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BRANDING

Branded Entertainment – Unterhaltung im Auftrag einer Marke

Gisela Kopp, 29. Oktober 2009

Branded Entertainment bedeutet Unterhaltung im Auftrag einer Marke – die Verschmelzung von Werbung und Unterhaltung – und kann sich über alle Mediengattungen erstrecken. Mit der Entwicklung des Internets zum Unterhaltungsmedium wird Branded Entertainment immer interessanter für die digitale Markenkommunikation. Welche Potenziale hat Branded Entertainment im Web und wo liegen die Grenzen?

Procter & Gamble wird gern als „Erfinder“ des Branded Entertainment angesehen.
Der Waschmittelkonzern produzierte in den 30er-Jahren Radio-Seifenopern, um mit diesem Unterhaltungsformat die Zielgruppe Hausfrauen zu fesseln. Vor ungefähr sieben Jahren tauchte der Begriff wieder auf – Grund dafür war die von BMW in Auftrag gegebene erfolgreiche Kurzfilm-Serie „The Hire” (siehe z.B. die Folge „Star“ mit Madonna). Die Website bmwfilms.com verzeichnete damals mehr als 100 Millionen Abrufe und über 14 Millionen Registrierungen. Die Autoverkäufe in den USA im Mai des Jahres 2002 stiegen um 17,4 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode.

Derzeit gründen Medienunternehmen, Agenturen sowie Filmproduktionen neue Branded Entertainment-Geschäftszweige zur Integration von Marken und Produkten in Unterhaltungsformate. Das hängt auch damit zusammen, dass der private Rundfunk ab 1. April 2010 nach gesetzlichen Richtlinien ganz offiziell Product Placement ausstrahlen darf, natürlich mit bestimmten Einschränkungen. So hat der Werbedienstleister Publicis Worldwide (siehe ADZINE-Bericht) vor kurzem eine Sparte für Branded Entertainment gegründet, die genreübergreifende Lösungen für digitales Fernsehen, Web-TV, Spiele, Mobilfunk, Social-Networking-Plattformen und Spielfilme entwickeln soll.

Prof. Dr. Claudia Gerhards

Am 15. Oktober fand im Haus der Wirtschaft in Stuttgart ein Kongress zum Thema Branded Entertainment/Product Placement statt. In der Vergangenheit vorrangig ein Thema für Film und Fernsehen, gewinnen digitale bzw. medienübergreifende Branded Entertainment Formate immer größere Bedeutung für die Werbewirtschaft. Fernsehen wird es immer geben – der technische Übertragungsweg wird sich jedoch ändern. Künftig wird eben auch TV aus der IP-Steckdose kommen und somit interaktiv sein. Lineare Werbeformen (z.B. 30 Sek.-Spot) werden dann mit nichtlinearen Werbeformen verschmelzen.

Prof. Dr. Claudia Gerhards, die einen Forschungsbericht zu Branded Entertainment veröffentlicht hat, kann das uferlose Thema auf einleuchtende Art eingrenzen. Im weiteren Sinne stehe es für Werbeformen, die nah am redaktionellen Content angesiedelt seien: Splitscreens, Overlays oder auch Trailer, wie zum Beispiel der von Pilot Media und SevenOne Adfactory konzipierte 60-Sekünder„Bacardi Summer-Grooves“. Dabei werden Kampagnen-Elemente des Sponsors mit Programm-Teasern, also Spielfilm-Ausschnitten gemischt und zu einem neuen Trailer zusammengeschnitten. Auch ins Fernseh- oder Filmprogramm integrierte Produkte wie etwa der BMW oder das Nokia-Handy im James Bond-Film   im Fachjargon Product Placement genannt   ist Branded Entertainment im weiter gefassten Sinne.

Um Branded Entertainment im engeren Sinne handelt es sich nach Gerhards, wenn eine Marke die Entwicklung von markenspezifischen Entertainment-Inhalten beauftragt. Markenbotschaften können so in dramatische Handlungsstränge eingebunden werden. Branded Entertainment kann hierbei als eine erweiterte Form von Product Placement gesehen werden.

Robert Krause, Casino Royale

„Wer den Content in Auftrag gibt, kann bestimmen, was passiert. Content entsteht entweder ohne die Marke – die Marke wird erst später gesucht – oder aus einer Marke heraus”, sagt Robert Krause, Geschäftsführer der Branded-Entertainment-Agentur Casino Royale. „Der interessante Unterschied liegt zwischen Placement und scripted Placement – wenn ich in eine Handlung ein Produkt integriere, weil es sowieso auftauchen muss, ist das etwas anderes, als wenn ich rund um diesen Moment eine Geschichte schreibe, die das Produkt so dramatisiert, wie das Produkt es möchte”, sagt Krause.

Ein interessantes Beispiel für Unterhaltung, die es ohne die Marke nicht gäbe, ist „Deer Lucy“ – eine Webserie um ein junges schüchternes Mädchen, das im Musikgeschäft Karriere macht. Das rehhaft schüchterne Wesen wurde von OTTO und Warner Music finanziert, von Me, Myself & Eye produziert und konnte bei bild.de abgerufen werden. Jede Folge dauert etwa 5 Minuten. Nebenbei werden in einem Verkaufsfenster OTTO-Artikel angeboten, die in der Serie zu sehen sind.
Ein originelles Webserien-Beispiel aus den USA ist Zack16, das von der Agentur Leo Burnett Worldwide für den Tamponhersteller Tampax konzipiert wurde: Ein 16-jähriger Junge wacht eines Morgens als Mädchen auf.

Branded Entertainment kann sich in jeder erdenklichen Form über alle Mediengattungen erstrecken – es gibt vielfältige Beispiele aus Film, Musik, Social Media, Games – und dazu kommen alle gebrandeten mobilen Applikationen (wie z.B. die iPhone-Applikation Adidas Urban Art Guide). „Der Unterschied zwischen einer Applikation und einem Game wird eng”, sagt Krause.
„Die erfolgsversprechendsten Spielarten liegen im Bereich Bewegtbild und Game“, sagt Dominik Kuhn, der Macher der schwäbischen Internet-Parodie Virales Marketing im Todesstern Stuttgart. Zudem könnten sich Social-Media-Applikationen, die auch als Game verstanden werden können, stark entwickeln, meint Robert Krause.

Filmemacher Dominik Kuhn

Branded Entertainment kann, aber muss nicht immer viral daherkommen. „Viralwerbung möchte eine Werbebotschaft produzieren, die der Konsument sehen möchte und die er so cool findet, dass er sie an seine Freunde weiterleitet. Wobei sich dieser Bereich jedoch mittlerweile so stark verändert hat, dass ich keinem Kunden empfehlen würde, eine Viralkampagne zu machen, ohne auch Geld für Seeding auszugeben. Es ist in 99,9 Prozent der Fälle so, dass ein Viralspot Branded Entertainment ist, denn die Marke kommt zu einem Viralfachmann wie mir und gibt den Viralspot in Auftrag. Umgekehrt muss jedoch nicht jedes Branded-Entertainment-Format viral sein“, meint Dominik Kuhn. „Branded Entertainment ist das beste und probateste Mittel, um zu den ‚Digital Natives‘ durchzukommen, die so stark in den digitalen Medien vertreten sind und die ja das Social Web ausmachen. Da ist eine allgemeine Antihaltung gegen jegliche klassische Form der Werbung vorhanden.“

Branded-Entertainment-Produktionen – egal ob für Web oder TV– stellen die Beteiligten vor zahlreiche Herausforderungen. So ist die Zusammenarbeit zwischen Werbe- und Entertain-mentindustrie nicht immer einfach. „Die einzelnen Industrien verachten sich zutiefst”, sagt Krause, der mit seiner Branded-Entertainment-Agentur an der Schnittstelle Marken, Entertainment und Medien arbeitet. „Außerdem gibt es teilweise keine Währung, für das, was wir da machen. Wie viel zahle ich wirklich dafür, dass ich eine Marke einbinde? Wie bemesse ich die Qualität, wenn ich nicht nur die Zahlen messe? Auch der Verfall der Tausend-Kontakt-Preise ist ein großes Problem und verhagelt die Businessplanung, abgesehen davon, dass das aus Sicht der Konsumgüter natürlich toll ist.”

Obwohl man mit Webserien Geld verdienen könne, seien die klassischen Wege für Mediaagenturen und Medien viel lukrativer, sodass diese wenige Gründe hätten, innovativere Wege zu gehen. „Wenn ich den Kunden einen Werbespot verkaufe, verdiene ich natürlich 20-mal mehr, als wenn ich ihnen eine Webserie verkaufe”, sagt Krause.

Malte Hildebrandt, SevenOne AdFactory

„Die Gelder, die im Markt sind, werden leider nicht mehr“, sagt auch Malte Hildebrandt, GF der SevenOne AdFactory, auf dem Stuttgarter Kongress. „Wenn Sie mit Coca-Cola zusammenarbeiten und ein Product Placement machen, dann werden die das Geld nicht zusätzlich ausgeben, sondern das ihrer klassischen Kampagne reduzieren. Branded Entertainment ist daher nicht die Lösung aller Probleme, sondern es ist eine sinnvolle Ergänzung im Kommunikationsmix.“

Für andere ist es eine Möglichkeit, sich in einem neuen Markt zu etablieren. „Branded Entertainment oder Product Placement kann für junge, aufstrebende Produzenten die einzige Möglichkeit sein, Stoffe auf einem hohen Level zu finanzieren und umzusetzen“, sagt Lenn Kudrjawitzki, ein junger Regisseur auf dem Kongress.

Medienrechtler Prof. Dr. Johannes Kreile

In Deutschland steckt Branded Entertainment als professionelles Kommunikationsangebot auch aufgrund der restriktiven rechtlichen Situation noch in den Anfängen. Lediglich für In-Game-Advertising gibt es keine medienrechtlichen Vorschriften. Für Branded Entertainment in Form von Web-TV scheint derzeit und in naher Zukunft noch das Sprichwort „Wo kein Kläger, da kein Richter” zu gelten.

„Die Frage, inwieweit bestimmte Angebote im Netz den Rundfunkbegriff erfüllen, ist ein ganz offenes Thema. Bei Programmangeboten, die einen unterhaltenden, informierenden Charakter haben, die sich an eine Vielzahl von Personen richten, die auch in der Struktur aufgebaut sind als Streamingangebot wie ein Fernsehsender, gibt es in der rundfunkrechtlichen Literatur eine Vielzahl von Vertretern, die sagen: das ist Rundfunk“, sagt Medienrechtler Prof. Dr. Johannes Kreile auf dem Stuttgarter Kongress. Die Frage der Lizensierung von Internet-Fernsehen sei auch ein ganz großer Streit, der im Moment noch hinter den Kulissen ausgetragen werde. Absurderweise könnten theoretisch sogar Marken-Webseiten in Zukunft als Rundfunk eingestuft werden. „Wenn die Landesmedienanstalten irgendwann auf die Idee kommen, auch das Netz in dem Punkt stärker zu kontrollieren, kriegen meines Erachtens die Unternehmen Probleme”, sagt Kreile.

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