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ADTECH

Vom Lieferanten zum Vermögensmanager

Jens von Rauchhaupt, 1. Juni 2010

Gar nicht so lange her. Vor 14 Jahren haben die Angestellten der Publisher oder Vermarkter die Werbebanner noch händisch in den HTML-Code eingebaut. An Inventarmanagement, Forecasting, Realtime-Kampagnen-Monitoring, geschweige denn an eCPM-Optimierung und (Re-) Targeting war noch nicht zu denken. Heute sind Adserver für Publisher und Vermarkter weit mehr: Sie sind nicht nur die wichtigste Technologieplattform der Onlinewerbeträger, sondern zentrales Steuerungselement für ihre Unternehmensabläufe.

Die Entwicklung der Adserver hat viel mit Automatisierung und Arbeitserleichterung zu tun. „Um das eigene Geschäft zu vergrößern und zu skalieren, versucht man heute für den maximalen Umsatz geringen Personalaufwand mit hohem Technologieeinsatz zu kompensieren“, erläutert Oliver Weiss, Country Manager bei Facilitate Digital, die Entwicklung der letzten Zeit. Da die Adserver-Anbieter volumenbasiert abrechnen, leiden sie unter einem gehörigen Preisdruck. Bestenfalls 2 Cent pro TKP Volumen fließen in die Tasche der Technologieanbieter und zuweilen sind es gar weniger. Manch ein Anbieter erinnert sich da noch an die schöne alte Zeit, als die Preise stabil bei 20 Pfennig pro TKP-Volumen lagen. Und eine weitere Herausforderung müssen die Adserver-Unternehmen aktuell bestehen: die Suche nach einem USP. Denn im Grunde genommen, beherbergen die knapp 20 am deutschen Markt befindlichen Anbieter (Publisher- und Agenturen-Adserver) ähnliche Funktionen. „Ihre Grundstrukturen sind alle gleich und gut. Es geht nur noch um Nuancen, um sich vom Wettbewerb abheben zu können“, sagt ein Adserving-Anbieter, der zu dieser Aussage verständlicherweise nicht namentlich genannt werden will.

Asset Management

Neben den wichtigen Grundfunktionen wie Inventarmanagement, Forecasting-Funktionen, Targeting, gute Usability und hohe Skalierbarkeit rückt das gesamte System als Asset Management für den Werbeträger in den Vordergrund. Der Begriff Asset stammt aus der angelsächsischen Finanzsprache. Dort bezeichnen die Manager alle Unternehmensressourcen, die sich von der Geschäftsleitung beeinflussen lassen und den Umsatz erhöhen können, als Assets. Übertragen ins deutsche Onlinemarketing wäre der Asset Manager dann ein „Vermögensmanager“ der Publisher, Vermarkter und Agenturen. „Ja, Asset Manager ist eine recht passende Bezeichnung. Als Publisher oder Vermarkter ist das Inventar beispielsweise ein Asset, es ist das Kapital. Alle Informationen, die ich darüber einholen kann, macht dieses Asset wertvoller“, sagt Erhard Neumann, COO des Adserver-Anbieters Adtech, der weltweit 150 Mrd. Ad Impressions im Monat bedient.

Manuel Koubek, Smart Adserver

Auch Smart Adserver fühlt sich mit dieser Bezeichnung richtig beschrieben. „Ja, Smart Adserver ist sicherlich ein Asset Manager, gerade für Publisher aus dem Premiumbereich. Das gilt nicht nur für die Inventarverwaltung, das Forecasting, das Monitoring von Kampagnen in Echtzeit oder die Sicht auf einen einzelnen Werbekunden, sondern auch für jede einzelne Platzierung. Der Kunde muss wissen können, welchen Deckungsbeitrag eine einzelne Platzierung bringt. Hier sorgt unser Adserver für Transparenz und einen schnellen und individuellen Überblick bei hoher Usability“, sagt Manuel Koubek, Head of Sales DACH, Smart Adserver.

Martin Weidemann, Adspirit

Besonders gut auf den Punkt bringt es Martin Weidemann, Geschäftsführer vom Adserver-Anbieter AdSpirit: „Wir vertreten die Auffassung, dass Adserver komplette Unternehmensabläufe wie etwa Sales, Publisher-Management, AdManagement, Controlling, Buchhaltung abbilden sollten. Das ist der Anspruch, den wir mit AdSpirit verfolgen.“ Allerdings sieht Weidemann dies etwas differenzierter und macht darauf aufmerksam, dass nicht jeder Publisher gleich einen Hightech-Adserver braucht. „Ein Adserver würde bei kleinen Publishern gerade so viel bringen, wie er kostet. Bei mittleren bis großen Publishern ist das in der Tat ein kleiner ‚Vermögensverwalter‘, der auch schon mal dafür sorgen kann, dass man vielleicht wegen guter Optimierung oder gezielter Einstellungsmaßnahmen eben dann doch ein paar hundert oder tausend Euro mehr am Monatsende auf dem Konto hat.“

Doch ein Asset Management wäre nichts wert, wenn der Werbeträger nicht an die Daten kommt, weil diese ausschließlich beim Adserver-Anbieter liegen. Daher bedarf es offener Schnittstellen, damit der Kunde Vertriebstools wie Salesforce andocken kann. Dies geschieht über sogenannte APIs, wie Neumann erläutert: „Der Kunde muss ja die Daten des Adservers mit den eigenen Daten anreichern können. Schon aus Reportingsicht braucht man eine API-Schnittstelle. Der andere Punkt ist: Jedes Unternehmen hat sein eigenes Order-Management oder verfügt über andere Tools. Daher muss ein Adserving-System so flexibel aufgebaut sein, dass ein Verlag seine Software schnell an den Adserver anbinden kann.“

Koubek bestätigt dies: „Ein Adserver-System ist nur dann zukunftssicher, wenn es über offene Schnittstellen verfügt. Unsere API basiert auf dem SOAP-Protokoll, damit unsere Kunden ihre Daten möglichst einfach und automatisiert in das Adserving-System integrieren können. So garantieren wir eine reibungslose Anbindung, sei es ein Auftragsmanagementsystem wie Salesforce oder ein Yield Manager. Sollten sich die Anforderungen unserer Kunden nach weiteren Schnittstellen häufen, werden wir die Integration von weiteren Funktionalitäten für Smart Adserver prüfen.

Jörg Klekamp, Adition

Verwalten und mehren

Kein Werbeträger will sein Vermögen nur mit einem Adserver verwalten, er will es mit dessen Hilfe natürlich auch vermehren. Daher gehören zur Umsatzsteigerung gute Optimierungsfunktionen zu den Kernfunktionen der Adserver, wie schon von Weidemann erwähnt. Dabei unterscheiden die Adserver-Anbieter grundsätzlich nach direkt verkauftem Premiuminventar, das sie über Verkaufsplattformen zur Verfügung gestellt bekommen, und dem Restplatzinventar. „In jedem Segment erfolgt eine interne Optimierung und eine Optimierung nach verschiedenen Zielgrößen über diese Segmente hinweg, die wiederum in Konkurrenz stehen können“, erklärt Jörg Klekamp, Vorstand vom deutschen Adserver-Anbieter Adition Technologies, den grundsätzlichen Ansatz. Dass dabei eine Optimierung des hochpreisigen Premiuminventars Erfolg versprechender ist als die des Restplatzinventars, versteht sich eigentlich fast von selbst. Nur, wie oder was kann ein Adserver eigentlich im Premiumsegment optimieren?

Erhard Neumann, Adtech

Optimierung mit Prioritätsfaktor

Welches Werbemittel ausgeliefert werden soll, um als Werbeträger den maximalen Umsatz zu generieren, ist technisch eine Frage der Prioritäten. Das Inventar muss nach entsprechenden Mustern priorisiert werden. Optimierung ist generell nichts anderes als eine Priorisierungsvorgabe durch den Adserver. Technisch geschieht dies über Algorithmen. Das (Betriebs-) Geheimnis der Adserver sind die unterschiedlichen Algorithmen. Jeder Adserver-Anbieter baut für sich zur Ermittlung der Priorisierungsstufen unterschiedliche Algorithmen. „Die Kampagne wird ja einerseits über den Preis, über die Menge und den Zeitraum gesteuert. Neben dem Verhältnis dieser drei Größen kommen auf der anderen Seite etwaige Targetingkriterien hinzu: Eine Kampagne, die ein Keyword besitzt, bewirbt logischerweise weniger Menschen als eine Kampagne, die keins besitzt. Dies fließt in den Algorithmus ein, weil wir davon ausgehen, dass sie bevorzugt behandelt werden, weil wir nicht wissen, wann das nächste Keyword angefragt wird. Das heißt, je höher die Anzahl die Targetingkriterien ist, desto höher steigt die Priorität. Das Gleiche bewirkt der Preis: Je kürzer der Zeitraum und je höher die ausgelieferte Menge in der Vorgabe, umso höher steigt die Priorität. So ergibt sich eine Reihe von Parametern, die sich in unterschiedlichen Algorithmen einreihen. Diese ergeben dann den Prioritätsfaktor“, erläutert Neumann, der dieses Verfahren erst als Grundoptimierung bezeichnet.

Über den Autor/die Autorin:

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