Ein Blick auf den dmexco-Veranstaltungskalender und die Liste der Aussteller reicht, um festzustellen, dass Video Advertising nächste Woche in Köln eine gewichtige Stellung einnehmen wird. Das Internet wird eben immer mehr zu einem Bewegtbild-Medium. Doch nicht jedes Video ist bekanntlich vermarktbar. Wer als Online-Werbeträger auf die TV-Budgets der Werbungstreibenden schielt, hat neben der Contentfrage noch ein weiteres Problem: die Reichweite.
Content- und Reichweitenfrage
Direkt zugeben will es ja keiner, doch markensichere Inhalte sind online noch immer recht spärlich gesät. Abgesehen von den typischen und nicht immer günstigen Nachrichtenstreams aus der Konserve sieht es doch eher mau aus. Peter Christmann, ehemaliger Vorstand Marketing und Vertrieb der ProSiebenSat.1 Media AG und Beiratsvorsitzender der Vertical Network Media GmbH, kennt die harten Fakten in Sachen Online-Bewegtbild: „Mittlerweile werden laut Comscore mehr als 4 Mrd. Videos mit einer durchschnittlichen Länge von 4 Minuten pro Monat in Deutschland genutzt. Schätzungsweise liegen dabei aber nur 300 Mio. Videos im professionellen Bereich; der Rest ist z.B. User-generated oder Erotik und damit für Markenunternehmen nicht nutzbar. Vergleicht man die Nutzungsintensität dieser 300 Mio. Video Views mit TV, entspricht das einem Marktanteil von nur ca. 0,2 Prozent – damit ist der Video-Advertising-Markt noch unterkritisch. Somit wird klar, dass das wichtigste Erfolgskriterium für diesen Markt heißen muss: hohe Reichweiten über professionelle Inhalte.“
Contentlösungen
Der Videovermarker smartclip war eines der ersten Unternehmen, der die Reichweitenproblematik im Internet erkannte und frühzeitig Publisher einsammelte. „Smartclip ist die stärkste Kraft am Markt und damit First Mover im professionellen Videobereich. Wir vermarkten Web-Videos von mehr als 300 verschiedenen Internetseiten. Bis zu 350 Mio. Video-Views verzeichnet das Netzwerk im Monat. Bei einem Marktanteil von über 50 Prozent erreichen wir monatlich durchschnittlich Unique User im niedrigen zweistelligen Millionenbereich“, erläutert Jean-Pierre Fumagalli, CEO von smartclip.
Dennoch bleibt die Frage, ob der bestehende Video-Content derzeit für den deutschen Markt ausreicht. Fumagalli dazu: „Angebot und Nachfrage stehen aktuell in einem guten Verhältnis. Allerdings ist professioneller Content nicht gleich professioneller Content, wobei festzustellen ist, dass einigen Zielgruppen nicht genügend Content zur Verfügung steht. Im Entertainmentbereich hingegen besteht sogar ein Überangebot an Video Content.“ Unter Zielgruppen, denen zu wenig Content zur Verfügung stünde, versteht Fumagalli vor allem die Entscheiderzielgruppen mit höherem Nettoeinkommen. Also vereinfacht gesagt: auch die typischen ZDF- und ARD-Zuschauer. Und wie der Zufall es will, stößt nun eine der großen öffentlich-rechtlichen Medienanstalten in diese Bresche und bietet ihren Content den Publishern an: das altehrwürdige ZDF. Wer hätte das gedacht?
„Wir haben clips.zdf-archive.com im Frühjahr dieses Jahres gelauncht. Das Angebot richtet sich an Verlage, Portale, Filmproduktionsfirmen, kurz gesagt an alle, die mit Bewegtbild arbeiten oder ihr Angebot dadurch ergänzen möchten, erläutert Jessica Schulte, Sales Manager, ZDF.archive. Schulte beschreibt die Resonanz als gut und weiß, dass die Mainzer mit ihrem Angebot ein ausgesprochen gutes Timing beweisen: „Die Diskussion um das begrenzte Angebot von professionellem Content ist mir bekannt; jedoch sind wir nicht davon betroffen. Im Gegenteil: Wir produzieren täglich, unser Angebot wächst also stetig, und ich denke, wir haben mit unseren hochwertigen Videoinhalten eine sehr gute Positionierung am deutschen Markt erreicht.“
Die ZDF-Clips sind zwischen drei bis fünf Minuten lang, und die ZDF-Plattform fungiert dabei als komfortabler Online-Katalog, in dem die Kunden die Videostreams auswählen können. Daraufhin stellt das ZDF das Video im gewünschten Format dem Besteller zur Verfügung. Und das ZDF-Portfolio hat alles zu bieten, was auf die von Jean Pierre Fumagalli be-schriebene Zielgruppe passt: nämlich neu konfektionierte ZDF-Inhalte. „Der Content basiert auf ZDF-Archivmaterial, d.h., wir greifen auf qualitativ hochwertigste Bildquellen zurück, darüber hinaus werden alle Beiträge von Fachjournalisten betreut. Bei den Themenfeldern decken wir eigentlich alles ab. Von Gesundheit, Reise, Wirtschaft, Wissenschaft bis hin zu Technik, Politik sowie Edu- bzw. Infotainment ist alles dabei“, erklärt Schulte. Bei der Preisfrage hält sich das ZDF allerdings etwas bedeckt. „Es gibt verschiedene Preismodelle, die wiederum in Abhängigkeit von dem jeweiligen Geschäftsmodell unserer Partner stehen.“
Reichweitenlösungen
Peter Christmann, der neben seiner Tätigkeit bei Vertical Media zudem als Beirat für den Onlinevideo-Technologieanbieter Stream5 fungiert und in dieser Position die Vermarktung der Internet-TV-Produkte verantwortet, möchte das ZDF-Angebot nicht kommentieren. Schon gar nicht, ob er es für fair erachtet, aus Steuergeldern finanzierte Inhalte zu monetarisieren. Dem User kann es auf jeden Fall Recht sein, wenn er mithilfe des ZDF bei den Publishern hochwertigen und informativen Premiumcontent erhält. Allerdings beschreibt uns Christmann, wie online die nötige Reichweite für Video Advertising aufgebaut wird. „Das kann insbesondere über Syndication-Modelle funktionieren, indem die großen Medienhäuser ihre Videos auf möglichst vielen Webseiten distribuieren – kein Medienhaus würde auf die Idee kommen, seine TV-Inhalte über nur ein Kabelnetz zu verbreiten. Der Inhalt muss dorthin, wo die Nutzer sind.“
Wie beim Printmarkt ist das Onlineangebot weitaus fragmentierter als die deutsche Fernsehlandschaft. Von TV-Einschaltquoten können die Online-Publisher nur träumen. Daher versucht man, mit Reichweitenaggregation bzw. besagter Syndication dieses Manko zu kompensieren. Kim Kriegers, Gesamtleitung Video-Netzwerk des Premium-Zeitungsnetzwerkes OMS: „Grundsätzlich mangelt es an den Reichweiten einzelner Online-Angebote. Genau dieser Punkt ist aber oft entscheidend für die Berücksichtigung im Mediaplan der Agenturen. Die extreme Fragmentierung des Web-TV-Marktes stellt daher derzeit die Herausforderung dar, die wir bei der OMS bereits seit einiger Zeit mit dem Ansatz der Bündelung von Reichweiten angehen. Zum jetzigen Zeitpunkt verfügt das OMS-Video-Netzwerk bereits über rund 100 Angebote. Nur so können wir dem nationalen Werbemarkt attraktive Reichweiten in Qualitätsumfeldern bieten.“
Die OMS, die als überregionaler Vermarkter von über 150 Onlineableger bekannter Tageszeitungen agiert und damit im Monat gut 11 Mio. Unique User vorweisen kann, setzt sich der Premium-Video-Content auf den Websites der Publisher aus zwei Kernbereichen zusammen. Einmal aus von Lokalredaktionen produzierten oder bezogenen Regionalnachrichten, die auch im Wesentlichen das Alleinstellungsmerkmal einer regionalen Nachrichtenwebsite ausmachen. Andererseits besteht ein breit gefächertes Angebot an Premium-Content der OMS, das von nationalen und internationalen Presseagenturen und anderen Premium-Content-Lieferanten bereitgestellt wird. Doch müssen die Zeitungen auf regionaler Ebene alle selbst für den Content sorgen. Hier könnten sich die OMS und ihre Publisher von den Verticals etwas abschauen: „Bei Vertical Network Media stellen wir unseren Netzwerkpartnern Text- und Video-Content-Pools zur Verfügung, die sie ganz spezifisch in ihre Inhalte-Umfelder einbauen können. Das erhöht deutlich die publizistische Attraktivität der Seite und ist ein echter USP, den Vertical Network Media seinen Partnern bieten kann. Jeder Partner kann sich sein Video-Angebot individuell zusammenstellen und schafft sich damit auch ein individuelles Video-Profil“, erläutert Christmann.
Doch wie kann ein Vertical oder ein einzelner Publisher die Kosten für Videoinhalte niedrig halten, sind die TV-Anstalten und ihre Onlineableger nicht generell klar im Vorteil? „Hier treffen zwei gleichgerichtete Interessensfelder aufeinander“, sagt Christmann und weiter: „Anbieter von professionellen Inhalten suchen zusätzliche Reichweite jenseits der eigenen Websites, Publisher suchen professionelle Inhalte zur Erhöhung der eigenen publizistischen Attraktivität und der Teilnahme am boomenden Video-Advertising-Markt. Ein gängiges Geschäftsmodell ist hierbei das klassische Sharing der Werbeerlöse. "Made for New Media"-Inhalte werden erst dann einen erfolgreichen Zugang zu diesem Markt finden, wenn sie auf eine entsprechend hohe Reichweiteninfrastruktur zugreifen können. Bis dahin wird der Markt durch bekannte TV-Inhalte angetrieben (Catch-ups, Clips, Spin-offs, Take-outs etc.).“
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