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SOCIAL MEDIA - Editorial

Trau keinem Freund!

Arne Schulze-Geißler, 11. Februar 2010

Schon gar nicht den Facebook-Freunden, wie Sie nachher sehen werden. Dabei wird ja allerorts die wachsende Bedeutung des digitalen Empfehlungsmarketings betont. Ich kann das für Social Networks oder Communitys nachvollziehen, in denen es in erster Linie um Konsum, Produkte und deren Bewertung geht. Nicht nachvollziehen kann ich das für Plattformen wie Facebook. Schon in Kürze werden wir trotzdem auf Facebook mit Werbemitteln von Unternehmen versorgt werden, die uns mitteilen, welcher unserer „Freunde“ ein Fan ihres Unternehmens ist.

Was kann dieses vollautomatisierte Empfehlungsmarketing und -targeting wert sein? Nicht nur weil wir ja wissen, wie viele echte Freunde wir bei Facebook haben, sondern weil es nach 2-3 Kampagnen auch langweilig wird. Danach hakt man es als Standard-Gimmick im Facebook-Kosmos ab. Bei den Statusmeldungen geht das ja mittlerweile auch unter, wer Fan von was ist, wen interessiert das? Je mehr wir mit inhaltslosen Meldungen zugemüllt werden, desto weniger Bedeutung bekommt die Einzelmeldung, erst recht wenn sie kommerziellen Charakter hat.

Was für ein Gewicht hat da doch immer noch eine persönliche E-Mail mit einer individuellen Empfehlung oder sogar Einladung. Aber auch in diesem Segment kennt sich Facebook bestens aus. Ich wunderte mich nicht schlecht, als ich Anfang dieses Jahres eine E-Mail von einem guten Freund und ehemaligen Studienkollegen mit einer Einladung zu Facebook bekam. Ich wunderte mich daher so sehr, weil ich mal lange mit dem besagten Freund über Sinn und Zweck von Xing diskutiert hatte und er definitiv zu den absoluten Community-Skeptikern gehörte, er also definitiv niemand ist, der sein Familienalbum in einem Social Network veröffentlicht. Zudem wunderte ich mich natürlich auch, warum er mich nicht einfach über Facebook als Freund hinzugefügt hat, weil ich ja schon längst einen Facebook-Account hatte.

Nun, dafür gibt es im Wesentlichen eine Erklärung, mein Freund wusste gar nicht, dass er mir diese E-Mail geschrieben hatte, das hatte freundlicherweise Facebook ganz allein veranlasst, weil das Unternehmen sich nun mal berufen fühlt, alte Freunde wieder zusammenzubringen.

Facebook Einladungsmail im Namen eines ahnungslosen Absenders

Ich hätte an den Formulierungen eigentlich erkennen müssen, dass das nicht die Nachricht eines Freunds ist, aber vermutlich ging ich von einem vorgefertigten Text aus, der dann aber wenigstens individuell und aktiv verschickt wurde.

Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie Facebook E-Mailadressen generiert und diese dann gezielt für eigene Akquisezwecke einsetzt. Aber mal ganz abgesehen von der Adressgenerierung schockiert mich in erster Linie die Unverfrorenheit, wie Facebook im Namen seiner Mitglieder oder vielleicht auch Nicht-Mitglieder Einladungs- und Empfehlungs-E-Mails verschickt. Man stelle sich nur mal vor, wenn eine Bank solche Methoden anwenden würde, weil man das Kleingedruckte nicht gelesen hat.

Facebook ist sich offensichtlich der Verantwortung im Umgang mit Daten nicht bewusst. Das hat vor Jahren schon das naive Vorgehen beim Beacon-Programm gezeigt. Ich traue Facebook auch in Zukunft nicht zu, verantwortungsvoll und auch regelkonform hinsichtlich der entsprechenden Landesgesetzgebung mit persönlichen Daten umzugehen. Auch globale digitale Unternehmen sind lokale Unternehmen und müssen sich an Spielregeln halten. Facebook ist natürlich eine super Plattform, um sich zu vernetzen, aber für die Betreiber ist es in erster Linie ein Unternehmen, das nach Gewinn strebt. Dabei werden die Mitglieder zu instrumentalisierten Marionetten, die als Köder für neue Mitglieder dienen.

Unternehmen sollten sich gut überlegen, wie weit sie im Bereich der Social Networks gehen wollen, wenn sie nicht irgendwann mit unschönen Akquisepraktiken à la Facebook in Verbindung gebracht werden möchten. Vielleicht verschickt Facebook schon bald Mails mit Ihrem Absender.

Viel Spaß mit Adzine!

Über den Autor/die Autorin:

Arne Schulze-Geißler, Herausgeber ADZINE

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