Sie haben eine neue Nachricht! Auf dem Weg zu einem nichtigen Vertrag …
Martin Schirmbacher, 16. Juli 2010Wer viel und aktiv im Internet unterwegs ist, hat es sicher auch schon einmal erlebt. Man legt einen Account auf einer Website wie Facebook oder Twitter an und plötzlich erscheint am rechten Bildschirmrand ein vermeintlicher Posteingang mit einer neuen Nachricht.
Vielleicht eine Willkommens-E-Mail des Seitenbetreibers bei dem man sich soeben angemeldet hat? Weil das Ganze kaum von der restlichen Website abgesetzt ist, wird schnell auf das lustige Symbol geklickt. Mit dem Klick auf den virtuellen Briefumschlag öffnet sich jedoch überraschend eine dieser Gewinnspielseiten. „Gewinne ein iPhone 4G! Was du tun musst? Beantworte schnell diese 6 Fragen!“ Nach dem Klick auf ein Startsymbol in einer Abbildung des begehrten Smartphones muss man schließlich sechs mehr oder weniger anspruchsvolle Fragen beantworten. Wer richtig lag, darf schließlich seine Mobilnummer in eintragen, um an der Verlosung teilzunehmen. Natürlich muss man noch kurz die AGB bestätigen.
Wer die Teilnahmebedingungen gelesen hat, wird allerdings wohl kaum seine Handynummer angeben wollen. Dort heißt es nämlich: „Die Teilnahme am Gewinnspiel selbst ist kostenfrei und erfolgt entweder durch eine Übersendung einer E-Mail oder durch Beantwortung der auf dieser Seite gestellten Fragen, der Unterbreitung der geforderten Angaben und dem damit verbundenen Abschluss eines kostenpflichtigen Abonnements über den Bezug von mobilen Inhalten zu den auf dieser Seite angegebenen Bedingungen.“ Macht man sich die Mühe, das Kleingedruckte am unteren Seitenrand zu lesen, erfährt man, dass man sich durch Angabe seiner Handynummer verpflichtet, dem Unternehmen alle fünf Tage 2,99 Euro für ein nicht näher bestimmtes Entertainment-Abonnement zu zahlen. Das ist geradezu das Muster einer sogenannten Abofalle.
Die Abofalle – ein unwirksamer Vertrag
Rechtlich ist ein solcher Abonnementabschluss in aller Regel unwirksam. Die Vertragsbedingung, sich durch die Eingabe seiner Handynummer zu Zahlungen zu verpflichten, ist eine überraschende Klausel im Sinne des § 305c BGB. Dies führt dazu, dass die Klausel in den (vermeintlichen) Vertrag gar nicht erst einbezogen wird.
Zwar ist es generell nicht unüblich, Preisangaben, wie z.B. bei Klingelton-Abonnements im Fernsehen, erst in den Sternchenhinweisen am Bildschirmrand zu machen, jedoch wird für den Verbraucher im Falle der Abofalle zunächst der Eindruck der Unentgeltlichkeit erweckt. Wer auf die vermeintlich persönliche neue Nachricht klickt, rechnet nicht im Geringsten mit einer Vertragsanbahnung. Wer die Fragen beantwortet und am Schluss seine Handynummer angibt, möchte kein kostenpflichtiges Abo abschließen, sondern das ausgelobte iPhone gewinnen.
Wer versehentlich einen solchen „Vertrag“ schließt, muss Zahlungen nicht leisten. Unter Umständen empfiehlt es sich, noch ein klarstellendes Schreiben zu versenden. Entsprechende Muster finden sich auf den Websites der Verbraucherzentralen.
Verstoß gegen Preisangabenrecht
Rechtlich problematisch gestaltet sich auch die Art und Weise der Preisangabe für das Abonnement, die in den AGB natürlich vollkommen untergeht. Wer konkret für eine Dienstleistung wirbt, muss nach der Preisangabenverordnung leicht erkennbar und deutlich lesbar den anfallenden Endpreis angeben. Daran fehlt es bei den Abofallen häufig.
Die Tatsache, dass sich der Preis für das Abonnement erst am Ende der Seite in einem langen, kleingedruckten Sternchentext findet und nicht einmal optisch hervorgehoben ist, verstößt gegen § 1 Abs. 6 der Preisangabenverordnung. Das ist ein evidenter Verstoß und zugleich als Wettbewerbsverletzung abmahnfähig.
Verstoß gegen das Trennungsgebot
Die Blickfangwerbung mit der vermeintlich neuen Nachricht, über die der Nutzer auf die kostenpflichtige Gewinnspielseite gelockt wird, ist auch ein Verstoß gegen das Verbot der Schleichwerbung. Redaktioneller Teil und Werbung sind hier nicht hinreichend abgegrenzt. Im Gegenteil: Dem Nutzer wird sogar suggeriert, dass der „Posteingang“ mit der besuchten Seite in einem Zusammenhang stehe. Spätestens an dieser Stelle wird die Werbung auch für den Website Betreiber problematisch. Er profitiert nämlich von der rechtswidrigen Werbung und verstößt auch selbst gegen das Gebot, Werbung und redaktionelle Inhalte zu trennen. Hier können auch Konkurrenten und klageberechtigte Verbände Unterlassungsansprüche geltend machen.
Problematisch ist auch die Kopplung des Gewinnspiels mit dem Abschluss des kostenpflichtigen Abos. Dies führt gegenüber Verbrauchern zudem zu einem Verstoß gegen § 4 Nr. 6 UWG. Die Nutzer werden durch die Teilnahme an dem Gewinnspiel unsachlich beeinflusst, ein Abo – wenn auch oft unbewusst – abzuschließen.
Fazit
Der Abschluss des kostenpflichtigen Abos ist je nach Ausgestaltung im Einzelfall in aller Regel unwirksam. Der geprellte Nutzer muss nicht bezahlen. Gleichzeitig ist das Angebot aber gleich in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig, weil es gegen die Preisangabenverordnung und diverse wettbewerbsrechtliche Vorschriften verstößt. Dies kann nicht nur zu Ungemach bei den Veranstaltern des Gewinnspiels führen. Auch der Website-Betreiber muss damit rechnen, wegen der Verstöße zur Verantwortung gezogen zu werden. Ganz unabhängig von der rechtlichen Bewertung schaden derartige rechtswidrigen Abofallen im Web-2.0-Zeitalter der gesamten Branche. Wenn der Nutzer zwischen redaktionellem Inhalt, seriöser und rechtswidriger Werbung nicht mehr unterscheiden kann, leidet die Klickrate insgesamt. Insofern haben auch die Website-Betreiber und die seriösen Werbetreibenden ein Interesse an der „Bereinigung“ des Marktes.