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DISPLAY ADVERTISING - Adblocker

Werbeblockern gemeinsam den Zahn ziehen

Jens von Rauchhaupt, 15. April 2010

Immer mehr Nutzer verwenden browserbasierte Werbeblocker. Das lässt sich beispielhaft an den Downloadzahlen von Adblock Plus, dem wohl meistgenutzten Adblocker in Deutschland, ablesen. Adblocking ist keine Extremsportart, sondern ein Thema, das wie Cookie Deletion ganz oben in der Unbeliebtheitsskala der Branche rangiert.

Irgendwie haben gerade die Deutschen die Geschäftsmodelle der digitalen Medien noch nicht ganz verstanden. Wahrscheinlich interessieren sie sich auch gar nicht dafür, solange die Spiegel, Stern und Focus dieser Welt ihre Inhalte kostenlos zur Verfügung stellen. 40 Prozent aller Deutschen wollen laut einer GFK-Studie vom Dezember 2009 Angebote im Web nicht nur kostenlos, sondern auch noch werbefrei genießen. Werbeblocker wie Adblock Plus für Firefox oder AdBlocker Pro für den Internet Explorer 7 bzw. Adblock IE für den Internet Explorer 8 machen es dem User denkbar einfach, Werbeeinblendungen am Bildschirm zu unterbinden.

Quelle: Mozilla Corporation

Wie groß der Schaden ist, den die User wohl eher unbewusst mit ihren Adblockern bei den gebeutelten Publisher verursachen, ist nicht zu beziffern. Spiegel Online mutmaßt in einem Beitrag zu diesem Thema, dass „5 bis 25 Prozent aller Online-Mediennutzer“ inzwischen Werbung blocken. Paul Mudter, Vorsitzender des Online-Vermarkterkreis (OVK) im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) sagt: „Wir gehen davon aus, dass rund 50 Prozent der deutschen Internetnutzer einen Pop-up-Blocker aktiviert haben.“

Ähnliche Zahlen kennt Erhard Neuman, COO beim Premium-Adserver-Anbieter Adtech: „Etwa 40 Prozent der Pop-ups werden geblockt. Das ist ein relativ konstanter Wert, den wir seit Jahren in dieser Größenordnung kennen. Bei AdBlockern, die erst nach dem AdRequest filtern, nehmen wir einen Wert um ein Prozent an. Werbestopper, die jede Kontaktaufnahme mit dem Adserver unterbinden, sind aus Adserver-Sicht nicht messbar“, erläutert Neumann. Der beliebte Adblocker Adblock Plus für den Firefox Browser ist bei korrekten Einstellungen ein solcher Komplett-Werbestopper, der beispielsweise am 13. April 2010 zwei Mio. deutschsprachige Nutzer vorweisen konnte. Damit entwickelt sich dieses Tool, das weltweit  knapp 10,6 Mio. User täglich nutzen, zu einem echten Reichweitenkiller und ist eine Bedrohung für die Display-Werbeerlöse der Publisher.

Martin Lütgenau, Geschäftsführer der Tomorrow Focus Portal GmbH, sieht das noch nicht so dramatisch „So ein Tool nutzen in der Regel Heavy-User mit sehr gutem Technik-Know-how. Die Verbreitung bleibt damit zurzeit überschaubar. Eine Gefahr wird es aus unserer Sicht erst, wenn die Browser-Anbieter bei Installation oder Updates der Software die User per Check-Box explizit fragen, ob Ads nicht angezeigt werden sollen oder diese Funktion gar vorinstalliert wird.“ Tomorrow Focus hat den Anteil der AdBlocker Nutzung vor einiger Zeit auf den eigenen Sites geprüft: „Er liegt im unteren einstelligen Prozentbereich. Diese Werte kann man ableiten, indem man die Abweichungen zwischen den Daten der gelieferten AdImpressions zu den gemessenen PageImpressions gegenüberstellt. Je nach Website kann dieser Wert stark schwanken: dass der Anteil auf Chip.de höher ist als auf Freundin.de verwundert nicht. Aber selbst bei Chip liegt dieser Wert nicht über 10 Prozent.“  Diese Werte mögen heute noch nicht schmerzen. Doch wenn in naher Zukunft dynamische Systeme jede einzelne AdImpression verkaufen können, wird ein Ausfall von 10 Prozent weit stäker ins Gewicht fallen.

Unbezwingbare Adblocker

Ende November 2009 haben findige französische Entwickler ein neues Softwarepatent in den USA angemeldet, das Adblocker den Garaus machen soll. Wir haben diese für uns doch etwas kryptische Patentrolle von Adtech überprüfen lassen. „Das hier beschriebene Prinzip wirkt offensichtlich bei AdBlockern, die AdRequests erlauben. Wenn der Adserver die Werbung liefert, blendet der AdBlocker diese aus. Die gebräuchlichsten Werbeblocker dagegen, wie AdBlock Plus von Firefox, unterbinden aber bereits die erste Anfrage an den Adserver. In dem Fall bringt die zum Patent angemeldete Methode die Werbebranche nicht weiter“, erläutert Neumann von Adtech.

Martin Schirmbacher,Härting Rechtsanwälte

Selbst wenn es eine technische Lösung gegen Adblocker gäbe, wäre sie hierzulande nicht einsetzbar, wie uns der Fachanwalt Martin Schirmbacher von Härting Rechtsanwälte in Berlin erklärt: „Nach deutschem Recht klar unzulässig ist die Deaktivierung eines vom Nutzer aktivierten AdBlockers. Gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 UWG ist die Lieferung von Werbung unzulässig, obwohl erkennbar ist, dass der angesprochene Marktteilnehmer diese Werbung nicht wünscht. Durch Verwendung eines AdBlockers gibt der Nutzer gerade zu erkennen, dass er von Werbung verschont bleiben möchte. Wird dieser Wille umgangen, liegt ein Rechtsverstoß vor“, erklärt Schirmbacher.

Ein Teil des Werbeblockproblems ist hausgemacht

Ein Grund für das Malheur mit den Werbeblockern sind sicherlich enervierende Werbemittel. Pop-up-Banner, die unter anderem im Affiliate-Marketing noch häufig Verwendung finden, gehören bei den Usern zu den besonders unbeliebten Werbeformaten. Richtig nervig wird es für den Nutzer, wenn sich diese Werbemittel, die den Zugang zum Content versperren, nicht gleich schließen lassen. Kaum verwunderlich also, wenn die Onlinegemeinde hier mit Adblockern zur Selbsthilfe greift.

Karsten Windfelder, 100partnerprogramme.de

Karsten Windfelder, Affiliate-Fachmann und Betreiber von 100partnerprogramme.de, bringt zwar für die User Verständnis auf, kennt aber auch die Tricks in der Szene: „Das Thema Werbeblocker kommt immer wieder mal hoch in der Affiliate-Szene. Sicherlich kann es für den einen oder anderen werbegenervten User sinnvoll sein, einen Werbeblocker zu installieren. In einigen Fällen wird er dann auf Affiliate-Websites aber auch von Informationen abgeschnitten   genau dann, wenn die oft nützlichen Werbelinks Teil des von ihm gesuchten Contents sind. Da Werbeblocker in der Regel auf die klassischen Bannerformate scharf gestellt sind, versuchen einige Affiliates die Problematik mit unüblichen Bannerformaten zu umgehen bzw. die Links zu maskieren.“

Windfelder selbst ist ein ausgesprochener Gegner von Pop-up-Werbemittel. „Ich schließe das gesamte Fenster schneller, als ich es geöffnet habe. Aus Prinzip investiere ich für die Suche des richtigen Schließen-Buttons keine Zeit. Insofern ist der Einsatz dieser Werbemittel für Websitebetreiber höchst kontraproduktiv.“ Umso erstaunlicher ist es, dass in einschlägigen Affiliate-Communitys noch immer Diskussionen laufen, wie die Affiliate-Partner das Blockieren von Pop-ups mithilfe von Skripten umgehen können. Aufklärung über die rechtlichen Konsequenzen tut hier also not. „Die Grenzen sind sicherlich fließend und so kann nur über eine breite Aufklärung eine Lösung gefunden werden. So gestatten es ja manche Netzwerke bzw. Programmbetreiber, die Banner selbst zu hosten. Wenn man weiß, dass Links mit bestimmten Schlüsselbegriffen (ad, banner, partner* etc.) gesperrt werden, werden sich viele Affiliates einen Weg in der Grauzone suchen“, sagt Windfelder.

Daniel Woyteczek, TradeDoubler

Daniel Woyteczek, Director Operations bei TradeDoubler Deutschland bezeichnet Pop-up und Layer Werbeemitel für den Affiliate als „nicht wirklich zielführend und ungeeignet.“ Woyteczek weiter: „Daher beraten wir unsere Advertiser dahingehend, solche Werbemittel nicht als Standardwerbemittel im Affiliate Marketing einzusetzen. Wir gehen davon aus, dass höchstens 2 Prozent der Umsätze im Affiliate Marketing durch Adblocker betroffen sind.“ Laut Woyteczek zeichne sich der Löwenanteil des TradeDoubler-Traffics durch Publisher aus, die nicht mit Pop-Ups oder Layern arbeiten. „Bonussystem-, Gutschein- und Preisvergleichsseiten müssen in der Regel Adblocker nicht fürchten“, sagt Woyteczek, der aber das das Thema Adblocking weiterhin kritisch beobachten werde.

Contentsperre für Nutzer von Werbeblockern

Immer häufiger appellieren Webseitenbetreiber an einen notwendigen Bewusstseinswandel auf Nutzerseite. Das US-amerikanische Technologieblog „Ars Technica“ ging vor einigen Wochen ein Stück weiter: Allen Seitenbesuchern von Ars Technica mit einem aktiven Adblocker hatte man kurzerhand die gesamte Contentauslieferung verweigert. Es hagelte Kritik und Anfeindungen von den Lesern. Bereits nach 12 Stunden war dieser mutige Selbstversuch vorüber. Das Blog wollte seine treuen Leser nicht langfristig vergraulen. Ken Fisher, Chefredakteur von Ars Technica, musste diesen Versuch daher als gescheitert bewerten, freute sich aber neben der PR-Wirksamkeit dieser Aktion auch darüber, dass die Contentsperre gegen die Werbeblocker technisch so gut funktionierte.

Daher stellt sich hier die Frage, wie wohl die deutschen User reagieren würden, wenn alle TOP-AGOF-Premium-Werbeträger zeitgleich für einen Tag eine Contentsperre gegen Adblock-Nutzer einrichten würden. Technisch ist dies machbar, wie es das Beispiel von Ars Technica zeigt, und auch juristisch gibt es nichts dagegen auszusetzen, wie Martin Schirmbacher bestätigt: „Die Zulassung eines Nutzers unter der Voraussetzung eines deaktivierten AdBlockers ist grundsätzlich rechtlich zulässig. Ähnlich wie bei einer Bezahlung macht der Publisher die Zurverfügungstellung der Inhalte von Bedingungen abhängig. Je nach Ausgestaltung der Website im Einzelfall kann es aber aus AGB-rechtlicher Sicht bedenklich sein, die Auslieferung der Inhalte von der Zulassung von Werbung abhängig zu machen.“ Worauf wartet der BVDW also noch, um eine solche Initiative anzustoßen?

Über den Autor/die Autorin:

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