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Was ist Media wirklich wert?

Karsten Zunke, 19. Mai 2009

Viele benutzen ihn, um die eigene Arbeit in ein gutes Licht zu rücken: den Mediawert. Er wird nachträglich ermittelt, nur im Erfolgsfall kommuniziert und ist dann stets höher als das eingesetzte Budget. Nicht nur im PR-Sektor, auch in der Werbung ist er anzutreffen. Als Anzeigen-Äquivalent beschreibt der Mediawert den Geldbetrag, der hätte investiert werden müssen, um eine erreichte Aufmerksamkeit ausschließlich mit bezahlter Werbung zu erzielen.

In der Regel werden die puren Kontakte zugrunde gelegt, so kann der Mediawert in einem Geldbetrag ausgedrückt werden. Eine konkrete Definition gibt es nicht, ein objektives Verfahren zu seiner Kalkulation auch nicht. Und dank Internet werden Mediawerte noch nebulöser. Doch dafür beschert dieser im Nachhinein ermittelte Wert einer Kampagne den Auftraggebern und den beauftragten Dienstleistern ein gutes Gefühl – meistens.

Als Alfred Krupp 1851 auf der Londoner Weltausstellung mit viel Tamtam einen überdimensionalen Stahlblock aufstellen ließ, erregte er bei den Besuchern und in den Medien großes Aufsehen. Er gilt damit hierzulande als einer der ersten, der sich klassischer PR-Maßnahmen bediente. Krupp galt als geschickter Öffentlichkeitsarbeiter und Geldbeschaffer, seine Firma wurde schnell weltberühmt – ohne dass sich jemand den Kopf über erzielte Mediawerte zerbrochen hätte.

Christian Faltin, cocodibu

Halbe Seite schwarz-weiß mal drei = 6.000 Euro

Heutzutage wird Public Relations häufig an Dienstleister ausgelagert. Diese müssen ihren Kunden nun plausibel machen, dass ihre Arbeit einen Nutzen hat, der sich in Euro und Cent bemessen lässt. Schon lange bedient man sich daher im PR-Sektor unter anderem dem Anzeigen-Äquivalent. In Clippings erfassen die Dienstleister möglichst die komplette Berichterstattung über ihre Kunden. Zur Berechnung des Anzeigen-Äquivalents wird der aufgrund der guten Pressearbeit gedruckte Beitrag ausgemessen und anhand der Anzeigenpreise ermittelt, wie teuer eine entsprechend große Anzeige gewesen wäre. Das Ergebnis ist ein konkreter Mediawert für eine bestimmte Arbeitsleistung. Da beim puren Anzeigenäquivalent qualitative Aspekte der PR auf der Strecke bleiben, wird das Ganze häufig noch mit einem Faktor X multipliziert – schließlich ist Redaktion immer glaubwürdiger als eine bezahlte Werbung. Doch als dieser Begriff geprägt wurde, war an das Internet noch nicht zu denken. Das macht die Sache kompliziert.

„Im Internet ist es schwierig zu ermitteln, welches Anzeigen-Äquivalent zum Beispiel zehn Online-Erwähnungen à zehn Zeilen haben“, erläutert Christian Faltin, Inhaber der Kommunikations-Agentur cocodibu in München. Um den Mediawert zu kalkulieren, könne man die IVW-Zahlen der Website sowie den Preis für eine vergleichbare Textanzeige auf dieser Site heranziehen und ihn entsprechend der besseren Glaubwürdigkeit gegenüber einer bezahlten Anzeige mit einem Faktor gewichten. Das Problem: Viele Websites weisen gar keine IVW-Zahlen oder Maximalwerte für die gesamte Seite aus. Viele Unternehmen wollen daher auch nichts von irgendeinem im Web erzielten Mediawert hören, sondern tracken die Ergebnisse lieber selbst – auf ihrer Website.

10. 10.000 Empfänger, zwanzig Leser

„Wie viel sind 100 Follower bei Twitter oder zehn Kommentare in einem Blog wert? In dieser Diskussion befinden wir uns jetzt“, sagt Faltin. Vor allem in der PR hat man es mittlerweile mit zwei Größen zu tun, die bisher nicht miteinander korrespondiert haben: zum einen die erhobenen (theoretischen) Reichweiten und zum anderen die tatsächlichen Aktionen der User. „Die Reichweite – zum Beispiel einer Fernsehsendung – und der tatsächliche Abruf, beispielsweise von Online-Videos, sind zwei völlig verschiedene Parameter. Es wäre sinnvoll, hier eine allgemein anerkannte Relation zu ermitteln“, meint Faltin. Entscheidend sei nicht die Anzahl der Personen, die eine Presse-Informationen erhalten und sie theoretisch lesen könnten, sondern die der aktiven Leser.

Letztlich ist es für Faltin daher in vielen Fällen wichtiger, mit der Botschaft eines Kunden flächendeckend online vertreten zu sein, als eine große Print-Geschichte zu platzieren. „Eine Online-Präsenz ohne Medienbruch generiert Klicks auf die Websites der Kunden oder Aktionen dort – das ist viel direkter und sichert vor allem eine dauerhafte Auffindbarkeit“. Um festzustellen, wie viel mehr Wert ein aktiver Abruf gegenüber einer passiven Reichweite ist, müsse die Branche perspektivisch Messgrößen festlegen und die Unternehmen müssten zunächst versuchen, sich eigene Benchmarks aufzubauen.

Kai-Achim Jach, CrossPR

Online und der Kampf um Anerkennung

Auch Sponsoring-Aktivitäten schlagen sich im Mediawert nieder – immer dann, wenn über ein Sportereignis in Wort und Bild berichtet wird und die eigene Marke sichtbar ist. Dann werden Media-Kontakte zusätzlich zur eigentlichen Sponsoring-Kampagne produziert. Wie lange und wie groß war das Trikot-Logo im Fernsehen beim Torjubel sichtbar? Wie lange die Bandenwerbung beim Elfmeter im Sichtfeld des Betrachters? Wie groß war der Bildschirmanteil? Alles wird gemessen und mit den vergleichbaren Anzeigenpreisen gewichtet. Einen Mediawert für Sponsoring zu ermitteln ist ebenso Usus wie im PR-Sektor. Doch PR, Sponsoring und Werbung durchdringen sich – on- und offline. Und wie steht es um Online-PR? Um virale Kampagnen? Und welchen Mediawert hat eine Abverkaufskampagne, die zusätzlich im großen Stil Sichtkontakte und Brandingeffekte generiert? Vom Web 2.0 ganz abgesehen, in dem jeder mitmachen und über Marken und Produkte in Wort und Bild berichten darf.

Es gibt viele Möglichkeiten, auch PR im Web messbar zu machen – beispielsweise durch die Kommunikation einer bestimmten Telefonnummer. „Aber es ist schwierig, den Mediawert insgesamt zu ermitteln – insbesondere wenn verschiedene Kommunikationsdisziplinen beteiligt sind und beispielsweise Dialog-Maßnahmen und Promotions in die Mediawert-Betrachtung einfließen sollen. Hier hat jede Disziplin und jede Agentur eigene Berechnungswege“, sagt Kai-Achim Jach, Geschäftsführer von CrossPR in Düsseldorf. Die ermittelten Zahlen lassen sich somit nicht vergleichen. „Agenturen müssten exakt die gleichen Maßnahmen durchführen, um auf Basis eines erzielbaren Mediawertes vergleichbar zu sein. Selbst wenn Auftrageber ihren Dienstleistern konkret definierte Aufgabenstellungen geben würden, werden ambitionierte Dienstleister sich nicht linientreu daran halten“, sagt Jach. Der Grund: Agenturen wollen für ihre Kunden das Optimum herausholen. Und dafür hat jeder Dienstleister sein eigenes Erfolgsrezept.

Henning Lüdemann, Initiative Media

Mediawerte deklinieren

Initiative Media hat dieses Erfolgsrezept für sich gefunden. Mit „Größer, breiter, schneller – mit der eBay Tuning Meisterschaft fett in der Tuningszene“ hat die Agentur crossmedial alle Register gezogen und konnte für den Kunden eBay aus 350.000 Euro Budget einen Mediawert von 700.000 Euro generieren. Die Werbe-Äquivalente kamen hier beispielsweise dadurch zustande, da über das Format im Deutschen Sport Fernsehen, im DSF-Teletext und diversen Tuning-Magazinen (Print) redaktionell berichtet wurde. Dafür hat die Agentur die jeweiligen Werbe-Äquivalente ausgerechnet. Auf Tuningportalen im Web wurde der Bannerpreis im gleichen Umfeld gegengerechnet. Für die auf Youtube eingestellten Videos konnte ein Anzeigen-Äquivalent anhand der Abrufe der Videos und der Preise für entsprechende Pre- oder Postrolls ermittelt werden. Zudem gab es eine Landingpage mit einem definierten Werbewert.

„Die klassische Mediawert-Ermittlung aus der Print-PR und dem Sponsoring lässt sich über alle Medien durchdeklinieren“, sagt Henning Lüdemann, Leiter Initiative Innovations bei Initiative Media in Hamburg. So können im Online-Sektor redaktionelle Erwähnungen, Sponsoring, virale Effekte und nutzergenerierte Inhalte den Mediawert zusätzlich nach oben pushen. „Auch viele Blogeinträge können wir berücksichtigen, da uns die Preislisten vorliegen, mit denen wir die Kosten für eine vergleichbare Werbemaßnahme auf diesen Seiten ermitteln können“, sagt Lüdemann. Ein Äquivalent für einen kleinen Blogeintrag wäre beispielsweise eine In-Text-Werbung. Doch anerkannte Standards fehlen bisher.

Für das Sponsoring hat der Fachverband für Sponsoring FASPO bereits eine Konvention zur Leistungsbewertung von Sponsoring-Expositionen im Fernsehen entwickelt – also wie ein Kontakt im Sport mit einem Kontakt in der klassischen Werbung ins Verhältnis zu setzen und zu berechnen ist. Für Online gibt es noch keine Konventionen. „Aber das würde Sinn machen“, sagt Lüdemann. Denn noch gebe es in diesem Bereich sehr viel „Unfug“ in Bezug auf Mediawerte und oft „Mondzahlen“. Der Grund: Manche Vermarkter, deren Sponsoring auch Online abgebildet wurde, nehmen zur Errechnung des im Internet erzielten Werbewertes eines Sponsorships oftmals falsche Datenbasen. Initiative Media hat nach eigenen Angaben viele Anfragen von Unternehmen, Mediawerte nachzurechnen, um zu überprüfen, ob sie der Realität standhalten. Das Hauptproblem: Oft wird beim Mediawert mit Brutto-Preisen hantiert. Doch der tatsächlich entrichtete Werbepreis ist bei großen Unternehmen in der Regel geringer als bei kleinen Firmen, da die Großen eine bessere Verhandlungsposition haben und günstigere Konditionen durchsetzen können. „Wir berechnen den Mediawert auf Basis der Netto-Preise. Brutto-Preise sind unrealistisch und zum Teil 50 bis 70 Prozent höher als die tatsächlich bezahlten“, so Lüdemann.

Dr. Christian Bachem, .compianion

Standardisierung kaum möglich

Doch das verdeutlicht die Krux des Mediawertes: Er ist immer von den jeweiligen Akteuren abhängig. „Es gibt kein einheitliches und objektives Verfahren zur Berechnung oder Kalkulation eines Mediawertes“, unterstreicht Dr. Christian Bachem, Partner und Gründer der Berliner .companion Strategieberatung. Er sieht eine Mediawert-Betrachtung im Internet eher kritisch. „Wer die eigene Landingpage als Grundlage für eine solche Betrachtung wählt, hat ein kontrolliertes Umfeld und weiß, in welchem Kontext sich Nutzer mit einer Marke auseinandergesetzt haben. Aber spätestens bei Blogs wird es knifflig.“ Hier stelle sich die Frage, ob der Kontext der Nennung positiv oder negativ war. Dies rein softwaregestützt zu ermitteln ist schwierig. „Ein im Nachhinein konstruierter Mediawert ist selten realistisch. Der ist meist windschief, da er in der Regel einen sehr hohen Wert ausweist, der über ein Budget nie hätte zur Verfügung gestellt werden könnten“, sagt Bachem.

Seine Strategieberatung vermeidet daher eine reine Äquivalenzbetrachtung. „Wir versuchen einen Schritt weiterzugehen, fragen nicht quantitativ nach der Anzahl der erzielten Kontakte, sondern prüfen die Qualität dessen, was über diese Kontakte erzielt wurde“, erläutert Bachem. Doch um zu überprüfen, ob nachweislich das Markenbild des Unternehmens oder die Sympathie zum Produkt oder die Einbeziehung des Produkts ins Relevant Set gesteigert wurde, müssen Nutzer-Befragungen gestartet werden.

Wohin die Entwicklung geht, bleibt abzuwarten. Sicher hätte es für Werbungtreibende einen gewissen Charme, künftig die Effizienz ihrer Online-Agenturen am erzielten Mediawert zu messen. Doch bisher ist weder eine Vergleichbarkeit der ermittelten Werte noch der ermittelnden Agenturen gegeben. „Eine Standardisierung für die Mediawert-Betrachtung im Internet ist nur begrenzt denkbar. Es könnte maximal festgelegt werden, welche Medien sich für welche Zielgruppen für eine Äquivalenzbetrachtung heranziehen lassen. Die Details werden immer verschieden kalkuliert werden“, so Bachem.

Über den Autor/die Autorin:

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