vermarktern und vergleicht diese mit dem, was beim Nutzer im Browser angekommen ist. Die Differenzen können auf einzelner Buchungsebene eklatant sein und bis zu 50 Prozent betragen“, berichtet Bachem.
Die taktische Perspektive befasst sich mit qualitativen Anforderungen der Werbeauslieferungen, wie Sichtbarkeit, Betrachtungsdauer und Auslieferung in den gebuchten Umfeldern. „Gerade bei den Umfeldern haben wir Überraschungen erlebt. Da waren bekannte Qualitätsvermarkter dabei, bei denen wir mit solchen Fehlauslieferungen nicht gerechnet hätten. Ein weiterer Gesichtspunkt ist hier die Markensicherheit. Viele Markenartikler achten sehr genau darauf, dass ihre Werbemittel in den passenden Umfeldern erscheinen.“ Bachem betont übrigens, dass die gewonnenen Informationen zu den Blind Networks nicht an den Werbungtreibenden weitergegeben werden. „Wir könnten zwar die Belegungslisten erzeugen, tun dies aber nicht. Dies würde den Preisvorteil eines Blind Networks ja ad absurdum führen. Wer Blind bucht, bekommt auch weiterhin Blind.“
Targeting ist nicht gleich Targeting
Die Qualität des Zielgruppentargetings hatte Companion zusätzlich untersucht. Companion hatte dazu aus den vorhandenen Daten eines Panels Stichproben im vierstelligen Bereich gezogen und überprüft, ob die ausgelieferte Werbung mit den demografischen Profilen dieser Stichproben übereingestimmt hat. „Es waren alles bekannte Targetinganbieter, doch kam es auch hier zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Es gab Vermarkter, bei denen der Mehrwert ihres Targetings sehr überschaubar war, während bei anderen Anbietern eine deutliche Mehrleistung festgestellt werden konnte.“ Leider wollte Bachem uns nicht sagen, welcher Targetinganbieter besonders gut abgeschnitten hat.
Keine einheitliche Messmethode in Sicht
Wie es nun weitergeht, bleibt auch für Bachem eine spannende Frage. „Natürlich wäre es wünschenswert, wenn OVK, FOMA und OWM sich schnell auf eine Messmethode einigen. Dazu sind aber viele Gespräche auf politischer Ebene notwendig. Meine Erfahrung zeigt, dass so etwas dauern kann. Viele Werbungtreibende werden aber nicht so lange warten und individuell messen lassen.“
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