Schwieriger Umgang mit der jüngsten Onlinewerbezielgruppe
Christina Rose, 15. April 2010Werbung auf Kinder-Websites ruft nicht nur bei Eltern spontane Abwehrreaktionen hervor: Sind doch schon die Jüngsten Konsumverlockungen ausgesetzt und werden allerorts mit Kaufaufforderungen bombardiert. Im Internet erliegen Kinder noch deutlich schneller diesen Verlockungen – sei es durch Unerfahrenheit im Umgang mit dem Web oder den bequemen und schnellen Kauf, der nur einen Klick entfernt ist.
Im richtigen Umgang mit Onlinewerbung tun sich nicht nur Kinder schwer, sondern auch die Betreiber von Kinder-Websites. Viele Portale enthalten unzulässige Werbung, hat der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) jüngst in einer stichprobenartigen Untersuchung festgestellt. Seine Kritik: Viele Unternehmen trennen nicht ausreichend zwischen Werbung und redaktionellem Inhalt. Daraufhin hat der vzbv wegen unlauterer Praktiken elf Anbieter abgemahnt. In sechs Fällen gaben die Betreiber eine Unterlassungserklärung ab, in zwei Fällen wird Klage eingereicht und drei Fälle befinden sich noch im außergerichtlichen Verfahrensstadium.
Pop-ups und Interstitials sind „unzumutbare Belästigung“
„Allein der Schriftzug ‚Werbung‘ ist für eine Trennung zwischen Werbung und Inhalten nicht ausreichend. Entscheidend ist die gestalterische Trennung zwischen Werbung und den eigenen Inhalten der Anbieter auf der Internetseite“, erklärt Michaela Zinke, Referentin für Verbraucherrechte in der digitalen Welt beim vzbv. Hinzu komme, dass es bei der Bewertung der rechtlichen Zulässigkeit von Pop-up-Fenstern nicht nur um die Inhalte dieser Werbung gehe. Nach Auffassung des vzbv stellt die Verwendung von Pop-up-Fenstern auf Kinderseiten generell einen Verstoß gegen § 7, 3 UWG dar. Zinke: „Pop-up-Fenster und Interstitials sind für den Internetnutzer eine unzumutbare Belästigung.“ Auf Kinder-Websites seien sie sogar unzulässig, betont die Verbraucherschützerin. Könne auf Werbung nicht verzichtet werden, müssten auf jeden Fall für Kinderspieleseiten strengere Regeln gelten.
„Proaktives Handeln und ein Umdenken zu einer neuen Werbetransparenz bei Kinderseiten ist gefragt“, pflichtet Rolf Kosakowski jun. bei, Geschäftsführer von KB&B, Agentur für Kinder- und Jugendmarketing. Website-Betreiber und Werbetreibende müssten der jungen Zielgruppe durch „verantwortungsbewusstes Marketing und stetige Selbstkontrolle“ Tribut zollen. „Das gilt bis hin zur Wahl des Vermarkters als Dritten im Website Bunde“, betont Kosakowski. Angesichts der derzeitigen Verstöße sei noch viel Überzeugungsarbeit bei den Unternehmen zu leisten.
Toggo.de, Super RTL-Tochter und eines der reichweitenstärksten Kinderportale im Web, gehörte laut Sendersprecher Thomas Babiel nicht zu den Gescholtenen. Ein möglicher Grund: Toggo.de hat sich selbst relativ enge Verhaltensregeln im Umgang mit dem Thema Werbung auferlegt. Neben der Kennzeichnung mit dem Schriftzug „Werbung“ sind beispielsweise auf der Startseite befindliche „Kacheln“, die Werbung enthalten, „besonders gerahmt, genau gekennzeichnet und immer – getrennt vom redaktionellen Inhalt – am unteren Rand zu finden“, betont Babiel. Verlinkungen zu Webseiten Dritter würden mit einem vorgeschalteten Alert-Fenster kenntlich gemacht. Außerdem würden werbliche Inhalte vor der Onlineschaltung „auf Kindertauglichkeit gesichtet“.
Von den elf vom vzbv abgemahnten Anbietern haben sechs eine Unterlassungserklärung abgegeben und haben nun einige Wochen Zeit, ihre Seiten zu ändern. In den Fällen, in denen der vzbv Klage eingereicht hat, wird ein Gericht entscheiden, welche Art der Werbung auf Kinderseiten zulässig ist. Michaela Zinke erwartet mit Spannung die gerichtlichen Verfahren, „da zu dieser Thematik die Rechtslage bisher noch sehr unklar ist“.
Exklusivität beherrscht das Geschäft
Erschwerend kommt für Mediaplaner hinzu: Ihr Spielraum ist nicht nur rechtlich eingeschränkt. Auch ist die Zielgruppe der kleinsten Nachwuchskonsumenten sehr schwer zu erreichen. Zum einen, weil sich Kindergarten- und Grundschulkinder nur in einem eingeschränkten Radius durchs Web bewegen, kontrolliert und gefiltert durch die Eltern. Zum anderen, weil das Geschäft meist an den Media-Agenturen vorbei läuft, wie Dr. André Wiegand, Geschäftsführer von Goldmedia, erklärt: „In Deutschland gibt es etwa 130 pay- und werbefinanzierte Plattformen mit redaktionellen Inhalten für Kinder. Diese sind größtenteils an bestehende Medienangebote angedockt, wie beispielweise Kids Zone oder Nick.de, und verdienen ihr Geld eher durch den Verkauf von Clubmitgliedschaften. Diese Angebote haben meist ein bis zwei exklusive Werbekunden. Werbung von Drittanbietern findet man dort kaum.“ Dementsprechend bewertet Wiegand das Geschäft mit Onlinewerbung auf Kinderportalen eher als „Randthema“.
„Jede Site will Geld verdienen“, hält Agata Strzyzowski dagegen. Die Group Managerin beim Berliner Mediaplaner OMD hat eine ganz andere Erfahrung gemacht: „Jeder Site-Betreiber entscheidet selbst, welche und wie viel Werbung er zulässt. Und das kann recht unterschiedlich ausfallen“, erklärt Strzyzowski. Da Werbung für die meisten Angebote die einzige Refinanzierungsmöglichkeit ist, versuchen die Anbieter ihre Kosten mit Werbekampagnen aufzufangen. Dass eine namhafte und reichweitenstarke Onlineseite einen Werbekunden abgelehnt hätte, weil sie zu viel Werbung auf ihren Seiten fürchtet, hat die Mediaplanerin noch nie erlebt. Eingeschränkte Werbemöglichkeiten sieht sie eher auf kleineren Onlineseiten durch die geringere Reichweite.
Kleinere Anbieter stellen von den 130 Kinderportalen im deutschen Web jedoch den Löwenanteil. Ein Massenmarkt ist die Werbung auf Kinderportalen damit eher nicht. „Da sich Markenbewusstsein und Produktwunsch aber auch bei den Kleinsten immer früher ausprägen, machen Crosspromotions über TV, Zeitschriften und das Web durchaus Sinn“, räumt Goldmedia-Geschäftsführer Wiegand ein. Allerdings werden in absehbarer Zeit die Werbebudgets für Spielsachen und Schokoriegel auch weiterhin eher ins Fernsehen als ins Web investiert.
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