Verhaltensbasierte Werbung ist das Fachgebiet von Stephan Noller, CEO vom Predictive Behavioral Targeting Anbieter nugg.ad. Zudem ist Stephan Noller Chairman des Policy Committee IAB Europe. Daher wollten wir von ihm wissen, was er von der US-amerikanischen Initiative weiß und wie eigentlich die transatlantische Zusammenarbeit im IAB funktioniert.
Adzine: Herr Noller, was wissen Sie über das i-Symbol und was halten Sie von dieser Initiative. War der IAB Europe eigentlich involviert?
Stephan Noller: IAB Europe war bei dieser Initiative nicht aktiv involviert – es ist ja auch ein US-Thema. Natürlich stehen wir aber in einem engen Austausch mit den US-Kollegen und sind über die dortigen Initiativen informiert. Auch die europäischen Initiativen zielen darauf, für den User insbesondere für die Dimensionen „transparency“ und „choice“ deutliche Verbesserungen zu erzielen. Ob dies am Ende über eine Markierung von Werbemitteln oder auf anderen Wegen erzielt wird, halte ich dabei für zweitrangig. Allerdings wird die Industrie sehr wohl daran gemessen werden, ob sie diese Ziele ernsthaft und nachhaltig verfolgt.
Adzine: Brauchen wir in Deutschland nicht auch so eine Art i-Symbol? Neuesten Umfragen zufolge ist auch dem deutschen Michel interessenbasierte Werbeauslieferung zumindest unheimlich. Aufklärung tut noch immer not, oder?
Stephan Noller: Richtig, „education“ ist eines der anderen Prinzipien unserer Arbeit und da werden wir in der nächsten Zeit eine ganze Reihe von Initiativen sehen. Die Industrie muss viel offener davon erzählen, was hinter Targeting steckt, denn die User werden überrascht sein, wie harmlos die verwendeten Daten in der Regel sind und wie umsichtig die Firmen bereits jetzt mit dem Thema umgehen.
Adzine: Wie eng ist die Zusammenarbeit innerhalb des IAB (Mitteleuropa, UK und USA): Werden die Privacy-Maßnahmen in den einzelnen Ländern überhaupt aufeinander abgestimmt oder erörtert?
Stephan Noller: Auch wenn es unwahrscheinlich erscheinen mag, gibt es eine Abstimmung zwischen den einzelnen europäischen Ländern und sie ist sogar sehr eng! Dies hat zum einen damit zu tun, dass die Anforderungen hauptsächlich auf europäischer Ebene formuliert werden, zum anderen aber auch damit, dass im Internet viel mehr als in anderen Branchen Unternehmen in der Regel europa- oder gar weltweite Lösungen benötigen. Das gilt sowohl für die Anbieter von Targeting-Lösungen wie auch für Advertiser und Publisher.
Adzine: In den USA bietet die Ad Network Initiative NAI einen Consumer Opt-out an. Hier können die User die meisten Cookies der Ad Networks auf einen Streich loswerden. Was halten Sie von einem Consumer Opt-out? Wütet in den USA ein wenig „blinder Aktionismus“?
Stephan Noller: Nein, blinder Aktionismus ist das nicht. Da es sich bei den Targeting-Unternehmen und -Technologien in der Regel um für den End-User relativ unbekannte Unternehmen handelt, ist so ein single face to the customer, wenn es um Aufklärung und auch Opt-out geht, eine gute und wahrscheinlich sogar notwendige Idee. Auch auf europäischer Ebene wird intensiv über dieses Thema diskutiert. Allerdings kann ich derzeit leider keine Auskunft zum konkreten Stand der Planung geben.
Adzine: Die SMX hat mit der Keynote „Naht das Ende von Cookies, Tracking und Targeting Techniken?“ von Peter Schaar (Bundesbeauftragter für den Datenschutz) Third Party Cookies zum Thema gemacht. Wieso ist das in Europa überhaupt wieder von Interesse? Die vom Nutzer eingestellten Präferenzen zur Akzeptanz von Cookies gelten doch als Zustimmung zur Datenerhebung. Schließlich heißt es in der EU Richtlinie des Europäischen Parlaments vom 22.10.2009: "Where it is technically possible and effective, in accordance with the relevant provisions of Directive 95/46/EC, the user's consent to processing may be expressed by using the appropriate settings of a browser or other application."
Stephan Noller: Ich kenne natürlich nicht die genauen Beweggründe hinter diesem Vortrag, allerdings halte ich einen Abgesang auf Targeting-Techniken tatsächlich nicht für angemessen. Viel wichtiger an dem aktuellen Prozess ist die Tatsache, dass Politik, Datenschützer und Industrie zu einem Ergebnis kommen, das dauerhaft vertrauenswürdige Lösungen für den User und natürlich auch die Werbetreibenden zur Folge hat. Das halte ich für einen großen Fortschritt, denn Targeting-Technologien sind inzwischen aus dem Online-Marketing nicht mehr wegzudenken und einer der Haupttreiber für die vergleichsweise gute Entwicklung des Online-Werbemarktes in der Krise. Diese Entwicklung sollte von den Datenschützern nicht verteufelt, sondern aktiv begleitet und gestaltet werden, wie das ja in der Vergangenheit z.B. mit der Zertifizierung von Targeting-Systemen durch das ULD bereits der Fall war. Targeting stützt und ermöglicht unzählige und von Millionen Usern genutzte Services im Internet und verhilft zu mehr Relevanz in der Werbung. Davon gibt es keinen Weg zurück, aber wir müssen mehr Transparenz schaffen, aufklären und den Usern die Möglichkeit geben, über einen ernst zu nehmenden Opt-out-Mechanismus jederzeit aus dem Tracking ausgeschlossen zu werden.
Vielen Dank für das Gespräch!
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