Das Thema Hybrid-TV nimmt Fahrt auf. Zuletzt sickerte durch, dass Google zusammen mit dem US-amerikanischen TV-Sender DISH Network eine neue Programmsuche testet, die klassisches Fernsehen mit Online-Content verbindet. Mit der Fusion von Fernsehen und Internet steht die Medienlandschaft erneut vor einem Wandel. Wie sieht das hybride Fernsehen der Zukunft aus? Am 23. Februar organisierte Hamburg@Work den zweiten newTV Kongress. Unser Adzine TV Team war für Sie vor Ort.
ADZINE TV hat mit Robert Amlung (ZDF), Rahul Chakkara (BBC), Torsten Hoffmann (Global Media Consult) und Kai Flatau (Arbeitsgruppe newTV Hamburg) vier interessante Gesprächspartner angetroffen.
ZDF bewies Bodenhaftung
Robert Amlung, verantwortlich für Digitale Strategien beim ZDF, machte deutlich: „Das ZDF verschläft nichts“, wenn es um das Fernsehen der Zukunft geht. Amlung präsentierte in seinem Vortrag den bisherigen Einsatz des ZDF im Internet, der vor allem von Kooperationen mit YouTube und dem Ausbau der eigenen Mediathek geprägt ist. In Mainz ist man sich bewusst, dass die jungen Zuschauer wenig vom klassischen Fernsehen halten. In unserem Interview erklärt Amlung aber auch den neuen HbbTV-Standard und warum das ZDF sich so vehement für diesen Standard einsetzt.
BBC hat Olympia fest im Blick
Highlight der Veranstaltung war sicherlich die Keynote des Briten Rahul Chakkara, der die zukünftigen TV-Plattformen der BBC vorantreibt. Die Briten können beim Thema Interaktivität auf jede Menge Erfahrung zurückgreifen. Das „Red Button“-Angebot gilt als absoluter Vorreiter des interaktiven Fernsehens. Chakkara berichtete zudem über die Erfahrung, die BBC mit dem iPlayer (nichtlineares Fernsehen/Captured TV) gemacht hat, und dem neuen „Project Canvas“-Standard, der mit dem neuen europäischen HbbTV-Standard nun hinsichtlich des IPTV kooperieren wird. Für die Briten gibt es einen festen Zielpunkt für die inhaltliche Verschmelzung von Internet und dem klassischen Fernsehen: Die Sommerolympiade 2012 in London. Chakkara zeigte, wie sich die BBC eine interaktive Programmgestaltung mithilfe des Internets vorstellt. Die BBC hat für das Project Canvas von vornherein die British Telecom, den ISP Provider TalkTalk sowie die Free-TV-Station ITV und den TV-Sender Channel 4 für sein Hybrid-TV mit ins Boot genommen.
Heftige Diskussionen beim „Kampf ums Wohnzimmer“
Leitthema der Panel-Diskussion des newTV Kongress war die Suche nach der Cash Cow, also die Frage, wie die (IP)TV-Sender in der Zukunft ein interaktives Programmangebot auch monetarisieren können. Doch gleich vorweg: Die Cash Cow hatten die Teilnehmer dieses Jahr noch nicht gefunden. Stattdessen herrschte eher Unstimmigkeit darüber, wie man den Verbraucher zur Kasse bitten soll. Gert von Manteufel, Vizepräsident IPTV bei Deutsche Telekom, favorisierte natürlich einen kontrollierten Zugang wie den von T-Home. Das traf bei Wolfgang Bscheid, Geschäftsführer der Agentur mediascale, auf totales Unverständnis.
Bscheid kritisierte, dass ein „Haushaltsanbieter (Internet & Telefon) wie die Deutsche Telekom nicht auch noch das Billing für das Fernsehen kontrollieren sollte. „Lassen Sie die Verbraucher entscheiden, was und wie sie fernsehen wollen.“ Bscheid war der Auffassung, dass eine Art automatische Selektion durch den Verbraucher stattfinden wird. Jan Wendt von der MMH, einer der neuen Treiber für hybrides Fernsehen für CE-Geräte, bestätigte, dass die Relevanz des Contents eine Verbraucherfrage ist. Allerdings sieht Wendt sehr wohl die Telcos und Kabelnetzbetreiber als die Treiber des hybriden Fernsehens, die damit auch beim Billing ein Wörtchen mitzureden haben. Damit konnte sich wiederum Andreas Karanas von Teveo Interactive nicht anfreunden. Das Beispiel von T-Home zeige doch, dass dort das Content-Angebot für die derzeit 1 Mio. Nutzer viel zu schwach ausgelegt sei und beim Verbraucher dieses Konzept auf wenig Gegenliebe stoße. Teveo hat ein neues Billing-Verfahren für die Verbraucher entwickelt, welches sich das auf ein „freies“ TV anwenden lässt.
Vor Hybrid kommt die Fernbedienung
Torsten Hoffmann von Global Media Consult hatte mit seinem interessanten Vortrag deutlich gemacht, wie sehr die Fernsehlandschaft sich fragmentieren wird. Da heißt es für die Sender vor allem eins: Kosten sparen und zusätzliche Erlösmodelle finden. Im Gespräch mit Adzine TV erläutert Hoffmann zudem, wieso das Mobiltelefon oder auch Tablet-Geräte wie das iPad in den Integrationsprozess von klassischem Fernsehen und Internet eine Rolle spielen könnten.
Der Kreativität kaum Grenzen gesetzt
Durch die Ratifizierung des 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrages durch die Bundesländer wird Product Placement ab dem 01. April 2010 zulässig. Damit eröffnen sich für die Werbungtreibenden völlig neue Möglichkeiten. Der Kreativität sind damit gerade im Bereich Hybrid-TV kaum Grenzen gesetzt sein. Der TV-Berater Kai Flatau stand uns als Leiter der Hamburger Arbeitsgruppe newTV Rede und Antwort.
Werbung - völlig vernachlässigt
Die Veranstaltung war bis zum letzten Platz ausverkauft. Und man muss Hamburg@work ein großes Kompliment für das spannende Programm und den reibungslosen Ablauf des Kongresses machen. Der Schlussvortrag „TV-Trends der nächsten Jahre“ von Norbert Hillinger, TrendONE, löste bei allen Teilnehmern großes Erstaunen aus. Oder wussten Sie, dass man in Deutschland bereits einen Netzhautbildschirm entwickelt? Allerdings war es auffallend, wie wenig über Werbung als mögliches Erlösmodell für das hybride Fernsehen gesprochen wurde. Denn wer sich die auf dem Kongress ausgestellten CE- (Consumer Electronics) Geräte mit Internetanschluss betrachtet hat, könnte auch zur Annahme kommen, dass das Internet das Fernsehen der Zukunft bestimmen wird und proprietäre Angebote eher schlechte Karten haben werden. Aber vielleicht wissen wir bis zum nächsten newTV Kongress bereits alle mehr.
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