Video-Vermarktung: Roter Teppich für Mid- und Longtail-Publisher
Jens von Rauchhaupt, 26. November 2010Content-Syndication und Publisher-Aggregation sind derzeit der letzte Schrei in der Bewegtbildvermarktung. Während die Top 50 AGOF Werbeträger sich in diesem Segment entweder selbst oder exklusiv über etablierte Video Ad Networks vermarkten, sieht es im berühmt, berüchtigten Mid- und Longtail ganz anders aus. Hier herrscht Goldgräberstimmung. Das Gold ist eine Vielzahl werberelevanter Webseiten, denen es selbst an Video-Content, der Videoplayertechnologie und dem Zugang zu den Werbegeldern fehlt.
So gefragt waren sie noch nie, die sogenannten Mid- und vor allem Longtail-Publisher. „Kommen lassen“, heißt für sie jetzt die Devise. Und wie sie kommen, die neuen Bewegtbildvermarkter. Sie heißen VoodooVideo, Clipsolution, Clipkit oder auch Castaclip, Videovalis, um nur einige Vertreter zu nennen. Ihr Geschäftsmodell sieht etwa so aus: Man nehme eine zuverlässige Videoplayertechnologie, besorgt eine ausreichende Menge an lizenzierten Video-Content, organisiert die Werbespots und bietet dies als Paket kleinen und mittelgroßen Publishern als zusätzliches Erlösmodell an.
Rundum-sorglos-Paket
Auch für Werbungtreibende könnte diese derzeitige Content-Syndizierung und Publisher-Aggregation von Vorteil sein, um Bewegtbildkampagnen endlich in die Breite der Zielgruppen zu bringen. Hieß es noch vor Kurzem, dass es vor allem an buchbarem Content im Video Advertising fehle, könnten diese neuen Bewegtbildvermarktungsmodelle dieses Problem lösen. Mathias Blüm, Geschäftsführer beim Berliner Videovermarkter Clipkit, spricht von einem „riesigen Potenzial“ außerhalb der AGOF Top 50. „Selbst kleinere Seiten können durch eine nachhaltige und fokussierte Einbindung von Videoinhalten durchaus siebenstellige Videoabrufe pro Monat erzielen. Eine richtige Erschließung von Videoreichweite hat hier meines Erachtens noch gar nicht richtig stattgefunden. Wir wollen mit einem nachhaltigen Konzept den Publishern ein Sorgenfrei-Videopaket aus Streamingtechnologie, Vermarktung und gutem Content anbieten und diese Reichweiten aktivieren.“
Fast alles für den Publisher
Bei der Ausgestaltung der Partnerschaften mit den Publishern zeigen sich die Bewegtbildvermarkter zurzeit sehr flexibel. Man ist eben auf ihre Reichweite angewiesen. Zwei Beispiele: 50 Mio. Video-Views im Monat erzielt Clipkit, 70 Mio. Video-Views gar VoodooVideo. Das ist beachtlich, denn sowohl Clipkit als auch VoodooVideo sind erst dieses Jahr an den Start gegangen. Von Exklusivität mit langer bis Non-Exklusivität mit kürzerer Laufzeit ist bei den Publishervereinbarungen alles dabei. „Jeder Publisher hat seine eigenen individuellen Vorstellungen, für ein schnelles Wachstum muss man hier vertraglich flexibel bleiben“, meint Blüm von Clipkit. Bei VoodooVideo geht man gar ein Stück weiter. Dort verzichtet man ganz auf Laufzeitverträge mit den Webseitenbetreibern. Der Publisher kann dort das VoodooVideo-Publishernetzwerk jederzeit wieder verlassen. Wie hoch der Revenue Share für die Publisher ausfällt, wollte uns keiner der befragten Bewegtbildvermarkter konkret sagen. Von „attraktiven Größenordnungen“ ist die Rede. Offensichtlich hängt ein guter Revenue Share vor allem vom eigenen Verhandlungsgeschick des Publishers ab.
Sabine Jünger, COO von VoodooVideo, hat aber neben dem schnöden Mammon ein weiteres Argument für die Publisher parat: „Wir bieten dem Publisher Zugang zu Premium-Bewegtbildinhalten, auf die er sonst keinen Zugriff hätte.“ Guter Content soll also mehr Besucher auf die Webseite bringen, was wiederum gut für den Vermarkter ist. Eine Win-win-Situation, wenn man so will. Den Premium-Content zu besorgen, das scheint aber neben einer ausgefeilten Videoplayertechnologie eine der größeren Herausforderungen für die Bewegtbildvermarkter zu sein. Dazu gehen sie Kooperationen mir den Produzenten bzw. Lizenzinhabern ein. Da kann es auch schon mal passieren, dass derselbe Content-Geber bei mehreren Vermarktern auftaucht. So hat VoodooVideo gut 60 Video-Content-Partner, darunter dpa, G+J und IDG Entertainment, gewinnen können. Aber auch Castaclip aus Berlin arbeitet mit IDG zusammen; E!Entertainment, Fashion.TV, SPORT1, wetter.com sind die weiteren Content-Partner von Castaclip. „Alles professionelle Content-Produzenten“, sagt Ekow Yankah, Mitgründer und Geschäftsführer von Castaclip.
Laut Blüm ist Clipkit mit etwa 100 weiteren Video-Content-Partnern in Verhandlung und stehe mit einigen kurz vor dem Abschluss. „Von den ganz großen der Branche bis zu sehr spezialisierten Clipinhalten für die Nische ist alles dabei“, sagt Blüm, der aber auch berichtet, dass bei einigen Content-Anbietern einige Überzeugungskraft für dieses zusätzliche Erlösmodell ihrer Inhalte nötig sei. Das mag dem Umstand geschuldet sein, dass es sich oftmals um Content-Anbieter handelt, die ihrerseits über einen Webauftritt verfügen und zuweilen dabei Bauchschmerzen haben, ihren eigenen Unique-Content zur Vermarktung auf anderen Seiten freizugeben. Meist geschieht dies dann einige Tage oder Wochen, nachdem der Content auf dem eigenen Portal zum Abruf angeboten wurde. Somit fehlt es beim Content zuweilen an der nötigen Frische.
Short-form-Content & Werbeformen
Nach eigenen Angaben lassen sich bereits 1.000 Publisher mit Videoplayer, Content und Werbung von VoodooVideo ausstatten, wobei die Content-Videos nie länger als 3 Minuten sind. Short-form-Content nennen das die Bewegtbildvermarkter. „Das ist wichtig. Die User besuchen ja diese Webseiten typischerweise nicht mit dem Vorsatz, um sich Videos anzusehen. Daher darf man sie hier nicht mit zu langem Content konfrontieren“, berichtet Jünger von VoodooVideo. Für die Werbeclips gilt deshalb auch eine ähnliche Regel: 10 bis 15 Sekunden Länge, höchstens 20, „länger dürfen die Werbeclips nicht sein“, so Jünger. Dabei starten bei VoodooVideo die ersten Werbespots immer automatisch vor dem Videocontent. Diese selbstständig startenden Pre-Rolls bezeichnet VoodooVideo auch als Auto-Rolls. „Wir machen kein Click-to-Play, d. h., unsere Auto-Rolls starten selbstständig im Rectangle oder in einem vom Publisher individuell vordefinierten Werbeplatz.“ VoodooVideo liefert die Werbespots zudem nur im sichtbaren Bereich aus.
Sind das InPage Ads?
Bekanntlich hat das Gros der User den Ton bei der Nutzung des Internets ausgeschaltet. Schon aus diesem Grund liegt die Werbewirksamkeit eines selbstständig startenden InPage-Video-Ads deutlich unter der von InStream Ads. Das bestätigte jüngst noch einmal eine neue Vergleichsstudie zur Werbewirkung dieser beiden Werbeformen, deren Ergebnisse Sandra Schmidt von IP Deutschland und Leska Böker von SevenOne Media diese Woche auf der Admonsters OPS Konferenz vorgestellt haben. VoodooVideo sieht aber im eigenen Werbeformat keinesfalls ein InPage Video Ad. Vielmehr handle es sich um eine Art „Zwischenformat“, das sich mit seiner Countdownfunktion, dem Teaserfenster des Contents und dem Aufruf zur Interaktion von einem einfachen InPage Ad deutlich unterscheide. Und tatsächlich: Während ein Standard-InPage-Video-Ad meist nur eine Landing-Page dahintergeschaltet hat, lädt VoodooVideo nach einem Mouseover oder Userklick einen vollständigen Videoplayer nach, auf dem die Werbespots nun in einem Format von 300 x 250 Pixel als InStream Video Ads erscheinen.
Hinsichtlich der angebotenen Werbeformen gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Bewegtbildvermarktern. VoodooVideo setzt auf Pre- und Post-Rolls sowie einem Overlay, das im Contentstream auf Interaktion des Nutzers bildschirmfüllend expandiert. Mit einem TKP-Nettopreis unter 10,– Euro handelt es sich bei VoodooVideo eher um eine Low-Price-Strategie. Sabine Jünger erläutert dazu: „Wir wollen maximale Reichweite zum Niveau von TV-Preisen auf möglichst einfache Weise anbieten. Darum geht es in diesem fragmentierten Markt.“ Ein ähnliches Preismodell bietet Castaclip mit 15,– bis 20,– Netto-TKP. Doch anders als beim Wettbewerber arbeitet Castaclip ohne Autostartfunktion. Stattdessen erscheint im Rectangle ein Standbild des Contentvideos, versehen mit Zusatzinformationen zum Inhalt.
Bei Clipkit können Advertiser hingegen neben allen gängigen Bewegtbildwerbeformate – Pre-Roll, Mid-Roll, Post-Roll und Overlay Ads – auch Video Interstitials buchen. Auch ausgefallene Formate wie etwa 360-Grad-Ads oder Inskin Ads sind möglich. Die Preise liegen hier zwischen 30,– und 50,– Euro Brutto-TKP. Im Gegensatz dazu bietet Clipsolution, der neue Bewegtbildvermarkter von Adselect und mov.ad den Advertisern nur Pre- und Post-Rolls an. Bei der Buchung wird dem Werbepartnern zwar das Netzwerk offengelegt, „eine Direktplatzierung ist jedoch ausgeschlossen, das heißt Run-over-Network- oder Run-over-Channel-Buchungen sind bei uns an der Tagesordnung“, sagt Ralf Hammerath, Geschäftsführer von Clipsolution, die Content-Beiträge aus den Bereichen Entertainment, Technik, Kochen, Celebrity, Games und Automotive syndizieren.
Sichere Umfelder für Ihre Marke?
Während also die Publisher mit ihrem Traffic äußerst gefragt sind, muss sich ein Werbungtreibender auch sicher sein können, wie es auf solchen Seiten um die Sicherheit seiner Marke steht. Schließlich sind einige Vertreter wie etwa VoodooVideo reine Blind Networks, d. h., auch wenn die VoodooVideo-Publisher zu 80 Prozent AGOF-zertifiziert sind, bucht der Advertiser hier nach 12 Umfeldkategorien und erhält erst danach ein Reporting, das darüber Aufschluss gibt, wo und wie oft sein Werbespot gelaufen ist. „Brandsafety ist für uns ein zentrales Thema“, sagt Jünger von VoodooVideo. „Daher arbeiten wir diesbezüglich mit Nielsen zusammen, die eine Vorauswahl an brand-safe-zertifizierten Webseiten treffen. Zudem überprüfen wir selbst noch mal jede einzelne Webseite auf ihre Markensicherheit.
Ein wenig anders sieht dies bei Clipkit aus, hier sind auch Direktbuchungen und Rotationsbuchungen in einem Portfolio aus bekannten Seiten möglich. Aber auch bei Clipkit schaut man lieber doppelt hin, wie Blüm erläutert: „Die Publisher werden ausgewählt, geprüft, mit einem Vertrag versehen und mit einem Account im System angelegt. Hierüber findet eine klare Auswahl statt, die Publisher müssen zudem garantieren, dass ihre Sites keine fragwürdigen Inhalte oder Links zu anstößigen Angeboten enthalten. Somit ist eine ‚brand safeness‘ gegeben. Es gibt kein ‚wildes embedding‘ unseres Players, jeder Partner wird kontrolliert.“
Berlin füttert Münchener Marktplatz mit Content
Nun hat auch AdScale einen eigenen Marktplatz nur für Videowerbung aufgemacht. Dieses Marktplatzmodell könnte wiederum den Long-Tail-Bewegtbildvermarktern das Wasser abgraben. Umso verwunderlicher erscheint es, dass Castaclip und Clipkit den Münchener Videomarktplatz zum Start mit Videocontent versorgen und nunmehr als Partner von AdScale auftreten. Ekow Yankah von Castaclip erklärt: „In AdScale haben wir einen potenten und gut vernetzten Partner gefunden, der unseren Content-Providern den Zugang zu einer immensen Publisher-Reichweite ermöglicht. Umgekehrt profitiert der neue AdScale-Video-Marktplatz von unserem hochwertigen Video-Content-Pool und unserer effizienten Syndizierungs- und robusten Streamingplattform, die mithilfe von Schnittstellen nahtlos in das AdScale-System integriert wurde."
Schädigen die beiden Berliner Unternehmen damit nicht ihr eigenes Geschäftsmodell? Mathias Blüm von Clipkit sieht das nicht so. „Wir sind aktuell in einer starken Wachstumsphase. Starke Partnerschaften sind dann intelligent, wenn man schnell skalieren möchte. Da wir die via AdScale ausgespielten Video-Views selbst vermarkten können, passt die Kooperationen zu unserer Strategie aus eigenem Netzwerk und intelligentem Partnering. Wir werden auch weitere sinnvolle Vermarktungskooperationen abschließen.“ Auch bei VoodooVideo, die nicht mit AdScale zusammenarbeiten, wächst das Publisher-Netzwerk stetig weiter und Sabine Jünger berichtet von einem großen Zuspruch aufseiten der Publisher. Offensichtlich gibt es noch reichlich werberelevante Webseiten, denn bis Ende 2011 will VoodooVideo bei 2.000 Publishern lizenzierten Video-Content mitsamt der Werbung ausliefern können. „150 Mio. Video-Views pro Monat bis Ende 2011. Das ist unser selbstgestecktes Ziel“, sagt Jünger.
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