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ECOMMERCE

Verkaufen auf Facebook: ein zusätzlicher Kanal

Frank Puscher, 14. Oktober 2010

Julia ist auf Facebook. Welch eine Überraschung – alle sind auf Facebook. Ja, aber Julia ist anders. Julia ist keine 18-jährige Abiturientin aus Kassel, die gerade Freunde für ein soziales Jahr in Israel sucht. Nein, die hier gemeinte Julia ist eine Hotel-Buchungsplattform. Die Facebook-Nutzer sollen direkt innerhalb des sozialen Netzwerks eine Buchung abschließen können. Und am besten buchen sie gemeinsam mit Freunden.

Julia ist eine Erfindung von Hendrik Maat. Der rührige Holländer beschäftigt sich bereits seit Jahren damit, die Auslastung der Hotels seiner Kunden durch Onlinebuchungen zu verbessern. Angefangen hat er als klassische Webagentur, die hübsche Hotel-Websites auf die Beine stellt. Inzwischen spezialisiert sich Maat mehr und mehr auf das Verkaufen via Facebook. Neben Julia bietet er ein Produkt namens ShopShare an, einen voll integrierten Facebook-Shop.

Mehr Gäste durch Facebook? Prototyp der Hotelbuchungsplattform Julia auf Facebook

Entwicklungskooperation

Zu besichtigen ist ShopShare derzeit zum Beispiel auf dem Facebook-Profil von Fahrrad.de. Der umtriebige Zweirad-Händler mit Hauptsitz in Stuttgart eröffnete im August kurzerhand die nächste Online-Filiale direkt auf Facebook. Fahrrad.de-Fans sparen bei jedem Kauf im Facebook-Store 10 Prozent.

Die Kooperation von ShopShare und Fahrrad.de ergab sich eher zufällig. „Ich wollte eigentlich das US-System von Payvment einsetzen“, erläutert Steffen Rochau, verantwortlich für Video und Social Media bei Fahrrad.de. „Ich habe mehrfach versucht, dort jemand zu erreichen, aber es ging niemand ans Telefon. Bei ShopShare genügte eine E-Mail, und die haben reagiert.“

Die Zusammenarbeit entpuppte sich als Glücksfall. Zwar wollte die InternetStores AG – der Betreiber von Fahrrad.de – nicht großartig in Shop-Software für Facebook investieren, ohne zu wissen, ob die Kunden das Angebot annehmen würden, doch war man bereit, als Referenzkunde zur Verfügung zu stehen und Manpower einzubringen. Für Hendrik Maat bedeutete das, dass er den Shop „am lebenden Organismus“ weiterentwickeln konnte, ohne sofort Vertragsstrafen zu riskieren.

Typisch für Fahrrad.de erfolgte die Implementierung des Shops. Die erste Version wurde zügig im Netz freigeschaltet, allerdings ohne Marketing. Aktuell wird die Software optimiert und dazu werten Rochau und Maat das Nutzerfeedback systematisch aus. So zeigte der Shop in der ersten Ausbaustufe tatsächlich eine Rubrik namens „Ausverkauft“ an. Dieser Fehler wurde behoben, inzwischen heißt die Rubrik „Restposten“.

10 Prozent Rabatt auf Dauer sollen Facebook-Fans in den Shop von Fahrrad.de locken

Bezahlt wird im Facebook-Laden – der alle 12 000 Produkte des Sortiments anzeigen kann – mit PayPal. Weitere Schnittstellen sind in Vorbereitung. Und auch ein Trusted-Shops-Logo will der Shop demnächst präsentieren und somit dem Kunden zeigen, dass man verantwortungsvoll mit den erhobenen Daten umgeht.

Im Ergebnis ist der Shop von Fahrrad.de derzeit noch etwas nüchtern anzusehen. Der Nutzer kann die Details zu einzelnen Produkten ansehen und deren Fotos vergrößern. Per Klick auf den „Einkaufswagen“ gelangt das Produkt in den Warenkorb und von dort führt eine lineare Navigation in den Check-out. An der Seite mit den Versanddetails muss das Team Rochau/Maat noch arbeiten. Derzeit verunzieren zwei ineinander verschachtelte Inlineframes die Seite.

„Wir stehen noch am Anfang“, meint Projektleiter Steffen Rochau. „Derzeit ist der Facebook-Store ein zusätzlicher Kanal, nicht mehr und nicht weniger.“ Die ersten Bestellungen gehen bereits ein.

Facebook-Integration

Überraschenderweise zeigt der Facebook-Store von Fahrrad.de derzeit keine Like- oder Share-Buttons. Ganz anders als das Hauptgeschäft auf Fahrrad.de. „Facebook erlaubt die Integration von Like-Buttons nicht in eine Shopanwendung“, so Rochau. Der geneigte Nutzer kann also nur den Shop an sich per Like weiterempfehlen, nicht aber das einzelne Produkt.

Freilich hat diese Situation auch einen Vorteil: In puncto Datenschutz muss man sich keine Sorgen machen, weil Daten zu Facebook in die USA übertragen werden. Der Münchner Rechtsanwalt Thomas Helbing ist der Auffassung, dass die Sitebetreiber zumindest in ihren AGB klar kommunizieren müssen, dass sie Daten in die USA transportieren, sobald Share- oder Like-Buttons auf den Seiten zu finden sind (siehe Links). Das gilt übrigens auch für alle anderen Social Plug-ins.

Ohnehin ist sich Rochau nicht wirklich sicher, wie viel Werbung die Nutzer über Like und Share transportieren wollen. Schließlich könnten solche Empfehlungen für die Freunde ja nervig sein. Spannender sind Community-Aktionen, deren frohe Kunde sich viral verbreiten soll. „Wir werden unsere treuesten Fans einladen, Produktneuheiten der kommenden Saison vorab mit uns zu testen“, so der Stuttgarter. Einer der Pläne auf der To-do-Liste von Stefen Rochau ist ein White-Label-Shop, den die Nutzer in die eigenen Seiten integrieren und vom Verkauf profitieren können.

Durch die komplette Integration eines Webshops in Facebook ist jeder Shopbetreiber freilich sehr schnell in der Lage, Aktionen aus der Welt des Social Commerce oder Live-Shopping abzubilden. So könnte er ein Promotionprodukt nur für eine Stunde zu besonders günstigen Konditionen anbieten oder ein bestimmter Preis kommt erst zustande, wenn eine bestimmte Anzahl an Nutzern bereits ist zu kaufen. Das Groupon-Konzept also.

Vielleicht ist der Shop aber einfach nur Treiber der Facebook-Seite. Durch den 10%-Bonus wird er auch viele Fahrrad.de-Bestandskunden von sich einnehmen und zu Fans der Seite machen. Die Plattform ließe sich dann als Marketinginstrument für Fahrradmarken nutzen.

Wie weit man die Facebook-Integration treiben kann, zeigt der aktuelle Onlineshop von Levis.com. Dort werden nicht nur absolute Zahlen von Likes angezeigt und die passenden Gesichter eingeblendet. Auf der rechten Seite sind die Gesichter der Freunde zu sehen, die demnächst Geburtstag haben. Und es gibt in der Kopfleiste einen Navigationsbutton, der zwischen der Ansicht „Everyone“ und „Friends“ unterscheidet. Der Shop lässt sich also so konfigurieren, dass man die Produkte bevorzugt sieht, die Freunde empfohlen oder gekauft haben. Interessanterweise ist ein Jeans-Store für diesen Ansatz vielleicht sogar zu speziell. Eine ähnliche Funktion in einem Buchladen hat deutlich höheres Potenzial.

Fazit

Apropos Buchhandel: Eine der spannendsten Kooperationen in diesem Segment wurde zwischen Amazon und Facebook geschlossen. Die Integration trägt bereits erste Früchte, wie Marcel Weiß von Exciting Commerce zu berichten weiß (siehe Links). Der Weg geht hin zum Personal Shopping Network

Wer mit dem Thema erste Erfahrungen sammeln will, sollte die drei Anbieter ShopShare, MySign (Schweiz) und natürlich den US-Boliden Payvment genauer unter die Lupe nehmen. Das macht allerdings nur Sinn, wenn bereits Potenzial auf Facebook zu entdecken ist. Entweder haben Sie selbst zahlreiche Fans oder das Thema Ihres Shops ist jetzt bereits auf Facebook im Gespräch. Andernfalls wäre die Integration von Like-Buttons unter Zuhilfenahme der Open-Graph-Tags im eigenen Shop der erste Schritt.

Oder sie gehen einen ganz anderen Weg, so wie Diesel-Jeans. Dort überträgt eine Webcam ein Livebild aus der Garderobe auf Wunsch ins eigene Facebook-Profil. Die Freunde können dann mitteilen, ob das neue Outfit gefällt.

Über den Autor/die Autorin:

Frank Puscher arbeitet seit über 20 Jahren als Journalist in der Online-Branche. Er schreibt regelmäßig für Publikationen wie ADZINE, InternetWorld Business, Ct, Internet-Magazin oder die Absatzwirtschaft. Seine Lieblingsthemen sind Usability, E-Commerce und Online-Marketing. Seit 12 Jahren arbeitet Puscher außerdem als Moderator auf Online-Veranstaltungen. Außerdem berät er Unternehmen und öffentliche Institutionen im Umgang mit Online-Marketing und Social Media.