Bei allem Verständnis für den viel gepriesenen Dialog mit dem Kunden besteht für große Werbetreibende die primäre Kommunikationsaufgabe darin, eine große Anzahl von Menschen, die sie zu ihrer Zielgruppe zählen, mit Botschaften zu erreichen. Es geht nicht selten um die Akquisition mehrerer Millionen Kunden, sei es für Konsumgüter, Telko-Leistungen, Entertainment, Technik etc.
Wir alle kennen die Stärken des Internets, wenn es um die Messung genau definierter Aktionen des Users geht. Aber wie steht es mit der Planung und Durchführung von Kampagnen, die in größerem Umfang immer noch den Offline-Medien vorbehalten sind? Setzen Marketingverantwortliche und Planer zu Recht auf die bewährten Offline-Vehikel oder kann mittlerweile auch das Internet als Reichweitenmassenmedium mithalten oder sogar bereits seine Stärken ausspielen? Das wollten wir herausfinden und hatten in der Adzine Ausgabe 35/2009 unter dem Titel „Größeren Anforderungen gewachsen?“ folgende Anforderungen an eine Online-Kampagne formuliert:
Ein Markenartikler erwägt, kurzfristig Budgets aus Print und TV für eine große Reichweitenkampagne auf hochwertige digitale Medienmarken umzuschichten. Erste Tests in digitalen Medien hatten ergeben, dass sieben Werbemittelkontakte mit einem Standardwerbemittel in hochwertigen Umfeldern von bekannten digitalen Medienmarken zum besten Ergebnis hinsichtlich positiver Wahrnehmung und Erinnerung bei den Nutzern führten.
In einem Zeitraum von zwei Wochen sollen online mit Standardwerbeformaten 20 Mio. Menschen im Alter zwischen 14 und 49 mit möglichst genau sieben (7) Werbemittelkontakten erreicht werden. Dabei sollen keine AdNetworks zum Einsatz kommen. Der Werbekunde legt keinen Wert auf Startseitenplatzierungen oder spezielle Umfelder. Die Effizienz der Kampagne liegt allein in der gleich verteilten Kontaktfrequenz über die gesamte Reichweite, was durch Reportings belegt werden soll.
Response spielt bei der Kampagne nur eine sekundäre Rolle. Es geht um das Absetzen einer Botschaft, nämlich die Umbenennung einer sehr bekannten Konsumentenmarke. Von der Realisierbarkeit hängt es ab, ob ein Budget von 1,8 Mio. Euro ins Netz fließt. Wenn es möglich ist: Wie sieht das Vorgehen aus? Wenn es nicht möglich ist: Woran scheitert es?
Einen ersten Ansatz liefert Prof. Dr. Bachem von der Strategieberatung Companion aus Berlin, der zunächst zwei kritische Punkte herausstellt, die seiner Meinung auch Einfluss darauf haben werden, ob sich das Internet schnell zu einem vollwertigen Reichweitenmedium entwickeln wird. Drei weitere Lösungsansätze aus der Praxis finden Sie dann im Verlauf der vorliegenden Ausgabe.
Viel Spaß mit Adzine!
Knackpunkte und Lösungsansatz
„1. Knackpunkt: Sie geben eine Kampagnenlaufzeit von 2 Wochen vor, in der netto 20 Mio. Menschen erreicht werden sollen. Die Reichweitenzahlen der AGOF (Uniques) beruhen jedoch auf Quartalsangaben und können nicht unmittelbar auf 2 Wochen heruntergerechnet werden.
2. Knackpunkt: Die Vorgabe von genau sieben Kontakten pro Person. Die AGOF liefert zwar Angaben zur Überschneidung der Nutzerschaft zwischen einzelnen Werbeträgern, die helfen können, die Gesamtreichweite genau zu planen. Die AGOF-Zahlen berücksichtigen jedoch keine Kontaktfrequenzen. Mit einem starren Frequency Capping von 7 wird man daher nicht zum Ziel kommen.
Lösungsansatz: Auf Nachfrage lässt sich bei der AGOF in Erfahrung bringen, wie sich die Nettoreichweiten (Uniques) im Laufe eines Quartals laut internet facts pro Werbeträger entwickeln. Dies erlaubt belastbare Rückschlüsse auf die für jeden Werbeträger innerhalb von 2 Wochen zu erwartenden Uniques. Um auf die angestrebte Reichweite zu kommen, müssen nun jene Werbe-träger ausgewählt werden, die in Summe und abzüglich der ausgewiesenen Reichweiten-überschneidungen 20 Mio. Personen erreichen – wobei hier ein Puffer von ca. 25 % eingeplant werden sollte.
Welche Umfelder des Werbeträgers belegt werden müssen, um die 20 Mio. Uniques tatsächlich auch zu treffen, kann im Sinne einer Wahrscheinlichkeitsbetrachtung aus der PI-Verteilung der Umfelder und der PI/Visit-Quote hergeleitet werden. Bei der Auswahl der Umfelder muss darauf geachtet werden, dass Mehrfachkontakte binnen 2 Wochen hoch wahrscheinlich sind.
Knackpunkt 1 kann also planerisch gelöst werden. Knackpunkt 2 nur operativ. Die gesamte Kampagne muss über einen zentralen AdServer ausgeliefert und reported werden. Dieser AdServer arbeitet mit einem übergreifenden Frequency Capping von 7 pro Unique unabhängig davon, in welchem Umfeld der Werbemittelkontakt erfolgt. Zudem steuert er die Kampagne so aus, dass die 140 Mio. Kontakte (20 Mio. x 7) nach 14 Tagen erreicht werden. Hierzu ist ein Retargeting notwendig. Dies sollte nach wenigen Tagen einsetzen. Das heißt, die ersten Tage der Kampagne dienen dazu, Reichweite aufzubauen, während die restliche Laufzeit das Ziel hat, eben diese Personen mehrfach erneut zu erreichen. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die Kampagne eng geführt und täglich justiert werden."