Das amerikanische Targeting-Unternehmen Audience Science wird den Targeting-Spezialisten Wunderloop kaufen. Und die Fachpresse jenseits des Atlantiks jubelt: „Wunderbar … ein großer Schritt, um in Kontinentaleuropa Fuß zu fassen.“ Die Freude der US-Amerikaner ist eine doppelte: Man erhält für einen Sack Geld nicht nur eine bewährte Targeting-Technologie made in Germany, sondern zugleich die begehrte EuroPriSe-Zertifizierung für datenschutzkonformes Targeting.
Der internationale Ruf von Wunderloop war ja schon länger ausgezeichnet. Benjamin Faes, EMEA Display Chef von Google, bezeichnete vor gut eineinhalb Jahren Wunderloop gar als den „klaren Europameister der Targeting-Technologien.“ Kaum verwunderlich also, dass der Insolvenzverwalter und das Wunderloop-Management sich mehr oder weniger die Rosinen aus dem Bewerberpool picken konnten. „Ziel des Deals ist es, die beste unabhängige Targeting-Lösung am Markt zu haben. Ich denke, dass dies unter dem Dach von Audience Science der Fall ist“, sagt Torsten Ahlers, Geschäftsführer von Wunderloop in einem längeren Gespräch mit Adzine. Vor allem der Wunderloop-Kunde Deutsche Telekom habe sich über die Entscheidung für und von Audience Science sehr gefreut. Torsten Ahlers: „Ich hoffe auch, dass United Internet unsere Technologie einsetzen wird. Audience Science ist wegen seiner Neutralität hier am Markt für unsere Kunden tatsächlich die allerbeste Wahl.“
Ruhe reingebracht
Offensichtlich bestehen auch beim Schlüsselkunden Ad Audience keine Ressentiments gegenüber Audience Science, die sich selbst als Targeting-Marktführer in UK, USA und Japan bezeichnen. Frank Herold, Geschäftsführer von Ad Audience: „Ich bin erst einmal froh, dass das Thema Insolvenz jetzt durch ist und Wunderloop sich wieder auf die Produktentwicklung und das Kerngeschäft konzentrieren kann. Die Zusammenarbeit mit Wunderloop hatte ja schon während der schwierigen Zeit der Insolvenz gut funktioniert.“ Herold wollte sich aber nicht zu den fehlenden Unterschriften auf dem Wunderloop-Ad-Audience-Vertrag und zur gemeinsamen Zukunft äußern. „Es ist jetzt noch zu früh, über die strategische Ausrichtung des neuen Investors Audience Science zu spekulieren“, sagt Herold, der selbst keine Vorbehalte gegenüber dem neuen Wunderloop-Eigner hat.
Neugründung im August
Doch eins nach dem anderen: Wunderloop wird als „New Corporation“ gegründet. Dies soll bis August vollzogen sein. Dann sollen zwischen der neuen Gesellschaft und den Kunden die Verträge abgeschlossen werden „Im September werden wir mit unseren Kunden in Workshops gehen und die Produkt-Roadmap 2011 für den deutschen Markt diskutieren“, erläutert Ahlers. Der Name Wunderloop wird laut Ahlers erst einmal in Europa Bestand haben: „Wunderloop wird in Europa sicherlich 12 Monate als Firmenname bestehen bleiben.“ Ob dann Audience Science in eine Ein-Marken-Strategie umschwenken wird, konnte Ahlers nicht beantworten. „Das ist aber auch nicht so wichtig. Wichtig ist, dass sich für unsere Kunden eigentlich kaum etwas verändern wird. Hier muss ich noch mal ein großes Lob aussprechen. Bis auf eine Ausnahme haben alle unsere Kunden in dieser schwierigen Zeit zu uns gehalten.“ Mit der Ausnahme meint Ahlers die Bauer Media Group, die nach Bekanntwerden der Wunderloop-Insolvenz alle Verträge gekündigt hatte und vor zwei Wochen die Zusammenarbeit mit dem Berliner Wettbewerber Nugg.ad bekannt gab.
Torsten Ahlers bleibt Deutschlandchef
Ahlers eigenes berufliches Schicksal ist übrigens auch geklärt. „Ich werde im neu gegründeten Unternehmen wieder die Position des Geschäftsführers einnehmen.“ Anders sieht es mit den Gesellschaftern der Wunderloop S.A. Luxembourg aus. Diese, darunter auch der Gründer Uli Hegge, aber auch bekannte Größen wie Klaus Hommels, Michael Kleindl und die Hexal-Gründer Andreas und Thomas Strüngmann, sollen neben dem Insolvenzverwalter und den Gläubigern aus dem nicht genannten Verkaufserlös ausbezahlt werden.
„Eine tolle Story“
Zu Beginn der Insolvenz beschwor Wunderloop nach außen absoluten Zusammenhalt. In der Zwischenzeit wurde aber bekannt, dass doch der eine oder andere Mitarbeiter einen Aufhebungsvertrag mit seinem Arbeitgeber vereinbarte. Was wird also nun aus den restlichen Mitarbeitern? Wird Audience Science sich die Technik einverleiben und die Hamburger Mannschaft danach nach Hause schicken? Wohl eher nicht: „Mir war besonders wichtig, dass alle Mitarbeiter übernommen werden“, sagt Ahlers. „Hauptmotivation von Audience Science, Wunderloop zu übernehmen, sind unsere Targeting-Technologien, unsere Kundenbeziehungen, aber eben auch unsere gute Mannschaft.“
Denn Hamburg soll laut Ahlers neben der Firmenzentrale Bellevue bei Seattle der zweite zentrale Entwicklungsstandort von Audience Science werden. Dass Deutschland mit dem Wunderloop-Verkauf Schlüsseltechnologien an die USA abgäbe, wollte Ahlers so nicht stehen lassen und betont die globale Zielsetzung: „Das ist ausgemachter Blödsinn. Die Amerikaner wollen und brauchen unsere Produkte. Das Internet selbst ist eine globale Technologie. Damit beteiligen sich alle an einem globalen Game. Der amerikanische Markt hat allein ein Volumen von 8 Mrd. US-Dollar und der Targeting-Marktführer in den USA, Japan und UK will unsere Technologie. Das ist eine tolle Story. So sollte man das sehen.“
Audience Science: Targeting für die ganze Welt
Ahlers ist sich sicher: „Audience Science will zeitnah Wunderloop connect im amerikanischen Markt einführen.“ Besonders scharf waren die Amerikaner noch auf andere Technologien, wie Ahlers erläutert: „Wir bringen für Audience Science zwei wichtige Assets ein: Erstens unsere Prediction-Algorithmen, zweitens unsere Target-Discovery-Technologie.“ Bei Target Discovery können die Käufer innerhalb des Wunderloop-Netzwerks „Connect“ getrackt werden. Die dabei gewonnenen Informationen werden als Target zusammengefasst und anschließend mit dem Surf-Verhalten anderer Nutzer verglichen. Wenn sich dann ein User findet, der das gleiche Profil aufweist, wird ihm eine Werbung zum E-Commerce-Produkt der Ausgangssituation ausgeliefert. Offensichtlich fehlte es den US-Amerikanern hier an Know-how, gleichwohl sie die fünffache Zahl an Programmierern wie Wunderloop beschäftigen. Ahlers verdeutlicht noch mal die Unterschiede der Unternehmen: „Audience Science betreibt Targeting mit Reach Extention, hatte aber bisher noch keine Agenturlösung. Vielmehr bietet Audience Science sein System bisher nur den Publishern als SaaS- (Software as a Service) Lösung an.“ Und diese Lösung ist sehr erfolgreich. „80 der Top-100-Publisher in den USA nutzen Audience Science“, sagt Ahlers.
Datenschutz als Exportschlager
Auch der Datenschutz schien bei Audience Science ein wichtiges Entscheidungskriterium für den Kauf von Wunderloop gewesen zu sein. Selbst das Branchenmagazin Adotas meint: „Wunderloop war das erste deutsche Unternehmen mit dem europäischen EuroPriSe-Siegel. Und was auch Google schon erfahren musste: Niemand nimmt den Datenschutz ernster als die Deutschen.“ Die beiden für Wunderloop bestehenden Datenschutz-Zertifizierungen des ULD (Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein) in Kiel und das darauf basierende EuroPriSe-Siegel sollen auch für das neue Wunderloop-Unternehmen Bestand haben, wie Ahlers erläutert. „Es wurde ja nicht das Unternehmen Wunderloop, sondern unsere Technologien mit dem deutschen und europäischen Datenschutz-Siegel zertifiziert. Wir sind hier schon bei den Gesprächen mit dem ULD in einem fortgeschrittenen Stadium.“ Ahlers ergänzt: „Die Datenschutzdiskussion beim Targeting ist ja jetzt auch in den USA angekommen. Wir exportieren also nun deutsche und europäische Datenschutzstandards.“
Gut für die Company, gut für den deutschen Markt
Ahlers glaubt, dass der Kauf durch den Global Player Audience Science auch Einfluss auf die Einkaufsseite haben wird. „Ich gehe davon aus, dass dieser Deal nun auch Gelder aus US-Budgets ins Land spülen wird.“ Einen kleinen Seitenhieb Richtung Wettbewerb konnte sich Ahlers nicht verkneifen. „Wer in unserem Geschäft langfristig und international erfolgreich sein will, braucht Kapital und das gelingt nur mit einem starken Partner im Ausland.“ Ahlers gab uns auch einen persönlichen Einblick. „Die Insolvenz mit den emotionalen ups and downs war die schwerste Zeit in meiner beruflichen Laufbahn. Umso mehr freut es mich, zusammen mit meiner Mannschaft eine so gute Lösung für die Company gefunden zu haben.“
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