Bäumchen, rüttel dich und schüttel dich, wirf Gold und Silber über mich – welcher Advertiser träumt nicht davon, möglichst einfach seine Produkte oder Dienstleistungen an den User zu bringen. Doch Rütteln und Schütteln hilft im Internet nun mal nicht. Was also tun, wenn der Kunde zwar die Website oder den Onlineshop des Advertisers besucht hat, dann aber unverrichteter Dinge wieder von dannen zieht? Das Zauberwort heißt Retargeting, eine mächtige Technologie, die trotz ihrer Effizienz nur selten im digitalen Marketing eingesetzt wird.
Einer Umfrage des Performancemarketing-Anbieters advertise.com & der SEMPO (Search Engine Marketing Professional Organization) zufolge haben in den USA nahezu 70 Prozent der befragten Marketingverantwortlichen noch nie Retargeting angewendet. Schön blöd die Amis? Nein, so schnell sollte man sich als Mitteleuropäer nicht aus dem Fenster lehnen. Denn in Deutschland kommt diese Technologie, deren Verwendung auch als „Remarketing“ bezeichnet wird, noch seltener zum Einsatz, wie Wolfgang Bscheid, Geschäftsführer von mediascale, meint: „Ich vermute, dass es in Deutschland sogar 80 Prozent sind, die noch kein Retargeting genutzt haben.“ Bscheid muss es wissen, denn die Agentur mediascale, die sich selbst als Vertriebsoptimierer bezeichnet, kann mit dem New Media Award 2009 für "Efficiency" Erfolge auf diesem Gebiet vorweisen. 300 Kampagnen habe man bei mediascale inzwischen mit Retargeting über das vermarkterübergreifende NE.R.O.-Netzwerk ausgeliefert.
Markieren und wieder einfangen
Besucht der Nutzer einen Webshop oder eine kommerzielle Internetseite, erhält er einen Cookie und damit ist der Advertiser bzw. seine Agentur in der Lage, exakt diesen Kunden erneut im Internet aufzuspüren. Dazu braucht es aber die Unterstützung eines Ad Networks. Und hier gilt die Formel: Je größer die Reichweite des Ad Networks, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, den „markierten“ User zeitnah an sein gezeigtes Interesse mittels Displayanzeige zu erinnern. Diese „Erinnerungswerbebanner“ werden dabei von Ad Networks über eine Datenbank ausgesteuert. Bei einem Sichtkontakt auf einem vom Ad Network gebuchten Werbeplatz des Werbeträgers erhält das Ad Network einen Ad Request vom Werbeträger. Dieser fragt an, welches Werbemittel ausgeliefert werden soll. In diesem Moment liest das System des Ad Networks die Cookies des Users aus. Erkennt das Network einen Cookie wieder, entscheidet es, welches Werbemittel nun zum markierten User passt. „Wir brauchen dabei keine Information vom Publisher. Trägt der Cookie des Users nicht die passende Information, geben wir den Sichtkontakt im Idealfall an den Werbeträger zurück“, sagt Bscheid. **
Vielfältige Einsatzgebiete
Die Einsatzgebiete für Retargeting sind vielfältig. Die Agentur Zed Digital (publicis) setzt Retargeting laut Till Beckhof, Head of Digital Development, zu 80 Prozent dazu ein, um markierte User innerhalb des eigenen Netzwerkes anzusprechen. Auch bei AOL Advertising findet Retargeting seit längerer Zeit seine Anwendung im eigenen Media-Netzwerk. „Besonders Werbetreibende, denen die Performance ihrer Kampagne wichtig ist, nutzen unsere Retargetingtechnologie LeadBack. Die Nutzung von Retargeting nimmt mit wachsendem Bewusstsein um die Effizienz des Retargeting stetig zu und wir empfehlen es allen Kunden, die bei uns eine Performancekampagne buchen“, berichtet Paco Panconcelli, Director Product & Property Consultancy, AOL Advertising.
Für Panconcelli gehört Retargeting schon seit Jahren zu den effizientesten Werbemöglichkeiten bei AOL. Besonders effizient seien Kampagnen, die sowohl im AOL-Media-Netzwerk als auch im Advertising.com-Netzwerk laufen. Damit verbindet AOL Advertising Branding- mit Performancekampagnen. „So ist es zum Beispiel möglich, User, die am Tag 1 ein Homepage-Take-over auf AOL.de gesehen haben, am Tag 2 im Netzwerk mit einer Performancekampagne erneut anzusprechen. Die Branding-Kampagne hätte somit einen direkten und nachweisbaren Effekt auf die Performancekampagne“, erläutert Panconcelli, der aber das Haupteinsatzgebiet wie Bscheid von mediascale in der wiederholten Ansprache von Kaufinteressenten bzw. Warenkorbabbrechern sieht.
Re-Targeting für Online-Shops
Kommen wir also zum Einsatz von Retargeting bei Onlineshops. „Wenn sich ein User in einem Kaufentscheidungsprozess befindet, dann besucht er Internetseiten, die im ‚relevant Set‘ liegen“, sagt Bscheid. „Dieser Seitenbesuch ist für uns die Grundinformation, dass der Internetnutzer sich für das Produkt auf der Webseite interessiert. Dann versuchen wir mit einer Kampagne in der Kaufentscheidungsphase von 4, 6 oder 8 Wochen eine möglichst hohe Zahl an Kontaktfrequenz aufzubauen.“ Bscheid gibt dabei seine Erfahrung zur richtigen Kontaktdosis bei Kaufabbrechern Preis: „In der Kaufentscheidungsphase interessiert sich der User ab einen gewissen Moment nur noch für die Bezugsquelle seiner Produkte. Wer hier als Shop dominant auftritt, überzeugt seine Kunden. Es geht also um die maximale und nicht um die optimale Kontaktdosis. Man kann vielleicht sagen, dass nach 15 Kontakten in der Kaufentscheidungsphase die Grenze an Effektivität erreicht ist.“
Incentivierungen
Incentivierungen spielen bei Retargeting-Kampagnen für Onlineshops eine besonders wichtige Rolle, um das Produkt dem User erneut schmackhaft zu machen „Eine temporäre Produktrelevanz auszunutzen, um gezielte Kaufimpulse beim User zu setzen – das ist der primäre Ansatz des Retargetings. Kaufabbrecher sprechen wir daher mit zusätzlichen Incentivierungen wie beispielsweise einer Versandkostenbefreiung an. Wir setzen gezielt Impulse, um den Aspekt zu finden, der den User davon abgehalten hat, das Produkt in der ersten Session zu kaufen“, erläutert Bscheid. Ähnliches berichtet Panconcelli von AOL: „Zum Beispiel kann in den Retargeting-Werbemitteln ein Gutschein, der Wegfall der Lieferkosten, ein kostenloser Verpackungsservice angeboten werden.“
Dynamische Werbemittel, damit der Schuh endlich passt
Bei der wiederholten Nutzeransprache greift man beim Retargeting immer häufiger auf dynamische Werbemittel zurück. Allerdings ist es oftmals unklar, mit welchen Motiven das Werbebanner ausgeliefert werden soll. „Hier gibt es keinen Königsweg. Es ist ein Spagat zwischen der Nähe zum Produkt aus dem Warenkorb, ohne beim User den Eindruck zu erwecken, er werde beobachtet. Meistens haben die User nicht nur ein Produkt im Warenkorb. Der klassische Fehler ist hier, genau diese Produktmotive auf dem Werbemittel auszuliefern. Dann entsteht sofort der Eindruck, dass der Shop das Nutzungsverhalten dokumentiert“, erläutert Bscheid.
Panconcelli macht die Nutzung der Dynamic Banners abhängig von der Art des Produkts. „Sollte es sich um ein Produkt mit einem kurzen Kaufzyklus handeln, ist es sicherlich empfehlenswert, ein gleichartiges Produkt zu zeigen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der User das Produkt im ersten Schritt nicht gekauft hat, weil es ihm nicht zusagt, ist in diesem Fall relativ groß. Einem User, der sich Tennisschuhe angeschaut hat, sollte man im Retargeting also beispielsweise einen Tennisschläger oder Tennisbekleidung präsentieren. Anders verhält es sich bei Produkten mit langen Kaufzyklen. Hier empfiehlt es sich, das bereits angeschaute Produkt zu zeigen.“
Retargeting Cookie
Ganz entscheidend für den Erfolg von Retargeting-Kampagnen ist neben der Retargetingfähigkeit des Adservers die Qualität der gewonnenen Profile, die letztlich im Cookie des Advertisers stecken. Dazu führt mediascale, die beispielsweise für den Kunden JPC Retargeting für den Onlineshop wom.de einsetzen, eine komplette Website bzw. Shopanalyse durch. „Natürlich nutzen wir auch Erkenntnisse aus der Web Analytics unseres Kunden. Wir definieren gemeinsam mit dem Kunden im Onlineauftritt die Punkte, durch die wir die relevanten Informationen über den Nutzer erhalten können. Dort werden Zählpixel eingebaut, um diese Informationen aufzunehmen.Das ist der Punkt, wo viele Mediaagenturen die Grenzen ihrer Dienstleistung erkennen. Da geht es eher um die Käuferanalyse. Deshalb arbeiten wir oft mit dem Vertriebsteam des Kunden zusammen, das ja mehr über die Struktur der unterschiedlichen Kunden weiß. Diese Kundentypologien versuchen wir dann im Shop zu identifizieren und hinterlegen diese in einem Cookie“, berichtet Bscheid.
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