Adzine Top-Stories per Newsletter
BRANDING

Achtung Social Media!

Jens von Rauchhaupt, 14. Januar 2010

Social Media ist für die Marken Herausforderung und Chance zugleich. Wir sprachen mit Björn Walter (40), Leiter interaktiv bei der Kommunikations- und Werbeagentur achtung!, über die Bedeutung von Social Media für die Markenkommunikation.

Adzine: Welchen Stellenwert hat Social Media (Social Networks und Messaging wie Twitter) inzwischen für die Markenbindung?

Björn Walter: Unbestritten einen sehr hohen. Gespräche über Marken, Empfehlungen oder Warnungen finden permanent in den Social Media statt. Die Einstellungen zu Marken werden massiv durch die Gespräche unter sich vertrauenden Freunden beeinflusst. Die Frage ist nicht, ob die Social Media Einfluss haben, sondern wie Unternehmen diesen Einfluss steuern können.

Adzine: Wie steuert die Agentur achtung! dort die Markenkommunikation für ihre Kunden, können Sie uns ein Beispiel geben?

Björn Walter, achtung!

Björn Walter: Für unseren Kunden eBay beispielsweise haben wir seit vielen Monaten einen „Deal-Hunter“ im Einsatz. Diese Rolle wird ganz transparent und offen von einer Kommunikationsexpertin von achtung! eingenommen. Sie ist als Mensch auf der Suche nach interessanten Schnäppchen in ihrem Blog, über Twitter und Facebook sichtbar und hat dort durch ihre sympathischen, nützlichen und vor allem regelmäßigen Beiträge viele Freunde oder Follower gefunden. Diese und wiederum ihre Freunde setzen sich dadurch mit der Marke eBay natürlich ganz anders auseinander. Die Marke wird positiv wahrgenommen. Der „Deal-Hunter“ ist also eine Art eBay-Botschafter. Markenkommunikation in den Social Media ist immer eher von langfristiger Überzeugungsarbeit als kurzfristiger Überredungskunst oder Manipulation geprägt.

Adzine: Wer sollte Social Media dominieren: Werbe- oder PR-Experten?

Björn Walter: Die Social Media leben vom Dialog. Experten für Public Relations haben da natürlich einen Vorteil, weil es zu ihrer Kernkompetenz gehört, dialogisch langfristige und robuste Beziehungen aufzubauen. Sie verfolgen das Modell „Vertrauen“. Die Werbung hingegen ist traditionell auf den Monolog spezialisiert, das Modell „Reichweite“. Es gibt genügend Beispiele, die zeigen, wie schwer sich Werber mit sogenannten Social-Media-Kampagnen tun. Doch die Social Media sorgen ohnehin dafür, dass Kommunikationskonzepte heute über verschiedene Kanäle hinweg funktionieren müssen. Gefragt ist daher ein Expertenteam aus unterschiedlichen Disziplinen. Grabenkämpfe um Dominanz sind da kontraproduktiv.

Adzine: Kreation, Mediaplanung und PR – aber wer sollte bei Social-Media-Kampagnen den Lead innehaben?

Björn Walter: Das Ideal ist ein disziplinübergreifendes Team. Ich sehe die PR wegen des Modells „Vertrauen“ im Lead, aber das ist kein Muss. Wichtiger ist der gegenseitige Respekt gegenüber den jeweiligen Kompetenzen. Alle sind gefragt. In Zeiten der Social Media mehr denn je.

Adzine: Muss sich auch die Public Relations im Bereich Social Media neu definieren?

Björn Walter: Die PR hilft Unternehmen und Marken dabei, ihre Ziele mithilfe von Kommunikation zu erreichen. Wenn die Social Media Relevanz besitzen, was ja unstrittig ist, muss sich die PR eben auch um diese „neuen Multiplikatoren“ kümmern. Insofern ist es eigentlich keine Neudefinition, sondern eine Anpassung an die veränderte Mediennutzung. Diese Anpassung ist natürlich auch mit Lernen verbunden.

Adzine: Was macht einen Social-Media-Experten aus? Welche Erfahrung sollte er haben?

Björn Walter: Die notwendigen Erfahrungen speisen sich aus drei Quellen: Erstens muss er Online-Erfahrung besitzen. Das bezieht sich auf technische Zusammenhänge, Projekterfahrung im Onlinebereich, aber auch eigene Erfahrungen in den Social Media. Wer die Möglichkeiten und Folgen nicht kennt, wird kaum beraten können. Zweitens muss er ein Experte für Kommunikation sein, also Zusammenhänge zielorientiert und dennoch fesselnd entwickeln, erzählen und inszenieren können. Und drittens muss er so trivial das klingen mag ein echtes Interesse an Menschen und ihren Meinungen haben. Denn die Social Media basieren auf den Regeln eines freiwilligen Dialogs eben auch wenn es um Marken geht.

Adzine: Ist Social Media überhaupt aus Sicht einer Marke beherrschbar?

Björn Walter: Markensteuerung über Kommunikation und damit meine ich ausdrücklich auch Werbung ist nie beherrschbar. Wer das Gegenteil behauptet, hat entweder ein Eigeninteresse oder wenig Erfahrung. Wir können sie lediglich beeinflussen. Und zugegeben: Das ist wegen der Social Media heute noch schwieriger als bisher. Denn wir sehen täglich, dass sich die Menschen in den Social Media über ihre persönlichen Erfahrungen mit dem Produkt unterhalten, die Marke runtermachen oder anhimmeln. Aber es gibt gar keine Alternative, als sich mit den daraus ergebenden Chancen und Risiken auseinanderzusetzen. Das beginnt beim Social Media Monitoring geht über die Neuorientierung in der Kommunikation bis hin zur Integration von Kunden in eigene Prozesse.

Adzine: Was beinhaltet das Social Media Monitoring denn genau?

Björn Walter: Diese besondere Form des Monitorings soll dem Auftraggeber Auskunft darüber geben, wer im Internet, wann, was über das Unternehmen, die Marke oder zu einem bestimmten Thema sagt. Diese Art des Zuhörens ist ja die Voraussetzung für die Entwicklung geeigneter Social-Media-Aktivitäten und gleichzeitig die Erfolgskontrolle der unternehmerischen Kommunikation: Auf wie vielen Blogs wird mit welcher Tonalität und welchem Einfluss über die veröffentliche Pressemitteilung oder den geschalteten Werbespot diskutiert? So einfach das klingt, so schwierig ist die Umsetzung. Dieser junge Markt wird derzeit geradezu gestürmt von Monitoring-Anbietern, die viel versprechen, oft sogar zu viel. Wenn der Auftraggeber das unkritisch glaubt, wird er zwangsläufig enttäuscht. Dennoch kann die softwaregestützte Analyse ein hervorragender Ausgangspunkt aller Aktivitäten in den Social Media sein – man muss sie eben richtig einsetzen.
 

Vielen Dank für das Gespräch!

Über den Autor/die Autorin: