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„Social Media ist Kommunikation für die Langstrecke.“

Rupert Turner, 26. November 2010

Was sich viele PR-Manager wünschen, besitzt Thomas Sprenger bereits: Erfahrungen im Aufbau und der Pflege einer an Social Web und Google orientieren PR. Seit Januar 2010 managt Sprenger für PIRONET NDH Datacenter eine solche Kommunikationsstrategie. Im Interview gibt er Einblick in seine Praxis im Social-Media-Management.

Adzine: Herr Sprenger, Sie verantworten in der PR von Pironet NDH das Social-Media-Management. Bezeichnen Sie sich als hauptberuflichen Social-Media-Manager?

Thomas Sprenger, Pironet NDH

Thomas Sprenger: Nein, genauso wenig wie ich mich als Manager für Pressemitteilungen oder Mailings begreifen würde. Ich bevorzuge den bewährten Begriff des PR-Fachmanns, weil sich meine Kernaufgabe nicht geändert hat: die Kommunikationsziele meines Unternehmens zu definieren und zu erreichen. Maßnahmen im Social Web sind ein Teil der Unternehmenskommunikation, allerdings mit neuen und für viele Berufskommunikatoren ungewohnten Anforderungen.

** Welche wären das?

Thomas Sprenger: Kommunikationsfachleute müssen sich nun mit neuen Werkzeugen auseinandersetzen wie Suchmaschinenoptimierung oder Online-Werbung. Ein wichtiger und häufig vernachlässigter Punkt ist das Controlling, das sich die technischen Möglichkeiten des Webs tatsächlich zunutze macht. Ihre schwierigste neue Aufgabe ist, Leser zu binden und Nutzerengagement zu initiieren – bisher eine Aufgabe von Journalisten und Verlagen.

Adzine: Ist das Social-Media-Management in der PR gut aufgehoben?

Thomas Sprenger: Ganz gleich, ob im Marketing oder in der PR: Es sollte Teil einer integrierten Kommunikation sein, also abgestimmt mit Bereichen wie Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit. PR-Fachleute können wichtige Kompetenzen einbringen, etwa bei Konzeption und Themenmanagement – gerade in redaktionellen Medien wie Weblogs. Anders als Marketiers sind PR-Leute in der Regel darauf trainiert, Leser mit relevanten Inhalten anzusprechen, die journalistischen Maßstäben genügen.

Adzine: Wie viele Leute in Ihrem Unternehmen sind für die Online-Kommunikation zuständig?

Thomas Sprenger: Innerhalb unserer Abteilung sind eine Kollegin und drei Kollegen für sowohl Print- als auch Online-Marketing und -PR verantwortlich. Das ist viel Arbeit, denn wir haben unsere Aufschlagflächen im Web seit Januar vervielfacht. Wir betreiben nun einen Themenblog, veröffentlichen Videos auf unserem YouTube-Kanal und wir twittern. Daneben kümmern wir uns natürlich auch um die klassischen Aufgaben wie Pressearbeit, Verkaufsförderung und Marketing.

Adzine: Holen Sie sich für diese Aufgaben externe Unterstützung?

Thomas Sprenger: Das machen wir. Aber Publizieren und Kommunizieren im Social Web lässt sich nur schwer delegieren. Bei einem Blog ist doch gerade der Witz, dass es die persönliche Sichtweise und Kompetenz seines Herausgebers ausdrückt. In unserem Fall eines Unternehmens. Im Social Web ist derjenige glaubwürdig, dessen persönliche Sichtweise und – ganz wichtig – dessen Interesse sichtbar ist. In den Massenmedien gewährleisten redaktionelle Gatekeeper durch ihre Auswahl der Inhalte Relevanz. Auf unserem Blog bürgt niemand für uns. Wir haben nur unsere Stimme. Das soll nicht pathetisch klingen. Aber wie willst du das outsourcen? Hinzu kommt: Kommunizieren im Web ist wie Autofahren: Wer nur theoretisch Bescheid weiß und andere machen lässt, lernt es nie. Man braucht viel Übung und Erfahrung, um gut zu werden. Unser Ziel ist: uns ein eigenes publizistisches Profil zu erarbeiten und daraus auch Themen für die übrige Unternehmenskommunikation zu gewinnen, zum Beispiel für die Pressearbeit. Dafür holen wir uns auch externe Unterstützung, aber den Lernprozess wollen wir selbst durchlaufen.

Adzine: Wie wichtig ist für Sie SEO und SEM in der PR?

Thomas Sprenger: Sehr wichtig. Aber das muss ich differenzieren: Strategisch richten wir unsere gesamte Kommunikation auf ihre Sichtbarkeit bei Google aus. Nahezu jeder Neukunde nimmt uns mittlerweile über Google wahr. Für uns gilt: Unsere Primärzielgruppen, also Interessenten, kommunizieren zu unseren gemeinsamen Themen nur zu einem geringen Prozentsatz in Social Networks oder auf Twitter. Unsere Aktivitäten im Social Web schlagen sich aber besonders positiv bei Google nieder und dort stoßen dann potenzielle Interessenten auf unsere Webspuren. In diesem Zusammenhang nutzen wir Suchmaschinenoptimierung als technisches Instrument.

Zur SEO gehört auch, dass wir unsere Pressemitteilungen auf PR-Portalen veröffentlichen. Dass ein Journalist dort über unsere Texte stolpert, ist unwahrscheinlich. Doch die im Web kostenfrei verteilten Meldungen tauchen nicht selten weit vorne unter den regulären Suchtreffern bei Google auf. Und dort finden sie dann weniger Journalisten als potenzielle Interessenten. Viele Besucher unserer Website fanden so über die Pressemitteilungen im Web zu uns. Insofern sind Pressemitteilungen immer auch „Google-Meldungen“.

Manchmal hat SEO aber etwas von Kaffeesatz-Leserei. Zudem hat es seine Grenzen: Ich weigere mich, im Blog vor allem für eine Maschine zu schreiben. Viel wichtiger ist guter Content. Trotzdem recherchiere ich dafür in Keyword-Tools, notiere gute Begriffe aus Kundengesprächen und recherchiere in Zeitschriften. Suchmaschinenwerbung betreiben wir über Google Adwords. Dort buchen wir Anzeigen für Produkte wie auch für Themen, die wir in Blogbeiträgen behandeln. Unsere Adwords speisen sich also auch aus unserer Themenarbeit, deshalb kümmere ich mich als PR-Manager um SEM.

Adzine: Betreiben Sie Webanalyse für die PR?

Thomas Sprenger: Ja, wir beschäftigen uns intensiv mit Webcontrolling. Dabei unterscheiden wir nicht zwischen Marketing und PR. Als Tools verwenden wir Google Analytics und WiredMinds. Dabei hinterfragen wir sehr genau, durch welche Leistungsindikatoren wir stichhaltige Aussagen über unseren Kommunikationserfolg gewinnen. Man läuft schnell Gefahr, sich angesichts vieler Zahlen etwas vorzumachen. Die Frage ist immer, welche Werte liefern die harte Währung echten Nutzerengagements? Für das Kommunikationscontrolling sind Webanalyse-Tools ein Segen. Erfolgsmessung in der Kommunikation ist ein schwieriges Thema, eben weil sich Wirkung hier nicht einfach auf einer Messskala abbilden lässt. Das Internet bietet uns den Vorteil, Kommunikation von vornherein in technischen Schaltzuständen abzubilden, die sich sehr wohl messen lassen. Insofern ist Webcontrolling Pflicht für alle Unternehmenskommunikatoren. Gut aufbereitetes Zahlenmaterial liefert beispielsweise in Budgetverhandlungen wichtige Argumente. Allerdings betrachten viele Kommunikatoren, gerade in der PR, Webcontrolling als Randthema. Gern begnügt man sich dann mit der bloßen Messung von Seitenzugriffen, ohne die Nutzungszahlen wirklich mit Blick auf die Kommunikationsstrategie zu interpretieren.

Für unseren nächsten Relaunch überlegen wir, Webcontrolling und Zielgruppendefinitionen zu verschmelzen, und zwar durch eine sogenannte Persona-Analyse. Hierbei werden Nutzergruppen gebildet, die durch einen fiktiven, zugleich sehr konkret gestalteten Archetypen – eine Persona – vertreten werden. Jede Persona steht dann für einen bestimmten Nutzertypus, erhält einen Namen sowie ein persönliches Profil, das Nutzungsverhalten, eigene Ziele und unsere Ziele für diese Persona abbildet. Das sieht aus wie ein Steckbrief. Nicht mehr als eine Seite, die man sich gut über den Schreibtisch hängen kann. So können wir uns täglich bei unseren Online-Aktivitäten fragen: Was kann ich dieser Persona heute Gutes tun? Letztlich geht es darum, im Echtzeitweb schneller und intuitiver die Interessen unserer Zielgruppen anzusprechen. Vereinfachung ist hier das Schlüsselwort.

Adzine: Für erfolgreiche Online-PR im Social Web sollte man sich von der Perspektive der Produkt-PR lösen. Wie gehen Sie hier vor?

Thomas Sprenger: Wer ausschließlich über seine Produkte redet, kann im Web weder Leser binden noch Anschlusskommunikation hervorrufen. Und man verspielt den Agilitätsvorteil, den das Social Web mit seinen Publikationsforen bietet. Ein Beispiel, wie man es anders – themenorientiert – machen kann: Die Marktforscher der Experton Group erarbeiteten eine Marktstudie zu Anbietern von Cloud-Computing-Lösungen, zu der auch wir befragt wurden. Als die Ergebnisse auf einer Pressekonferenz der Fachpresse vorgestellt wurden, waren wir dabei; ich berichtete direkt von der Pressekonferenz per Blog und Twitter. Zeitgleich verschickten wir eine Pressemitteilung mit einer Stellungnahme unseres Hauses zu den Studienergebnissen. Wir waren die einzigen, die gewissermaßen in Echtzeit auf die Veranstaltung reagierten. Dadurch hatten wir die Lufthoheit zu diesem Thema bei Google und dementsprechend gute Resonanz in den Medien. Hätten wir unsere Maßnahmen auf den klassischen Versand einer Pressemeldung beschränkt, wären wir bei Google allenfalls unter „ferner liefen“ aufgetaucht.

Adzine: Welches Feedback bekommen Sie auf Ihr Social-Media-Engagement?

Thomas Sprenger: Als Erstes erhielten wir positive Rückmeldungen von Kolleginnen und Kollegen aus unserem Unternehmen und aus den Schwesterfirmen, die sich über die ungewohnte Darstellung ihres Unternehmens im Web freuten. Trotzdem: Für manche sind Social Networks, Blogs und Twitter nach wie vor Neuland, sodass wir auch intern für unsere Plattformen Überzeugungsarbeit leisten müssen. Das hängt damit zusammen, wie Unternehmenskommunikation – auch bei uns – bislang aufgefasst wird: als primär nach außen gerichtete Werbung, die zentral gesteuert wird und die Aufgabe einer einzelnen Abteilung ist. Darum gehört eine begleitende interne Kommunikation notwendig dazu, wenn man betriebsintern Leser und Autoren für das eigene Blog gewinnen will. Hier müssen Unternehmen Ausdauer beweisen. Social Media ist Kommunikation für die Langstrecke.

Über Thomas Sprenger: Thomas Sprenger ist Presse- und PR-Manager bei PIRONET NDH Datacenter, ein Dienstleister für Lösungen zu ITK-Outsourcing, Software as a Service und Cloud Computing. Hauptzielgruppe sind mittelständische Unternehmen.

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Rupert Turner ist freier Autor für ADZINE