Welchem Internetnutzer ist dies noch nicht widerfahren: Nach Aufruf mehrerer Webseiten und Schließung des Browsers hat sich im Hintergrund ein sogenanntes Pop-under-Werbemittel eingeschlichen. Aus der Adresszeile des Werbemittels ist zwar ersichtlich, von welchem Ad Server es stammt, doch welche aufgerufene Website nun letztlich für die Werbung verantwortlich war, erschließt sich dem User nicht. ADZINE erfuhr von Rechtsanwalt Dr. Martin Schirmbacher, Fachanwalt für IT-Recht, dass sich die Verwender solcher Werbemaßnahmen auf rechtlich sehr dünnem Eis bewegen.
ADZINE: Herr Schirmbacher. Sind Pop-under-Werbemittel überhaupt rechtlich zulässig?
Schirmbacher: Die in letzter Zeit vermehrt anzutreffende Praxis ist gleich aus mehreren Gründen bedenklich: Zum einen kann ein Pop-under eine unzumutbare Belästigung nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sein. In ähnlicher Weise wie Spam wird der Nutzer durch ein Pop-under belästigt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Pop-under unter Umgehung eines Pop-up-Blockers erscheint. In diesem Fall handelt es sich nämlich um Werbung, obwohl erkennbar ist, dass der Nutzer diese Werbung nicht wünscht (§ 7 Abs. 1 Satz 2 UWG). Lässt sich das Pop-under dagegen von den herkömmlichen Pop-up-Blockern abhalten, ist die Situation nicht so eindeutig. Außerdem kann in einem sich unbemerkt öffnenden Pop-under auch ein Verstoß gegen das Gebot zur Kennzeichnung von kommerzieller Kommunikation liegen. Ist der User nämlich überrascht, wenn er nach dem Schließen der anderen Fenster auf das Pop-under trifft, mag er der Werbung mehr Gewicht beimessen, als einer klar erkennbaren Werbung auf der Website selbst. Ist die Werbung dann nicht als solche gekennzeichnet, liegt auch ein Verstoß gegen § 6 Abs. 1 Nr. 1 des Telemediengesetzes (TMG) vor.
ADZINE: Wie müsste der Verwender das Pop-under kenntlich machen, damit kein Verstoß vorliegt?
Schirmbacher: Viele Werbemittel sind ja von sich heraus als Werbung erkennbar. Blinkt und schreit das übrig gebliebene Fenster daher so, dass jeder Durchschnittsnutzer dies als (lästige) Werbung erkennen kann, bedarf es keiner weiteren Kennzeichnung. Ist das nicht der Fall, muss es eine eindeutige Kennzeichnung („Anzeige“ oder „Werbung“) geben, wie man dies aus der Zeitung gewöhnt ist. Auch diese Kennzeichnung muss dann aber so gestaltet sein, dass man sie auf den ersten Blick wahrnimmt. In jedem Falle unzulässig wäre eine Gestaltung des Werbemittels im Look & Feel der Ausgangsseite.
ADZINE: Gibt es zu dieser Thematik bereits Grundsatzentscheidungen?
Schirmbacher: Aus für Internetverhältnisse grauer Vorzeit existiert eine Gerichtsentscheidung zur Aufpopp-Werbung: Das Landgericht Düsseldorf hat mit einem Urteil vom 26. März 2003 (Aktenzeichen 2a O 186/02) entschieden, dass Exit-Pop-ups rechtswidrig sind. Es liegt nahe, dass die Richter dies für untergeschobene Tabs und Fenster genauso sehen würden. Werden gängige Pop-up-Blocker umgangen, gilt das umso mehr.
ADZINE: Und zivilrechtlich, wer hat was zu befürchten?
Schirmbacher: Wer mit Pop-unders wirbt, setzt sich dem Risiko von Abmahnungen von Konkurrenten und Verbänden aus. Auch Nutzer können wohl gegebenenfalls Unterlassungsansprüche geltend machen. Von solchen Ansprüchen betroffen ist in erster Linie der Werbende. Aber auch den Website-Betreibern kann Ungemach drohen, schließlich profitieren sie ebenfalls von der – rechtswidrigen – Werbung. Noch ist nicht bekannt, dass gegen Pop-unders verstärkt vorgegangen wird. Ausgeschlossen ist das aber nicht.
ADZINE: Ist es nicht auch problematisch, dass der User gar nicht die Ursprungsseite der Werbung nachvollziehen kann. Also der verantwortliche Website-Betreiber im Verborgenem bleibt?
Schirmbacher: Abgesehen vom Gebot zur Kennzeichnung als Werbung sehe ich diesen Aspekt auf den ersten Blick eher nicht so problematisch. Bei Plakatwerbung auf der Straße weiß man ja auch nicht, wer die Werbefläche vermietet hat.
ADZINE: Wie können sich Werbetreibende gegen missbräuchliche Verwendung von Pop-under-Werbemittel schützen?
Schirmbacher: Wichtig für die beteiligten Unternehmen ist, dass sie sich über die Risiken im Klaren sind. Für die Werbetreibenden gilt vor allem, dass sie überhaupt wissen müssen, dass ihre Ads in Pop-unders eingebunden werden. Wer das damit verbundene Risiko scheut, muss jedenfalls vertraglich Vorsorge treffen. Wenn die Werbung nicht direkt, sondern über Agenturen geschaltet wird, müssen die Agenturen verpflichtet werden, bei der Buchung darauf zu achten, bestimmte Werbemethoden auszuschließen. Sind Affiliate-Netzwerke involviert, muss schon in den Partnerbedingungen darauf hingewiesen werden, dass Pop-up- oder Pop-under-Werbung nicht vergütet und als Missbrauch angesehen wird. Im Verhältnis zur Konkurrenz hilft das aber unter Umständen nicht, wie die aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur Haftung des Advertisers für Handlungen des Publishers zeigt.
ADZINE: Und der User? Was können Internetnutzer dagegen unternehmen?
Schirmbacher: Dem User, der Zeit, Mühe und Aufwand scheut, gegen Pop-unders rechtlich vorzugehen, bleibt nur, Websites, die Pop-unders einsetzen, zu meiden. Genug Alternativen gibt es ja in der Regel.
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