Display ist kein geschlossenes System
Arne Schulze-Geißler, 19. März 2010Aggregation und Optimierung beschreibt das Treiben auf den digitalen Werbemärkten heute wohl recht gut. An unzähligen Stellen werden nicht verkauftes Online-Inventar und Performance-Kampagnen aggregiert, meist mit dem Versprechen, Vorteile für Werbekunden oder Publisher zu realisieren. Neue Plattformen und Dienstleister schießen wie Unkraut aus dem Boden. Sie haben auf alle Fragen eine Antwort und eine riesige Blackbox, angeblich vollgestopft mit Technologie und Know-how.
Die meisten dieser Modelle haben ihren Ursprung in den USA, sie heißen beispielsweise Rubicon, Pubmatic, Admelt, Bluekai, Mediamath, Invite Media, Data Xu, X+1, und immer mehr von ihnen finden über den Umweg United Kingdom auch zu uns. Ihr Geschäft ist Aggregation und Optimierung. Grundsätzlich können wir bei den neueren Entwicklungen dieser Dienstleister zwei Ansätze unterscheiden, wobei die Anbieter extrem wandlungsfähig sind und auch recht flexibel auf Markterfordernisse reagieren.
Es gibt einerseits den nachfrageorientierten Ansatz, die sogenannten Demand Side Platforms (DSP), und für die Inventarproduzenten gibt es die Supply Side Platforms (SSP). Dabei sprechen wir und sie selbst auch nicht von „herkömmlichen“ Ad Networks oder Marktplätzen, sondern wir befinden uns hier auf einer Meta-Ebene der Aggregation und Optimierung.
Eine DSP wie MediaMath oder InviteMedia verspricht große Vorteile für den Werbekunden. Werbungtreibende oder ihre Agenturen können die DSP zum Einkauf und zur Optimierung über unterschiedliche Trafficlieferanten hinweg nutzen. Die DSP verfügen über Schnittstellen zu Media Exchanges und anderen Reichweitensammelstellen. Die Optimierungskriterien hängen natürlich vom Kunden ab, aber meist läuft es auf möglichst niedrige Cost per Action (CPA) hinaus. Wir merken uns: Eine DSP ist Dienstleister oder Tool für Agenturen und Werbekunden und optimiert Kampagnen auf Inventar verschiedener Trafficaggregatoren. Die Optimierung passiert in einer Blackbox, teilweise wohl auch auch Realtime, aber das ist selbst im Land der Träume USA bei Weitem mehr Wunsch als Realität. Wie viel Handarbeit hierbei Teil des Geschäfts ist, bleibt im Verborgenen. Experten bezweifeln zumindest, dass Rechner technisch überhaupt in der Lage sind, Millionen von Ad Impressions, die pro Sekunde auflaufen, mit mehreren 1.000 Kampagnen abzugleichen, unter Berücksichtigung der User-Profile und der Preise, um dann in Bruchteilen von Sekunden die richtige Entscheidung zu treffen, was zusammen passt. Händisch ist es eben auch nicht zu realisieren, da bleibt dann nur die Blackbox. Solange es funktioniert, interessiert es ja auch niemanden.
Jetzt zur Publisherlösung, die Supply Side Platforms (SSP) versprechen den Websites höhere Erlöse für nicht verkauftes Inventar. Einerseits versuchen die SSP daher, möglichst viel Inventar direkt von Publishern zu aggregieren, und matchen es dann mit Kampagnen aus angeschlossenen Ad Networks. Sie haben also keinen direkten Zugang zu Werbegeldern, sondern sie nutzen vorhandene Kampagnen aus den Ad Networks. Aus Publishersicht handelt es sich also um Ad-Network-Optimierer. In der Theorie soll der einzelne Publisher von der Vielfalt an Kampagnen und Geboten für seinen Traffic profitieren, es wird vom Optimierer immer die erlösmaximierende Verwertung der Impressions versprochen. Das Matching erfolgt dann möglichst durch ein Realtime-Bidding-Verfahren. Obwohl einige SSP immer wieder betonen, dass sie keine Exchange-Plattform seien, kann ich eigentlich keinen Unterschied feststellen. Denn für die oben genannten DSP sind sie eine Trafficquelle wie jede andere. Die internen Optimierungsabläufe sind auch hier wiederum undurchsichtig.
Die wichtigste Frage bleibt aber dennoch, ob wirklich beide Seiten gleichzeitig profitieren können? Was passiert mit 10 Euro, die man auf der Advertiser-Seite reingibt, auf der Publisherseite. Nachdem sich Agentur, DSP, Exchange, Ad Network, SSP ihre Anteile abgezwackt haben, bleiben zum Verteilen auf Publisherseite zumindest schon mal deutlich weniger als die 10 Euro und es sind schon gar nicht 15 oder 20 Euro. Niedrigere CPA bei gleichzeitig höheren effektiven TKP und mehr Auslastung für die Publisher erfordern nicht nur ein besseres Kampagnen-Matching, sondern auch wesentlich mehr Geld im System.
Momentan kann von solchen Plattformen nach meiner Einschätzung eigentlich nur die Einkaufsseite profitieren. Das Problem ist einfach, dass Online-Inventar nicht knapp ist und es vermutlich nie sein wird, daran kann Real-Time-Bidding auch nichts ändern. Keyword Anzeigen bei Google sind ein knappes Gut, nicht allein weil es die Nachfrage gibt, sondern weil es sich um ein geschlossenes System handelt. Daher ist es sogar egal, ob Google selbst den Grad der Knappheit diktiert oder die Nachfrage den Preis bestimmt, man kann die Anzeige nur bei Google kaufen. Für den Display Bereich gelten aber ganz andere Regeln.
Viel Spaß mit Adzine!
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