Große Hoffnungen setzen Verlage und der E-Commerce in die neue Tablet-Geräteklasse, die Apple im April hierzulande mit dem iPad einläuten wird. Für viel Aufregung sorgte dabei die Ankündigung von Apple-Chef Steve Jobs, dass das iPad kein Flash unterstützen wird. Könnte die Werbeindustrie auf den Rich-Media-Quasistandard von Adobe überhaupt verzichten?
Sicherlich wird Apple wie seinerzeit mit dem iPhone abermals seiner Vorreiterrolle gerecht und definiert mit dem iPad eine neue Geräteklasse. Nicht nur der US-Medienberater Martin Langeveld ist der Auffassung, dass die neuen Tablet-Geräte die Medienlandschaft fundamental verändern werden. Martin Nisenholtz von der New York Times spricht gar von einer „neuen Version des digitalen Journalismus“ und meint damit vor allem die neuen Erzählstrukturen, die sich über ein Paid-Content-App realisieren lassen. Aber was ist mit dem Standardinternet, das ein User mit einem iPad ansteuert? Warum verzichtet Apple wie bereits beim iPhone auf eine Flash-Integration?
Flash ist der weltweite Standard für Rich-Media-Anwendungen (Filme, Games und Animationen). Nach Angaben von Adobe ist auf 98 Prozent aller Computer Flash als Plug-in im Browser installiert. Damit lassen sich nicht nur Filme auf YouTube und Co. abspielen, sondern auch animierte und vor allem interaktive Werbemittel auf den Bildschirmen der User aufspielen. „Hochwertige Display-Werbung ist ohne Flash im Moment undenkbar“, meint Frank Lefering, Director Account Management Germany bei Flashtalking, dem britischen Rich-Media-Ad-Serving-Dienstleister, der alle Rich-Media- und Video-Werbemittel mittels Flash-Technologie ausliefert. „Wir werden auch weiterhin auf Flash setzen. Flash hat sich als die Schlüsseltechnologie für die Onlinewerbung durchgesetzt.“
Deutschlandchef des Rich-Media-Adserver-Pioniers Eyeblaster, Christoph Benning meint: „Flash ist das Basis-Tool für die Kreativen, was die Zukunft bringt, wird sich zeigen. Das Bessere ist der Feind des Guten.“ Benning sieht für sein Geschäftsmodell allerdings keine Gefahr. „Nein, das ist kein Problem. Man kann sich die Frage stellen, ob Apple sich damit einen Gefallen getan hat. Ein einheitliches System hat Vorteile. Erst muss das iPad ein Erfolg werden, dann sehen wir weiter.“
Ob das iPad erfolgreich sein wird, steht natürlich in den Sternen. Ein Blick auf die Verkaufszahlen des kleinen iPad-Bruders, dem iPhone, könnte zum Vergleich hilfreich sein: Gut 42 Mio. iPhones hat Apple inzwischen an den Mann bzw. Frau bringen können. In Deutschland sind es laut Deutscher Telekom 1, 5 Mio. , in UK bereits über 2 Mio. und in den USA deutlich über 20 Mio. Geräte. Das ist schon beachtlich, aber Apple benötigte dafür 3 Jahre und dieses Mal wird die Konkurrenz nicht so lange schlafen.
Was aber für die Werbeindustrie viel entscheidender ist: Gerade einmal 0,7 Prozent aller weltweiten Webaufrufe kommen laut dem Computermagazin CT Ausgabe 6/2010 von einem iPhone. „Ich glaube kaum, dass jetzt alle Welt plötzlich ein iPad nutzen wird. Selbst wenn Apple mit dem iPad ein durchschlagender Erfolg gelingt, wird dies eher ein schleichender Prozess und die Industrie wird genügend Zeit haben, um andere Plug-ins für das iPad zu entwickeln“, meint Lefering von Flashtalking. Fakt bleibt aber erst einmal: Auf Flash basierte Rich-Media-Werbeauslieferungen werden auf dem iPad nicht funktionieren. Stattdessen erscheint ein blauer Legostein, der die Werbefläche auf der aufgerufenen Website zieren wird.
Ein besonders wichtiger Punkt für Flash ist die lange Marktpräsenz. Die erste Version von Flash gibt es bereits seit 1997. Ganze Legionen von Kreativen sind mit diesem Produkt groß geworden. „Die Flashkenntnisse in den Agenturen sind exzellent, jeder weiß, wie er Werbemittel programmieren muss, dass sie einwandfrei laufen können. Flash ist aufgrund der hohen Verbreitung akzeptiert, es macht auch im Interesse der Agenturen und Kunden wenig Sinn, technische Kleinstaaterei zu betreiben. Das bringt niemandem Vorteile“, erläutert Benning.
Für Damien Rodgett, Kreativchef von pilot 1/0, gibt es eigentlich keine Alternativen: Publisher, Adserver-Anbieter und Advertiser unterstützen Flash vollständig. Wir haben Zeit, Geld und Schweiß in unsere Flash-Kompetenz investiert. Es gibt für uns überhaupt keinen Grund dieses Tool zu wechseln. Es ist der beste Weg, um zuverlässig Rich-Media-Werbung über alle relevanten Browser auszuliefern. Flash ist überall auf der Welt der Standard und hat sich mit seiner Stabilität und einem guten Produkt-Support in der Werbebranche etabliert.“
Apples Beweggründe
Warum nun Apple sich beim iPad gegen Flash ausgesprochen hat, lässt sich nicht einfach beantworten. Offiziell ist allerorts zu lesen, dass Flash generell bei Apple Performanceprobleme verursacht und man deshalb schon beim iPhone-Betriebssystem, welches auch auf dem iPad laufen soll, auf Flash verzichtet hat. „Flash ist bereits auf dem Mac OS-Betriebssystem wirklich sehr prozessorlastig. Das ist besonders bei mobilen Endgeräten kritisch, wenn die Systemressourcen so stark ausgelastet werden, dass sich das auf die Akku-Laufzeit niederschlägt“, meint der Mobile-Experte Christian Twellmann vom Beratungsunternehmen mpilot.
Viele vermuten allerdings noch ein anderes Motiv aufseiten von Apple. Vielleicht soll der User gar nicht einfach das Internet in gewohnter Rich-Media-Pracht auf einen 10-Zoll-Bildschirm genießen, sondern sich eher mit kostenpflichtigen und eigens für die Apple-Geräte entwickelten Apps eindecken, wie auch Rodgett meint: „Apple will mit den Apps auf der iTunes-Plattform vor allem Geld verdienen. Dies ist der beste Weg, um die Erlöse darauf zu lenken. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass dies so bleiben wird. Früher oder später wird Apple Flash-in-Page-Werbung über den Safari-Browser erlauben. Das ist nur eine Frage der Zeit. Wie immer bei Apple werden die Early Adopters dafür den Preis bezahlen. Apple wird aber nicht so kurzsichtig sein und Flash langfristig außen vor lassen.“
Dass Apple dabei ausschließlich das Geschäft mit iTunes im Sinn hat, glaubt Twellmann indes nicht. „Apple ist in erster Linie ein Hardwarehersteller, der seine Geräte verkaufen möchte. Ich denke, der App Store ist für sie noch immer ein – wenn auch lukratives – Nebengeschäft.“ Die fehlende Flash-Unterstützung auf dem iPad erklärt Twellmann so: „Wenn Apple Flash zuließe, könnte jeder über den Browser Software für die Apple-Geräte herstellen. Aber genau das will Apple nicht. Hier geht es auch um einen möglichen Kontrollverlust. Apple tut ja sehr viel für seine Entwickler, stellt tolle Tools bereit. Ich denke, Apple möchte einfach, dass die User über die Apps mit dem Gerät interagieren sollen. Gleichzeitig sollen die Entwickler langfristig an Apple gebunden werden."
Mögliche Alternativen zu Flash
Das bekannteste Pendant zu Flash ist ein Microsoft-Produkt und stellt daher strategisch wohl kaum eine Option für Apple dar. „Es gibt mit Silverlight von Microsoft noch andere interessante Technologien, womit man vielerlei Kreativleistungen hervorragend umsetzen kann. Allerdings ist das Plug-in von Silverlight längst nicht so weit verbreitet wie das von Flash. Außerdem gibt es hierzulande kaum Kreativ-Agenturen, die bisher den Umstieg von Flash auf Silverlight gewagt haben”, sagt Lefering.
Interessant ist allerdings, dass die Rich-Media-Adserver-Anbieter eine gewisse Flexibilität vorweisen können, wie Benning von Eyeblaster erläutert: „Unser System ist bereits so offen angelegt, so dass man z.B. bei uns auch Silverlight ausliefern kann. Sollte eine andere Technologie relevant werden, dann bin ich mir sicher, dass auch diese kurzfristig integriert werden kann.“ Als zukunftsträchtigste Alternative wird immer wieder HTML 5 ins Spiel gebracht, das auch den so wichtigen Videocodec H.264 beherrscht. „Für uns gibt es für die Verwendung von HTML 5 im Bereich Online-Advertising zurzeit noch keine konkreten Ansatzpunkte“, meint Lefering. Vor allem krankt HTML 5 an einer mangelnden Browserunterstützung, da der markterhebliche Firefox-Browser von Mozilla damit nicht umgehen kann.
Fazit - Flash bleibt unverzichtbar
Selbst wenn das iPad beim Verbraucher einschlägt wie eine Bombe, bedarf es einiger Zeit, die die Industrie dazu nützen könnte, gute Alternativen zu Flash für das iPad zu entwickeln. Allerdings wird dies nicht nötig sein. Denn Apple wird sich vermutlich nicht langfristig der Flash-Unterstützung verwehren und die Konkurrenz wird diesmal wesentlich schneller mit Tablet-Geräten zurückschlagen. Denn ganz ohne durch Flash unterstützte Rich-Media-Werbung stünde es laut Damien Rodgett schlecht ums Geschäft. „Dann wären wir wieder im Jahr 1995, als animierte Gif-Banner als kreatives Highlight die Branche dominierten. Keine angenehme Aussicht – mit anderen Worten: Es wäre das Ende aller emotionalen und kreativen Werbemöglichkeiten, die unsere Markenkunden ja gerade zu schätzen gelernt haben.“
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