Diese Woche hat das Consulting Unternehmen Fittkau & Maaß eine Umfrage präsentiert, dessen Ergebnis vielen Werbern übel aufgestoßen sein muss. Bei über 50 Prozent der dort befragten Nutzer stößt profilbasierte Online-Werbung auf Ablehnung, über 60 Prozent fühlen sich dadurch beobachtet. Aufklärung tut also im Bereich Targeting not und vielleicht könnten diesbezüglich neue Entwicklungen aus den USA auch der deutschen Werbebranche zum Vorteil gereichen, um mit Vorurteilen und Unwissenheit auf Nutzerseite aufzuräumen.
Der fast zerbrochene Keks
In den USA herrschte die nackte Angst. Und es hängt noch immer eine Art Damoklesschwert über der Branche. Nachdem man jahrelang völlig sorglos mit übler Adware rumhantierte und beim Behavioral Targeting das Thema Datenschutz/Privacy tunlichst vernachlässigte, ist jetzt Schluss mit lustig. Die FTC (Federal Trade Commission) droht mit einem Verbot von Third Party Cookies, wenn die Werbeindustrie nicht selbst handelt. Träte ein solches Verbot in Kraft, wären websiteübergreifendes Retargeting, Behavioral Targeting bzw. das dazugehörige Profiling und Frequency Capping Schnee von gestern. Einzelne, reichweitenstarke Portale würden an Bedeutung gewinnen, während Werbeaggregatoren wie Ad Networks und Exchanges die klaren Verlierer eines solchen Third Party Cookie Verbots wären.
*Doch die Amerikaner wären nicht Amerikaner, wenn sie nicht nach vorne schauten und schnell handelten. Und genau das tut die US-Branche. In einem illustren Zusammenschluss von u.a. Google, Yahoo, Microsoft, der American Association of Advertising Agencies (4A´s), der Association of National Advertisers (ANA), den Industrieverbänden Direct Marketing Association (DMA), Network Advertising Initiative (NAI), Interactive Advertising Bureau ( IAB) und Council of Better Business Bureaus (CBBB) sowie großen Werbetreibenden wie Procter & Gamble, aber auch General Electric setzte man sich im Juli 2009 zusammen und hat einen Art Masterplan* entworfen, der vor allem auf Aufklärung, Transparenz und Wahlfreiheit für den Internetnutzer hinsichtlich interessenbasierter Werbung setzt.
Es geht also um genau den Themenbereich, den Fittkau & Maaß im Ergebnis seiner Befragung in Deutschland etwas unglücklich als „personalisierte Werbung“ bezeichnet hat. Unglücklich deshalb, weil es in der Studie gar nicht um personalisierte Werbung, sondern um profilbasierte Werbung geht. Nicht umsonst lassen sich seriöse Targeting-Dienstleister hierzulande vom strengen ULD (Unabhängiges Datenschutzzentrum Schleswig-Holstein) Kiel auf Datenschutzkonformität überprüfen. **
Zurück zu den Amis: Das Ergebnis der amerikanischen Zusammenkunft ist ein kleines i-Symbol, das ab dem Sommer alle Werbebanner in den Staaten zieren wird und dem User nach Klick auf das Symbol darüber aufklärt, warum er gerade diese, zu ihm passende Werbeeinblendung erhalten hat. Ein ganz ähnliches Symbol setzt Google übrigens bereits in Deutschland für sein Interest-Based-Ads-Programm (IBA) ein, allerdings mit einem Zusatz: Auf der Landingpage macht der Searchgigant nicht nur Werbung für sein AdSense-Programm, sondern verlinkt die Seite auch mit dem IBA-Anzeigenmanager mitsamt der Möglichkeit eines Opt-outs. Mit diesem Plug-in partizipiert der User nicht mehr am IBA-Programm und Google spielt dem Websurfer keine interessenbasierte Werbung aus dem Google-Netzwerk ein.
„Im letzten Jahr Oktober haben wir bekannt gegeben, dass wir den Hinweis auf ‘Google-Anzeigen‘ bei Text- und Image-Anzeigen auf Rich-Media-Anzeigen erweitern. Fährt der Nutzer über das i-Symbol erweitert sich dieses zu ‘Google Anzeigen‘. Nach einem Klick darauf bekommt der Nutzer weitere Informationen über unsere Online-Anzeigen. Damit geben wir Nutzern höhere Transparenz über die Werbung, die sie zu sehen bekommen, sowie mehr Wahlmöglichkeiten mithilfe der Verlinkung zum Anzeigenvorgaben-Manager. Mithilfe dieses Tools können Nutzer Interessenkategorien hinzufügen oder entfernen, die wir ihrem Browser zugeteilt haben und die die Anzeigen, die sie zu sehen bekommen, beeinflussen ebenfalls können Nutzer mit diesem Tool wählen, keine interessenbasierten Anzeigen mehr ausgespielt zu bekommen", erklärt Lena Wagner von Google Deutschland, die zudem hinsichtlich des neuen US-amerikanischen i-Symbols berichtet, dass „Google sich hier an den Diskussionen mit den Branchenvertretern beteiligt und weitere Optionen derzeit überprüft.“ Aus dieser doch arg politischen Aussage lässt sich letztlich entnehmen, dass noch nicht feststeht, ob Mountain View dem amerikanischen i-Symbol mit gemeinsamer Landingpage der Industrie folgen oder es bei seinem eigenen Weg belassen wird.
Also O wie Opt-out
Die FOMA (Fachforum Online-Mediaagenturen) hat unlängst die immense Bedeutung von Behavioral Advertising für die Online-Werbebranche in einem Manifest herausgestellt. Den US-amerikanischen Vorstoß kommentiert Uli Kramer, Geschäftsführer bei der Mediaagentur pilot und zugleich Sprecher der FOMA so: „Ein spannendes Thema. Ein solcher Standard-Hinweis könnte in der Tat eine von mehreren Möglichkeiten sein, den Nutzer kompetent zum Thema Targeting zu informieren und ihm eine Opt-Out-Möglichkeit anzubieten. Zurzeit werden diverse Ansätze innerhalb der FOMA-Agenturen diskutiert und in die Abstimmung mit den Marktpartnern eingebracht.“
Eine Opt-out-Methode wurde in den Vereinigten Staaten bereits Ende des Jahres durch die Ad Network Initiative NAI realisiert. Schon jetzt kann der Nutzer auf der NAI-Homepage einen „Consumer Opt-out“ vornehmen, der alle persistenten Behavioral Advertising Cookies der NAI beteiligten Ad Networks ausschließt. Auch Google ist übrigens Mitglied der NAI. Zudem bietet die NAI dem User den „Consumer Opt-out“ als Firefox Add-On an. Es ist daher zu vermuten, dass die gemeinsame i-Symbol-Initiative der US-amerikanischen Werbeindustrie auf der Landingpage einen General-Opt-out beinhalten wird. Damit würde man dem Wunsch nach Wahlfreiheit aufseiten des Internetnutzers durchaus genügen können.
Dieses Prozedere könnte auch der deutschen Werbeindustrie als Vorbild dienen. Doch das klingt leichter, als es sich in der Realität darstellt: „Eine Informationskampagne muss von allen Marktpartnern getragen werden, die am Targeting-Prozess beteiligt sind. Dazu zählen nicht nur die Medien und die Agenturen, sondern auch die Werbungtreibenden jeweils repräsentiert durch ihre Interessenvertretungen“, erläutert Uli Kramer, der nicht an eine direkte Zusammenarbeit mit den nun bald auf diesen Gebiet erfahrenen US-Amerikanern glaubt: „Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie die Art und Weise, wie Targeting hier und in den USA betrieben wird, unterscheiden sich teilweise erheblich. Der Abstimmungsbedarf wäre hoch und würde den Start einer Informationskampagne verzögern. Der Fokus sollte meines Erachtens daher zunächst auf einer nationalen oder europäischen Lösung liegen. Wenn sich dann weitergehende Möglichkeiten der Zusammenarbeit ergeben, ist das natürlich erfreulich.“
Fazit
Die Zeit drängt plötzlich. Nachdem Experten vom Isec-Forschungslabor der Technischen Universität Wien aufgedeckt haben wollen, dass Social Networks User wegen History Stealing um ihre Anonymität fürchten müssen, werden Online-Werbekritiker bald undifferenziert dazu übergehen, das gesamte Thema Werbung, Cookie, Third Party Cookie und Targeting in einen Topf zu werfen. Daher wäre schnelles und verbandsübergreifendes Handeln wohl das Gebot der Stunde. Und es tut nicht immer weh, sich die USA als Vorbild zu nehmen. Denn dort wird die Branche höchstwahrscheinlich noch mit einem blauen i-Symbol davonkommen.
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