Mit Realtime-Bidding-Plattformen buhlen die Yield-Optimierer in den USA schon seit Längerem um die Gunst der Publisher. Damit will man die Werbeträger in die Lage versetzen, jede einzelne Impression zum bestmöglichen Preis an die Ad Networks zu verkaufen, in Echtzeit versteht sich. Damit können die Publisher mit einer Vielzahl von Ad Networks zusammenarbeiten. Diese börsenähnliche Funktion, die bisher die Inanspruchnahme eines Dienstleisters erfordert, könnte sehr bald in die Adserver der Publisher integriert werden. Der US-amerikanische Yield-Optimierer „Rubicon Project“ hat deswegen vorsorglich schon mal den „Tod“ des klassischen Publisher Adservers ausgerufen. Eine reine PR-Posse oder ist da gar was Wahres dran?
Rubicon CEO als Robin Hood der Publisher
Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, muss der Prophet eben zum Berg, dachte sich wohl Frank Addante, CEO und Gründer von Rubicon Project, und verkündete ausgerechnet zur PaidContent-Konferenz in New York vor knapp einem Monat das Ende des klassischen Publisher-Adservers: „Zurzeit dominiert die Nachfrageseite den Markt. Dies begründet die schlechte Preisentwicklung für die Publisher. Gängige Publisher-Adserver-Technologien sind veraltet und machen es den Sales Units extrem schwer, wirklich effektiv zu arbeiten.“ Addante ging noch weiter: „Unternehmen (er meint die Agenturen), die nur darauf bedacht sind, für ihre Advertiser immer mehr Inventar rauszuholen, sind eine Gefahr für die Publisher. Es reicht nicht mehr, sich auf die gängigen Technologien zu verlassen. Publisher brauchen Technologien, die speziell für ihre Bedürfnisse entwickelt wurden.“
Der Rubicon-Meldung angehängt war eine Liste von neuen Funktionen, die Rubicon in das eigene System noch dieses Jahr einbauen will, darunter auch ein Zugang für automatisches Realtime Bidding. Damit macht Rubicon allem voran erst einmal eines deutlich: Man mutiert selbst zu einem vollen Publisher-Adserver-System mit eingebauter Ertragsmaximierung.
Da staunt der Laie und ein Fachmann wie etwa Erhard Neumann, COO vom Adserver-Anbieter Adtech, wundert sich. Denn die meisten Punkte in der Rubicon-Liste sind Funktionen, die das Adtech-System wie auch andere moderne Konkurrenzprodukte im Bereich Erlösmaximierung längst beherrschen: „Bei Adtech arbeiten wir auf Platzierungsebene, Bannerebene und Preisebene mit unterschiedlichen Maximierungssystemen. Für den Bereich der „offenen Kampagnen“ verfügen wir längst über eine eCPM- (effektiver TKP) Optimierung in Realtime. Echtes Yield-Management fängt für uns und unseren Kunden aber auf der obersten Ebene, dem hochpreisigen Segment an. Hier lohnt sich eine Optimierung doch deutlich mehr als auf den Restplätzen. Wer auf den oberen Kampagnen-Ebenen richtig gut optimiert, braucht sich im unteren Bereich kaum Sorgen zu machen“, sagt Neumann.
Neumann bestätigt aber, dass „offene Schnittstellen für andere Online-Marketing-Tools wie Marktplätze und Optimizer immer wichtiger werden.“ Von einem Tod des Adservers will Neumann aber nichts wissen. „Die Werbung muss ja weiterhin richtig auf den Webseiten ausgeliefert werden. Adserver wird es also immer geben. Yield-Optimierung ist insgesamt längst ein Bestandteil von modernen Adservern. Wenn man unter Yield-Optimierung allerdings die Optimierung der Restplatzvermarktung versteht, ist es sicherlich hilfreich, Unternehmen wie Admeld, Pubmatic oder eben Rubicon Project in Anspruch zu nehmen, die noch einmal die Ad Networks bündeln. Technisch ist das überhaupt keine Rocket Science. Die Kunst liegt hier vielmehr darin, immer den wirklich aktuell besten Preis der teilnehmenden Ad Networks zur erhalten. Und hier gibt es zwischen den besagten Anbietern wohl immense Qualitätsunterschiede. Auf jeden Fall wird es weiterhin zwei Systeme geben. Davon bin ich überzeugt.“
Weniger überzeugt ist Neumann hingegen vom Leistungsvermögen eines Rubicons. „Ein Rubicon ist für mich eher ein Pseudo-Optimierer. Denn die Optimierung auf Restplatzebene ist für sich genommen kein echtes Yield-Management. Richtig ist, dass immer häufiger auf der Ebene der mittelpreisigen Kampagnen Realtime-Selling gefordert wird. Hier macht es am meisten Sinn. Bei einem Netzwerk-Optimierer bekommen die Publisher am Ende nur das Beste vom Schlechten.“
Jörg Klekamp, Vorstand vom deutschen Adserver-Anbieter Adition Technologies, sieht derweil in Rubicons Vorstoß viele richtige Ansätze. Doch der Publisher-Adserver ist für ihn aber deswegen noch lange nicht ein Exponat für das Technikmuseum. „Das ist natürlich auf den US-amerikanischen Markt zu münzen und nicht alles auf den deutschen Markt übertragbar. Wir unterscheiden nach wie vor grundsätzlich nach direkt verkauftem Premiuminventar, über Verkaufsplattformen zur Verfügung gestelltes Premiuminventar und Restplatzinventar. In jedem Segment erfolgt eine interne Optimierung und eine Optimierung nach verschiedenen Zielgrößen über diese Segmente hinweg, die wiederum in Konkurrenz stehen können.“
Doch der zunehmende Druck auf die Publisher, ihre freien Werbeflächen mit Ad-Network- oder Exchange-Kampagnen füllen zu müssen, verlangt aus Sicht von Klekamp schon ein Umdenken in Richtung „Erlös-Maximizer“ für Adserver. „Ja, diesen Erlös-Maximizer muss es geben, indem auf eine oder mehrere Zielgrößen optimiert wird: Hohe Clickrate und damit geringe Reichweitenverluste, die Bevorzugung von Kampagnen, die (in einem User-Segment) einen hohen eCPM/Clickrate etc. erwirtschaften sowie zielgruppenoptimierte Auslieferung und damit Steigerung der Effizienz und Effektivität.“
Direkter Zugang zum dynamischen Budget
Bisher beschränkte sich aber die Yield-Optimierung auf nicht verkaufte Restplätze eines Publishers. Rubicon will jedoch laut Pressemitteilung ein Echtzeit-Bidding-Verfahren auf alle hochpreisigen Werbeplätze des Publishers ausweiten. Das ist tatsächlich neu. Allerdings denken längst auch Adserver-Anbieter in Deutschland an dynamische Systeme, wie Klekamp erläutert. „Die Adaption/Integration von Ad Exchanges oder Ad Networks resultiert in einem direkten Zugang von Werbegeldern, besonders dann, wenn der Weg geebnet wird, um zielgruppenspezifisch und zielgrößenoptimiert Kampagnen zu erstellen.“
Adtech scheint ebenfalls über einen direkten Zugang zu den Werbegeldern nachzudenken, bleibt aber noch etwas vage. „Es stimmt natürlich, dass die Zeiten mit einer 80-prozentigen Auslastung der ‚garantierten Kampagnen‘ vorbei sind. Der Markt fordert immer häufiger Realtime-Selling. Daher arbeiten wir an einer eigenen Marktplatzlösung, die bisherige Möglichkeiten deutlich erweitert. Wir werden mit dem Produkt neue Wege gehen. Welche genau, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht verraten“, erläutert Neumann. Hier bleibt viel Raum für eigene Interpretationsmöglichkeiten: Denkbar ist, dass Adtech alle seine Adserver-Kunden zu einem Marktplatz verknüpfen wird und die Advertiser und Ad Networks dann einen direkten Zugang für ein Realtime-Bidding-Verfahren auf freie Ad Impressions erhalten.
Eine reine Realtime-Selling-Maschine resultiert daraus aber nicht, wie Klekamp von Adition erläutert. „Neben den garantierten Platzierungen, die häufig über eine beratungszentrierte Projektion des Mediaplans auf die optimale Inventarstruktur insbesondere im Bereich ‚Branding‘ abgebildet werden, werden Publisher-Adserver Verfahren unterstützen, die nach den vorgegebenen Zielgrößen das zur Verfügung stehende Inventar nach Preis optimieren, wie es bspw. auch durch Bidding erreicht wird.“
Spezialisten aus der Yield-Optimierung wie Axel Hoehnke, Managing Partner von Improve Digital/Pubmatic Deutschland, einem Mitbewerber von Rubicon Project, trauen der Publisherseite den Aufbau eines Echtzeit-Auktionsmodell indes nicht zu. „Adserver spielen zwangsläufig eine zentrale Rolle in der Zuweisung des idealen Werbemittels zum passenden Zeitpunkt an den richtigen Besucher. Aber die Publisher und ihre Adserver-Anbieter haben nicht die notwendigen technischen Voraussetzungen. Es fehlt an einer derart leistungsfähigen Technologielösung, die Ad Impressions in Echtzeit über alle möglichen Netzwerke auktionieren kann. Die Publisherseite hat auch nicht die notwendigen Verfahren zur Qualitätssicherung, da die Werbenetzwerke übergreifend effizient arbeiten müssen. Schließlich fehlen dem Publisher und seinem Adserver-Anbieter die notwendigen Berichtssysteme, die den Erfolg je Netzwerk, je Zeitraum nach Währungen getrennt ausweisen. Diese Systeme bieten und betreiben nur externe Technologiespezialisten.“
Für Hoehnke ist ein Realtime-Bidding-Auktionsmodell die derzeit beste Lösung für den Publisher. „Nur so hat er die tatsächlich im Markt vorhandene Zahlungsbereitschaft realisiert. Realtime-Bidding ist das einzige Verfahren, das dem Publisher in die Lage versetzt, jede einzelne Impression meistbietend zu auktionieren. Die strategische Dimension ist von entscheidender Bedeutung, denn der Publisher übergibt keine festen Kontingente an externe Netzwerke mehr. Er optimiert die Summe der vorhandenen Netzwerke streng nach der einzigen für ihn relevanten Erfolgsgröße – dem effektiven Tausend-Kontakt-Preis.“
Adserving der Zukunft, ein Tausendsassa
Vom Tod des Publisher Adservers kann keine Rede sein. Adserveranbieter sehen sich eher immer häufiger als Fullservice-Technologieanbieter der digitalen Werbung. „Wir sind auf dem Sprung, die ganze Welt in ihrer fortschreitenden Digitalisierung mit Werbung zu beliefern. Dazu zählen Video- und Mobile Advertising aber auch vernetzte Werbeflächen wie die Bandenwerbung im Stadion bis hin zu Litfaßsäulen und Anzeigentafeln auf öffentlichen Plätzen. In unserem Selbstverständnis als Adserver sehen wir uns schon lange nicht mehr als ‚Bannerschleuder‘, sondern als digitalen Dienstleister, bei dem das eigentliche ‚ad serving‘ nur noch einen Teilbereich ausmacht. So wie wir unsere Tätigkeitsfelder erweitern und neu gewichten, werden auch alle anderen Market Player in neue Bereiche vorstoßen. Und wir mit ihnen“, sagt Neumann.
Klekamp von Adition ist überzeugt: „Ein Adserver der Zukunft muss Anbindung an verschiedene Verkaufskanäle, wie klassischer Vertrieb, Bereitstellung von Exchanges, Ad Networks, oder Schnittstellen hierzu anbieten. Er muss Yield-Management auf Basis unterschiedlicher Zielgrößen wie CPC/CPX/eCPM beherrschen und vor allem die Fähigkeit besitzen, neue Werbeträger, neue Technologien und neue Kanäle wie bisher bei Video, Mobile, Apps und SEM schnellstens einzubinden.“
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