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- Editorial

Agenturen am Drücker

Arne Schulze-Geißler, 4. Februar 2010

Eine verrückte Welt, denn die etablierten Online-Medienmarken haben zwar eine große Bedeutung in der öffentlichen Wahrnehmung, haben aber bisher wenig davon gehabt. Bevor sie in größerem Umfang Geld mit Werbung verdienen konnten, gab es Krisen und fallende Preise, nicht zuletzt weil Social Media und Media-Aggregatoren den Markt mit endlosem Billigtraffic überschwemmen.

Maurice Levy, Chairman und Chief Executive der Publicis Group, war einer der ersten, der laut aussprach, was sich heute immer deutlicher abzeichnet: „Bei Weitem zu viele Unternehmen bauen auf Online-Werbeerlöse und viele werden enttäuscht werden, denn es gibt nicht genug Geld für alle“, erklärte Levy 2007 und scheute zudem nicht den Vergleich mit dem Beginn des Dotcom-Crashes vor etwa 10 Jahren.

Der Publicis-Boss hatte wohl Recht, dass es nicht für alle reicht. Für Lycos hat es nicht gereicht, für AOL hat es nicht gereicht, für Zoomer, für die Netzeitung und einige andere auch nicht. Aber für wen reicht es am Ende ebenfalls nicht? Für diejenigen, die vergleichsweise teureren Traffic produzieren und ordentliche TKPs zur Refinanzierung brauchen, oder für die Social Network Trafficschleudern, die Online-Inventar zum Nulltarif herstellen können? Zwei Welten treffen hier aufeinander und nun stehen sie da mit ihren Medienmarken, hohen „Stückkosten“ für eine PI und einem viel zu kurzem Hemd und müssen Media-Einkäufern erklären, warum die eigenen Ad Impressions wertiger sind als die „selbst gemachten“ von wo-kommst-du-weg.de.

Trotz guter Argumente, wie einer Medienmarke, garantierten Platzierungen und Laufzeiten, umfangreicher Beratung, Targeting etc., nutzen Agenturen die Situation der Publisher aus und kaufen zu Minimalpreisen ein mit dem Argument, dass dies ihre Kunden erwarten würden. Aber erwarten es die Kunden wirklich? Und noch viel wichtiger: Profitieren die Agenturkunden tatsächlich in vollem Umfang von den günstigen Preisen? Agenturen haben kaum Anreiz, Preisvorteile in vollem Umfang weiterzugeben.

Vergütungsmodelle für Mediaagenturen, die prozentual von der Höhe der Budgets abhängen, machen spätestens dann keinen Sinn mehr, wenn Preislisten keine Bedeutung mehr haben und Agenturen selbst Händler sind. Mediaagenturen sind heute in einer sehr starken Position, sie diktieren Preise in einem Markt, den Werbekunden nicht im Detail durchschauen können. Die Mediaindustrie trägt damit eine riesige Verantwortung nicht nur gegenüber ihren Kunden, sondern auch für die Zukunft der gesamten digitalen Medienlandschaft. Ist sie sich dieser Verantwortung bewusst?

Viel Spaß mit Adzine!

Über den Autor/die Autorin:

Arne Schulze-Geißler, Herausgeber ADZINE

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