Auftrag Besucherrückholung - Interview mit Robert Lang, Criteo
Rupert Turner, 12. August 2010Das Unternehmen Criteo hat erst vor einigen Monaten seinen Hauptsitz von Paris nach Palo Alto verlegt und will neben dem europäischen nun auch den amerikanischen Markt aufrollen. In einer neuen Finanzierungsrunde sammelte Criteo sieben Millionen Dollar von Bessemer Venture Partners (BVP) ein und bringt es damit auf ein Gesamt-Funding von 24 Millionen Dollar. Spezialisiert ist Criteo auf das Retargeting von Shopbesuchern.
Zum Retargeten braucht man für gewöhnlich ein digitales Nutzerprofil und Zugriff auf möglichst viel Online-Inventar, um den markierten Nutzer auch mit großer Wahrscheinlichkeit wiederzufinden. Retargetinglösungen werden heute von den meisten Ad-Networks, aber auch von den meisten Adserver-Anbietern als Funktionalität angeboten. Criteo ist bislang allerdings der einzige Anbieter oder das einzige Network, das ausschließlich auf Retargeting-Traffic für seine Kunden setzt. Ich sprach mit Robert Lang, Geschäftsführer Criteo in Deutschland.
Adzine: Criteo ist bereits vor einigen Monaten in Deutschland mit einer Retargeting-Lösung für E-Commerce-Unternehmen gestartet. Retargeting ist aus technischer Sicht keine Neuheit, können sie uns erklären, worin der besondere Ansatz von Criteo besteht und der Reiz, ausschließlich auf das Retargeting zu setzen?
Lang: Criteo ist ein hochspezialisierter Traffic-Lieferant für Unternehmen mit Fokus auf Onlinetransaktionen. Retargeting an sich ist in der Tat nicht neu, aber die Ergebnisse, die Criteo aufgrund seiner ständig weiterentwickelten Technologie liefern kann, gepaart mit der hohen Skalierbarkeit bedeuten faktisch eine Alleinstellung im Markt.
Die meisten anderen Anbieter konzentrieren sich eher auf segmentiertes Retargeting, bei dem der Werbetreibende/die Agentur die Segmente, z.B. Nutzersegment „Luxushotel-Sucher“, selbst definieren muss und für jedes Segment und darüber hinaus auch die Werbemittel zu erstellen hat. Criteo generiert individuelle Produktempfehlungen aus dem Nutzerverhalten heraus. Der wesentliche Unterschied von Criteo jedoch liegt in unserer Technologie: Wir bringen Nutzer anhand von hoch relevanten und personalisierten Produktempfehlungen wieder zurück auf die Webseite von unseren Kunden – wo sie dann den unterbrochenen Kauf abschließen. Criteo schließt die Wertschöpfungskette im Performancemarketingmix eines E-Commerce Unternehmens und bringt bereits einmal gewonnene Nutzer wieder zurück auf die Seite.
Um diese in schlichten Zahlen dokumentierte Performance ständig zu steigern und zu verbessern, ist eine hohe Spezialisierung unerlässlich. Mehr als die Hälfte des Criteo-Teams sind Entwickler, die sich ausschließlich mit der Optimierung der Produktempfehlungen sowie der optimalen Aussteuerungen der Banner konzentrieren. Die Summe von vielen kleinen Verbesserungen über einen langen Zeitraum und einen schnell wachsenden Kundenkreis sorgen für immer bessere Resultate – sodass wir als europäisches Unternehmen zunehmend auch in den USA den angestammten Marktteilnehmern das Leben schwer machen.
Adzine: Welche Faktoren entscheiden über die Performance von Retargeting-Kampagnen?
Lang: Zum einen natürlich die generierten Produktempfehlungen. Diese werden auf Basis des individuellen Nutzerverhaltens auf der Seite des Werbetreibenden generiert. Wir sehen uns an, welche Produkte wurden von Leuten gekauft, die sich ähnliche Produkte angesehen haben, und generieren entsprechende Empfehlungen. Nicht weniger wichtig ist die konstante Optimierung der Werbemittel sowie der Aussteuerung über alle unsere Publisher in hoher Granularität. Dabei bezahlt Criteo an die Publisher für jedes ausgespielte Banner, wir werden von unseren Kunden aber für Clicks bezahlt. Es ist also in unserem eigenen Interesse, die Produktempfehlungen möglichst relevant für den Nutzer zu gestalten, dass diese auch geklickt werden.
Letztendlich entscheiden die Advertiser aber nach Performance, sprich wie gut konvertiert der von Criteo ‚über die Schwelle getragene‘ Nutzer in abgeschlossene Transaktionen. Criteo hilft seinen Werbetreibenden sehr erfolgreich, an unterbrochene Kaufprozesse anzuknüpfen und diese abzuschließen – selbst wenn der Nutzer zwischendurch die Seite verlassen hat.
Diesen Kreislauf zu schließen und dabei einerseits nur komplett anonymisierte Nutzerdaten zu verwenden, andererseits das gesamte System ununterbrochen zu optimieren, ist eine echte Herausforderung.
Adzine: Wie gelingt es, die jeweils passenden Werbemittel zu erstellen, um dem potenziellen Kunden möglichst maßgeschneiderte Angebote machen zu können.
Lang: Die Produktempfehlungen werden auf der Basis eines Algorithmus erstellt, der die Interessen eines Users mit den Interessen anderer User ins Verhältnis setzt und daraus dynamisch ein Set von Produkten vorschlägt,
- die aus seinen angesehenen Produkten resultieren.
- die sich andere User angeschaut haben, die sich auch ‚seine‘ Produkte angeschaut haben.
- die komplementär zu denen sind, die er gekauft hat.
Dies geschieht bei Criteo komplett zahlenbasiert, also rein auf Basis der Produkt-IDs und des Verhaltens aller anderen Nutzer. Die Empfehlungen werden auch erst bei Erstellung der Banner mit den Daten (Bilder, Preise, Produktbeschreibungen etc.) aus dem Produktfeed der Advertiser komplettiert.
Adzine: Wenn es sich um eine dynamische Werbemittelerstellung handelt, ist die Integration nicht sehr komplex beim Kunden? Mit welchen Kosten müssen Shops für das Setup rechnen?
Lang: Für Werbetreibende ab einer gewissen Größe – [150.000 Uniques/Monat] gibt es keine Setup-Kosten und auch keine Erstellungskosten für Werbemittel. Der Advertiser zahlt lediglich für den Klick (CPC) auf die Werbemittel und den bei ihm ankommenden Traffic – wie z.B. bei SEM.
Dabei ist der Setup für Werbetreibende sehr einfach, denn er basiert weitgehend auf bereits vorhandenen Prozessen/Daten – so können wir mit den Produktfeeds arbeiten, die beispielsweise für Affiliateprogramme oder Preissuchmaschinen erstellt wurden. Und die Implementierung der Pixel auf den Produktseiten nimmt kundenseitig lediglich einen halben Nachmittag in Anspruch. In einigen Fällen können wir auf Basis von bereits implementierten Containerpixel ‚huckepack‘ die Implementierung noch einmal deutlich einfacher gestalten.
Parallel dazu arbeiten wir an einer Lösung, um deutlich kleinere Kunden rasch auf unsere Plattform integrieren zu können. Das wird aber sicherlich noch eine ganze Weile dauern. Grund dafür ist das starke Wachstum in unserem Kerngeschäft und die Tatsache, dass unsere Algorithmen offenbar nicht nur im traditionellen Versandhandel gut funktionieren, sondern sich auch mit Travel, Kleinanzeigen und Finance gerade komplett neue Geschäftsfelder auftun.
Adzine: Wie lange nach dem Shopbesuch sind Kunden eigentlich besonders empfänglich für einen Reminder à la Retargeting?
Lang: Das hängt extrem stark vom jeweiligen Produkt und dem damit verbundenen Kaufentscheidungsprozess und Kaufzyklus ab. Mit unserer Cookie-Laufzeit von 30 Tagen sind wir maßgeblich in die Kaufentscheidungsprozesse der User involviert. Da wir aber für alle geschalteten Banner bezahlen und nur die Klicks für uns Umsätze bringen, haben wir ein ganzes Team, das sich der optimalen Aussteuerung widmet. So macht es z.B. einen großen Unterschied, ob ein Nutzer gestern auf der E-Commerce-Seite war oder vor 1 Woche bzw. ob er auf der Seite sehr aktiv gesurft ist oder nur 1-2 Produkte angesehen hat.
Adzine: Rabattaktionen im Rahmen des Retargetings sind ja ein beliebter Kaufanreiz, wie stellt man eigentlich sicher, dass geänderte Konditionen auch im Shop übernommen werden?
Lang: Die gezielte Rabattierung oder Couponierung einiger Kundengruppen, z.B. Warenkorbabbrecher, wird über einen speziellen Link oder eine spezielle Landingpage vorgenommen. Technisch jedoch sind wenig Grenzen gesetzt und Criteo kann auch andere bestehende Prozesse implementieren – bis hin zu Rückrufnummern ist alles möglich. Aber auch hier gilt die Kunst – möglichst nur die Kunden anzusprechen, bei denen sich das voraussichtlich auch lohnen wird, und da ist unsere Technologie bereits sehr ausgefeilt.
Adzine: Die meisten Shops haben ja bereits eigene Webanalysetools, mit denen sie den Bestellprozess verfolgen. Kann Criteo vorhandene Nutzerprofile verwerten oder muss in jedem Fall Criteo selbst die Nutzer auf den Shopseiten markieren? Wie funktioniert das Zusammenspiel mit Webanalytics-Anbietern?
Lang: Criteo kommt stets ohne jegliche persönliche Nutzerdaten aus und generiert die Produktempfehlungen auf komplett anonymisierter Basis. Dazu müssen die Nutzer von Criteo selbst markiert werden. Dazu jedoch gibt es die Möglichkeit, die benötigten Informationen für Criteo ‚huckepack‘ auf einigen der gängigsten Webanalysetools zu gewinnen.
Adzine: Es gibt sicherlich auch Nutzer, die sich durch Ihr Retargeting belästigt fühlen, können die Nutzer das Criteo-Targeting abschalten?
Lang: Selbstverständlich, dem User steht jederzeit eine Opt-out-Möglichkeit für die Produktempfehlungen zur Verfügung. Jedes einzelne von Criteo ausgelieferte Banner hat ein Icon integriert, auf das der Nutzer klicken kann und daraufhin auf eine Seite gelangt, welche genau erklärt, warum er diese Produktempfehlung angezeigt bekommt und auf der er die Einblendung abstellen kann (Opt-out). Damit ist Criteo ein klarer Vorreiter in Sachen Transparenz und Datenschutz. Darüber hinaus steht jedem Nutzer frei, seine Cookies einfach zu löschen oder Werbeblocker zu verwenden.
Adzine: Wie sieht Ihr Preismodell für den Advertiser aus, was kostet die Kundenrückholung?
Lang: Die Advertiser zahlen per Klick (CPC – Pay per Click) i.d.R. ausgehend von einem Mindest-CPC von 20 Cent. Der Kunde optimiert seine Kampagnen selbst auf der Basis von CPO, KUR oder ROI. Solange er seine Zielvorgaben bei gleichzeitig steigendem Volumen erreicht, kann er den CPC erhöhen.
Wichtiger Hinweis: Ein steigender CPC erhöht nur das gelieferte Volumen, da Criteo selbst eine größere Reichweite bei seinen Publishern erzielt – die Qualität des gelieferten Traffics ist dabei immer gleich hoch.
Adzine: Criteo betreibt ja zur Auslieferung der Kampagnen ein Ad-Network, das nur Personen Werbung zeigt, denen es schon mal ein Cookie gesetzt hat. Was bedeutet das für die Zusammenarbeit mit Publishern, denn Sie brauchen ja eine große Reichweite, nehmen aber nur einen Bruchteil der Impressions ab, macht Ihnen das Probleme?
Lang: Zu Beginn war das nicht immer ganz einfach, aber da wir mit vielen großen Onlinehändlern langfristig zusammenarbeiten, ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich hoch, dass ein Kunde bereits vorher auf einer dieser Shoppingseiten gewesen ist. Mit jedem weiteren Händler wächst der verfügbare Cookiepool und somit die Umsätze unserer Publisher.
Und natürlich hat auch der Publisher die Möglichkeit, über Preis und Qualität des zur Verfügung gestellten Inventars mehr Nutzer zu adressieren: Wenn die Preiserwartungen vernünftig sind, werden wir deutlich mehr Traffic abnehmen können und umgekehrt.
Aber auch der verbleibende Traffic kann von den Adservern der meisten großen Publisher über dieses „Cookie Retargeting“ erkannt und ganz normal weiterverwertet werden. Wessen Adserver über diese Funktion nicht verfügt, bei dessen Traffic kann auch Criteo die „Cookie Retargeting“-Funktion übernehmen und den verbleibenden Traffic an den Publisher zurückgeben.
Adzine: Herr Lang, wir bedanken uns für Ihre ausführlichen Erläuterungen.
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