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SEARCH MARKETING - RECHT

Marken-Keywords: Google passt Richtlinien an

Martin Schirmbacher, 6. August 2010

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs aus dem März dieses Jahres über die Verwendung von Markennamen im Suchmaschinenmarketing nimmt Google zum Anlass, seine Markenrichtlinien in Europa zu ändern, wie das Unternehmen gestern bekannt gab. Die Neuerung, die am 14. September in Kraft tritt, erlaubt es Unternehmen, geschützte Begriffe als Keywords bei Google zu buchen, wenn sie in Europa Anzeigen schalten. Bisher konnten Markeninhaber bei Google Beschwerde einreichen, um zu verhindern, dass bei der Eingabe ihrer eigenen Marke fremde Anzeigen geschaltet werden.

Google passt mit der Änderung die Vorgehensweise in Europa an seine Markenrichtlinie in den meisten anderen Ländern der Welt an. In den USA und Kanada können Inserenten schon seit 2004 fremde Markenbegriffe verwenden, in Großbritannien und Irland seit 2008.

Ist der Markeninhaber allerdings der Auffassung, dass ein anderes Unternehmen mit einer geschalteten Anzeige die Nutzer in die Irre führt, kann er bei Google aber nach wie vor eine Beschwerde einreichen. Nutzer könnten beispielsweise durch Anzeigen verunsichert werden, die auf Webseiten führen, die fälschlicherweise den Eindruck erwecken, zum Markeninhaber zu gehören oder geschützte Markenprodukte oder -dienstleistungen zu verkaufen. Ist dies nach Überprüfung durch Google der Fall, würde die Anzeige entfernt.

„Der Europäische Gerichtshof hat bestätigt, dass es konform mit dem bestehenden Markenrecht ist, wenn unsere Anzeigenkunden auf Keywords bieten dürfen, die den Handelsmarken anderer Unternehmen entsprechen“, erläutert  Stefan Tweraser, Country Director von Google in Deutschland.

Das Urteil wirklich ein Freifahrtschein?
Das Urteil bezieht sich allerdings in erster Linie auf Google als Betreiber des Werbemodells. Denn der EuGH hat entschieden, dass Google keine Markenrechtsverletzung begeht, wenn es die Nutzung fremder Marken in seinem AdWords-System zulässt (Az. C-236/08 bis 238/08).

Doch der Reihe nach: In dem zugrunde liegenden Fall gingen mehrere Markeninhaber gegen Google vor, weil Google zuließ, dass gezielt AdWords-Werbeanzeigen eingeblendet wurden, wenn Nutzer in das Google-Suchfeld einen Markennamen eingaben. Verklagt wurden also nicht die Betreiber der Websites, sondern Google als der Anbieter des AdWords-Dienstes. Der Ausgangsstreit spielt vor französischen Gerichten. Das vorlegende Gericht war der Cour de Cassation in Paris.

Die Klage gegen Google blieb ohne Erfolg. Der EuGH hat geurteilt, dass Google die Marke selbst nicht im geschäftlichen Verkehr nutze, sondern allenfalls Dritten die Verwendung des Markenbegriffs gestatte. Dies reiche nicht für eine Rechtsverletzung durch Google selbst. Ob Google für mögliche Rechtsverletzungen seiner Kunden hafte, sollten die Gerichte der Mitgliedstaaten, in dem Fall also Frankreich, klären.

Die Chancen hierfür stehen aus Sicht der Markeninhaber aber nicht besonders gut, weil zugunsten von Google auch die Hostprovider-Privilegierung der E-Commerce-Richtlinie stünde. Dies gelte jedenfalls dann, wenn – wiederum beurteilt nach nationalem Recht – der Dienst rein technischer, automatischer und passiver Art ist und der Anbieter weder Kenntnis noch Kontrolle über die weitergeleitete oder gespeicherte Information besitzt.

Markeninhaber und Werbetreibende
Allerdings lassen die Richter den Markeninhabern ein Hintertürchen offen: Im Einzelfall könne nämlich dennoch eine Beeinträchtigung der „herkunftsweisenden Funktion der Marke“ vorliegen. Damit sind die Werbetreibenden noch nicht gänzlich aus der Schusslinie, die auf die fremden Marken buchen. Hier stellt der EuGH nämlich zunächst fest, dass in der Verwendung der Marke als Keyword durch den Werbetreibenden eine Benutzung der Marke für Waren oder Dienstleistungen im Sinne der Europäischen Markenrechtsrichtlinie liege. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass die Verwendung der Marke für den Internetnutzer nicht unmittelbar sichtbar sei.

Eine Rechtsverletzung durch die Werbetreibenden komme jedoch nur in Betracht, wenn durch die Nutzung der Marke eine wesentliche Funktion derselben beeinträchtigt werde. Dies sei jedoch nur der Fall, wenn „aus der Anzeige für einen normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzer nicht oder nur schwer zu erkennen ist, ob die in der Anzeige beworbenen Waren oder Dienstleistungen von dem Inhaber der Marke … oder vielmehr von einem Dritten stammen.“ Dies zu entscheiden, sei Sache der nationalen Gerichte.

Wer mit fremden Marken werben will, muss also durch die Gestaltung der Anzeige oder auf andere Weise deutlich machen, dass die von ihm angebotenen Waren oder Dienstleistungen nicht im Zusammenhang mit dem gebuchten Keyword stehen, sondern gegebenenfalls ein Konkurrenzprodukt sind.

Ob darauf tatsächlich in der Anzeige hingewiesen werden muss oder sich das auch aus den Umständen ergeben kann, lässt der EuGH auch nach den inzwischen ergangenen Entscheidungen zu BergSpechte und Bananabay offen. Vieles spricht für Letzteres. Erscheint die als Keyword gebuchte fremde Marke nicht im Anzeigentext und ist auch eine anderweitige Verbindung nicht herstellbar, spricht alles dafür, dass in die Herkunftsfunktion der Marke nicht eingegriffen wird. Der EuGH erwähnt die deutliche Trennung zwischen organischer Suche und Werbeanzeigen nur am Rande. Hier dürfte jedoch ein entscheidender Punkt liegen. Ist die Trennung für jedermann sichtbar, liegt eine gedankliche Verbindung zwischen dem Markeninhaber und den von dem Wettbewerber beworbenen Produkten fern.

Zulässig ist daher nach dem EuGH Urteil die Buchung fremder Marken als Keyword, wenn jeder Eindruck einer Verbindung zum Markeninhaber vermieden wird. Taucht die Marke in der Anzeige nicht auf und muss der User auch sonst nicht annehmen, dass die beworbenen Waren oder Dienstleistungen von dem Markeninhaber stammen, ist die Werbung markenrechtlich zulässig.

Unzulässig ist demgegenüber eine Werbung, wenn beim unbefangenen Publikum der Eindruck entsteht, es werde für Produkte geworben, die von dem Markeninhaber stammen. Auch Shops, die die Marke nicht selbst führen, aber im Anzeigentext damit werben, handeln markenrechtswidrig, weil der Nutzer annehmen wird, dass eine Verbindung zwischen Marke und Werbenden dahingehend besteht, dass der Shop eben jene Marke im Angebot hat.

Neben den markenrechtlichen Ansprüchen bestehen in einigen Konstellationen auch wettbewerbsrechtliche Möglichkeiten, gegen den Werbenden vorzugehen. Wird etwa gezielt eine Domain als Keyword gebucht, liegt es nahe, eine wettbewerbswidrige Behinderung anzunehmen. Auch irreführende Anzeigen, die mit fremden Marken werben, sind denkbar.

Das letzte Wort zum Keyword-Advertising ist noch nicht gesprochen. Für Deutschland darf man mit einer Vielzahl von Einzelfallentscheidungen rechnen, die nach und nach die Worte des EuGH für die Praxis übersetzen.

Fazit
Das Hintertürchen für die Markeninhaber scheint insgesamt nur einen Spalt breit offen zu sein, weil nur klare Verstöße sicher zu verfolgen sind. Konkurrenten, die auf die fremde Marke buchen und dabei jeden Eindruck einer Zusammengehörigkeit mit dem Markeninhaber vermeiden, sind in Zukunft auf der sicheren Seite.

Über den Autor/die Autorin:

Dr. Martin Schirmbacher ist Fachanwalt für IT-Recht bei Härting Rechtsanwälte in Berlin. 2010 erschien sein Praktikerhandbuch "Online Marketing und Recht".