Search Engine Advertising hat viele Stärken, je nach Kommunikationsziel aber auch natürliche Grenzen. Zu den großen Nachteilen der bezahlten Suchanzeigen zählt begrenztes Suchvolumen. Gerade für Unternehmen, die ihre Marken in großen Märkten positionieren müssen, sind die Möglichkeiten des Search-Marketings zum Markenaufbau limitiert. Dennoch bieten sich immer wieder Chancen, die eigenen Produkte bei einer unerwartet großen Audience in Stellung zu bringen, wenn auch nicht immer von langer Hand planbar.
Aktuelle Ereignisse können das Volumen von Suchanfragen für geeignete Themenfelder kurzfristig stark in die Höhe treiben. „In dem Moment, wo eine bestimmte Eigenschaft oder Thematik in der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit steht, sollte diese neue Sensibilität und vielleicht auch das gesteigerte Suchvolumen genutzt werden, denn das Feature meines Produkts ist plötzlich ein echter Mehrwert“, erklärt Martin Hubert, Geschäftsführer eprofessional GmbH. Denn es gilt eine offensichtliche Regel: Gesucht wird das, was in den Medien thematisiert wird.
Besonders attraktiv können dabei natürlich auch Negativereignisse bei der Konkurrenz sein, die gerade in den Medien Schlagzeilen machen. Ein gutes Beispiel sind die andauernden Meldungen über technische Probleme bei Toyota, die Auslöser für mehrere Rückrufaktionen waren. Aufgrund der weltweiten Medienpräsenz der Vorkommnisse bei Toyota, erfolgen entsprechend auch Suchanfragen zum Thema.
„Wenn der Wettbewerber einen Fehler macht, kann man dieses Aufmerksamkeitsfenster nutzen und den eigenen Vorteil gesondert betonen. Wenn zum Beispiel die Konsumenten aufgrund der Rückrufaktion von Toyota verstärkt auf sichere Bremsen achten, sollte dies auch in meine Adtexte einfließen. Wichtig ist aber, dass man selbst in diesem Fall 100 % ‚sauber‘ ist. Sonst wird daraus schnell ein Bumerang“, erläutert Hubert.
Branchenkollege Thomas Vogt, Geschäftsführer der Performance-Marketing-Agentur Adtraffic, hat auch kein Erbarmen mit der Konkurrenz, wenn es dem eigenen Kunden Pluspunkte einbringt, so setzte er unmittelbar während des Bekanntwerdens eines längeren Netzausfalls bei T-Mobile eine SEM-Kampagne für den Kunden E-Plus um.
„Wenn sich ein Konkurrent unseres Kunden so einen Fauxpas leistet, lassen wir uns die Chance auch in Zukunft nicht entgehen, die Situation für uns auszunutzen“, sagt Vogt und hat zugleich auch eine unausgesprochene Erklärung für seinen eigenen T-Mobile Vertrag, schließlich muss man ja auf dem Laufenden sein, wenn bei der Konkurrenz die Lichter ausgehen.
Welche Keywords?
Nun geht es ja im Wesentlichen darum, in den schwachen Momenten des Wettbewerbers selbst zur Stelle zu sein und die eigenen Stärken im thematischen Umfeld zu unterstreichen. Allerdings ist nach wie vor nicht alles erlaubt, was evtl. gefallen würde. Zudem gibt es möglicherweise auch moralische und geschmackliche Grenzen hinsichtlich der Ausbeutung der Ereignisse bei der Konkurrenz. Ein Flugzeugabsturz ist sicher nicht der beste Anlass, sich als konkurrierende Airline zu positionieren und mit den eigenen Sicherheitsstandards zu werben. Dennoch gibt es natürlich weniger klare Abgrenzungsfragen beispielsweise bei der Wahl der zu buchenden Keywords. Wie sieht es denn, um das Toyota-Beispiel nochmals aufzugreifen, mit einer Keywordkombination wie „Prius Bremsen“ oder „Toyota Rückruf“ aus?
„Solange die Rechtslage bei der Buchung von Markenbegriffen des Wettbewerbers unklar bleibt, sollte man sich von der Buchung fremder Marken als Keyword fernhalten, um Abmahnungen zu vermeiden. Wenn ich Toyota wäre, würde ich in solchen Situationen rasch eine Markenbeschwerde bei Google anstreben, um die Verwendung des markenrechtlich geschützten Begriffs nur mir als Markeninhaber (und ggf. ausgewählten Vertriebspartnern) zu gestatten und vorzubeugen, dass Wettbewerber die Situation ausnutzen“, beantwortet Hubert die Frage.
Auch Tobias Kiessling, CTO intelliAd Media GmbH, mahnt bei der Keyword-Auswahl zur Vorsicht, bzw. man solle sich der Risiken bewusst sein: „Noch ist es zumindest in Deutschland nicht erlaubt, im Anzeigentext fremde Marken zu nutzen oder diese als Keyword direkt einzubuchen. Die Grundsatzentscheidung des EuGH zu Letzterem steht noch aus.“
Daher gibt Kiessling den Tipp: „Bucht man allerdings generische Keywords wie ‚Bremsen’ bei Google im Broadmatch ein, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass man damit auch im entsprechenden Themenumfeld erscheint. Hier lohnt sich eine zeitnahe Auswertung der tatsächlichen Suchanfragen zu den Keywords, um schlechte Keywords ggf. auszuschließen. Auch hier ist jedoch gewisse Vorsicht geboten. Um aktuellste Ereignisse gewinnbringend auszunutzen, reicht es oft schon aus, wenige Stunden geschaltet zu werden. Die Entscheidung, einen Markenrechtsverstoß mit Unterlassungserklärung zu riskieren und damit zu leben, muss also jeder für sich selbst entscheiden.“
Thomas Vogt hat daher bei seiner Anti-Netzausfall-Guerilla-Kampagne aus eben diesen rechtlichen Gründen auf die Markennennung von T-Mobile verzichtet. „Jeder wusste, wer gemeint ist“, kommentiert Vogt. So buchte Adtraffic für E-Plus Keywords wie Netzausfall, Netzstörung, Handynetz Ausfall, Handy Ausfall und andere aus diesem Umfeld. „Insgesamt haben wir knapp 100 Begriffe in den Matching-Optionen ‚Exact’, ‚Broad’ und ‚Phrase’ eingebucht, sowohl im Suchnetzwerk von Google als auch im Content-Netzwerk.“
Gebucht, aber nichts zu sehen
Bei der E-Plus-Kampagne scheint es funktioniert zu haben, so soll sie 7.500 Mal angezeigt worden sein mit einer Klickrate von etwa sechs Prozent. Was ist aber los, wenn man eine Kampagne mit günstigen Keywords gelauncht hat, die sonst eigentlich keiner bucht, und in den Suchmaschinenergebnissen ist nichts zu sehen. In der Theorie dürfte eine solche Kampagne ja nicht viel kosten, wenn die Nachfrage den Preis regelt, wie es bei Auktionen der Fall sein sollte.
Offensichtlich haben wir etwas übersehen. Tobias Kiessling weiß Rat, er erklärt, dass hier etwas Geschick erforderlich sei. „Grundsätzlich können Wettbewerber das üblicherweise hohe Suchvolumen, z.B. bei einer Rückrufaktion, zu sehr günstigen Klickpreisen einkaufen. Denn es gibt kaum Wettbewerb, außer vielleicht noch ein paar andere Konkurrenten. Mit den niedrigen Klickpreisen kompensiert man die üblicherweise schlechtere Conversionrate dieser Guerilla-Kampagnen. Doch Google steuert über den Mindest-CPC (auch Mindestgebot oder First Page CPC), ob eine Anzeige auch wirklich ausgeliefert wird. Dieser Wert richtet sich in der Praxis neben der Relevanz (Anzeige, Landingpage, Keyword) insbesondere nach CTR- und Konkurrenzsituation.
Grundsätzlich sollten die geschalteten Anzeigen also eine möglichst hohe CTR anstreben. Dies führt zu einem geringeren First Page CPC. Jedoch sieht man für Keywords mit wenig Konkurrenz in der Praxis häufig Fälle, wo bei konstanter CTR das Mindestgebot schlagartig von 15 Cent auf 80 Cent steigt. Google stellt den Werbungtreibenden somit mehr oder weniger willkürlich vor die Wahl, entweder die teuren 80 Cent pro Klick zu zahlen oder nicht mehr angezeigt zu werden. Daher sollten Unternehmen auf jeden Fall darauf achten, dass die Anzeigentexte gut passen und so die CTR möglichst hoch ist.“
Schnell sein
Vor allem gilt aber eines bei jeder Nutzung aktueller Ereignisse für die eignen Search–Marketing-Aktivitäten, man muss schnell sein. Erstens sollte man geeignete Ereignisse möglichst sofort erkennen und des Weiteren auch schnell Maßnahmen umsetzen können.
Hubert rät daher dazu, das Ungeplante zum Normalfall zu erklären, und gibt das Motto aus: „Flexibel sein und sofort reagieren, um den Peak an Suchanfragen mitzunehmen. Daher sollten tagesaktuelle Promotions eingeplant werden. Das machen einige Newsportale sehr erfolgreich: Als das Baby von Boris Becker auf der Welt war, sind sofort entsprechende Adwords der Celebrity-Magazine live gegangen und boten dem User die gesuchten Infos brandaktuell.“ Der Krisenfall im Search-Marketing lässt sich nicht nur bei der Klatschpresse institutionalisieren, sondern ist natürlich auch in jeder anderen Branche trainierbar.
Denn „Unternehmen müssen schnell sein. Das Suchvolumen nach einem Event steigt meist innerhalb von Stunden oder Minuten an, ebbt dann sehr schnell wieder ab“, unterstreicht Kiessling die Notwendigkeit zum schnellen und entschlossenen Handeln. Ohne eine gewisse Vorbereitung sowohl auf der Seite des Kunden als auch der der Agentur ist das wohl kaum zu machen.
Wenn die eigene Hütte brennt
Das Aufsetzen eines Standardprozederes für kurzfristige Ereignisse kommt auch der Unternehmenskommunikation sehr zugute, denn es kann ja auch einmal das eigene Unternehmen unter Beschuss geraten und in die Negativschlagzeilen kommen. Je nach Unternehmen sollte man entsprechend für solche Eventualitäten gerüstet sein, meint Kiessling: „Krisenanfällige Unternehmen wie z.B. Fluglinien sollten entsprechende Kampagnen und Landingpages vorbereitet haben. Sofort nach einem ‚Event’ explodiert das Suchvolumen bei Google. Und Informationen direkt vom Hersteller oder Betreiber sind genau das, was die User dann suchen. Unternehmen sollten sich die Informationshoheit in diesem Kanal nicht von Konkurrenten oder Medien wegnehmen lassen.
SEM ist hierbei wesentlich flexibler als SEO.“ Hubert fügt hinzu: „Wie in der PR sollte Krisenkommunikation auch für Search aktiv vorausplant werden. Vor allem gehört ein Verantwortlicher aus dem Bereich Search in das Krisenkommunikationsteam! Denn die ‚akute’ Recherche der Kunden zu Krisenthemen findet bei Google & Co. statt. Es muss möglich sein, innerhalb kürzester Zeit Landingpages mit Informationen für Betroffene online zu haben, die man dann u.a. über Suchwortanzeigen bekannt macht bzw. die infosuchenden Verbraucher direkt dorthin lenkt. Tipp: Um Klicks und damit Kosten zu sparen, könnte man die Telefonnummer der Sonderhotline direkt in den Anzeigentext aufnehmen. So ist das Unternehmen in der Suche direkt mit seiner Hotline-Nummer sichtbar – quasi kostenlos.“
Fazit
Nicht planbaren Ereignissen kann man durchaus vorbereitet begegnen. Denn im Rahmen der eigenen Search-Marketing-Maßnahmen lässt sich zumindest für die Suchanfragen in den Suchmaschinen zu aktuellen Geschehnissen schnell eine adäquate Antwort finden. Alle kommunizierenden Unternehmensteile können davon profitieren, wenn für den Fall der Fälle ein eingespielter Prozess existiert.