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DISPLAY ADVERTISING

Eine Frage der Dosis

Karsten Zunke, 21. April 2009

Die einen wollen ihre Marke in das Gedächtnis der Nutzer brennen, die anderen die verkauften Produkte zählen. Die einen lieben Kreativität und einprägsame Slogans, die anderen wollen überzeugen. Die einen wollen plakativ werben, die anderen profan verkaufen. Marketing und Vertrieb passen eigentlich nicht zusammen. Doch miteinander auskommen müssen sie. Und das könnten sie am besten, wenn sie miteinander kommunizieren und ihre Kampagnen abstimmen würden. Wenn. Vom Marketing initiierte Branding-Kampagnen erleichtern das vertriebsgetriebene Performance-Marketing, das gilt mittlerweile als sicher. Den optimalen ROI zu erhalten, ist daher nur eine Frage der Branding-Dosis. Bisher hat sich das in den werbenden Unternehmen aber kaum herumgesprochen – wie auch.

Julian Simons, mediascale

„Der Sichtkontakt einer Displaykampagne fördert den Abverkauf in Search“, sagt Julian Simons, Geschäftsführender Gesellschafter von mediascale. Eine starke Marke oder eine parallel laufende Branding-Kampagne beeinflussen seinen Erfahrungen nach Performance-Kampagnen positiv. „Wir sehen da sehr signifikante  Ausschläge. Abverkauf über Search performt dann einfach besser“, so Simons. Auch beim Performance-Specialisten Ligatus beobachtet man, dass Performance-Kampagnen von bekannten Marken oder von Marken, zu denen parallel eine Branding-Kampagne läuft, besser funktionieren als jene unbekannter Marken. „Etablierte Marken generieren mit ihren Performance-Kampagnen sowohl bei den Klicks als auch bei den Leads höhere Werte als No-Name-Marken“, sagt Tim Kröner, Geschäftsführer von Ligatus. Einen wesentlichen Grund dafür sieht er darin, dass die Nutzer bei bekannten Marken mehr Vertrauen beziehungsweise eine klarere Vorstellung über die mit der Marke verbundenen Dienstleistungen oder Produkte haben. In der Folge seien sie dann auch eher bereit, eine solche Performance-Werbung anzuklicken.
Eine große Rolle spielt in diesem Zusammenhang auch die Korrelation mit klassischen Offline-Maßnahmen, die als Verstärker dienen. Idealerweise wird mit einer TV-Kampagne für einen schnellen Reichweitenaufbau gesorgt und diese dann ins Web verlängert, um über die Performance-Kanäle SEM, Display und Affiliate neue Kunden zu gewinnen.

Schwierige Zusammenarbeit

Doch in der Realität sieht das oft anders aus. Eine nicht repräsentative Online-Umfrage von eprofessional hat im Februar ergeben, dass lediglich 25 Prozent der Unternehmen ihre klassischen Kampagnen mit Performance-Marketingmaßnahmen wie Suchmaschinen-Marketing begleiten.

Das Übel hat seinen Ursprung in den Unternehmen selbst. Wenn das Marketing nicht weiß, was der Vertrieb vorhat und umgekehrt, kann es nicht klappen. Laut der Umfrage stimmen nur knapp 47 Prozent der Befragten ihre Performance-Marketing-Maßnahmen immer mit den Markenverantwortlichen in den Unternehmen ab, 46 Prozent stimmen sich nur in einigen Fällen ab, sieben Prozent nie. Die Zusammenarbeit zwischen Marketing und Vertrieb gestaltet sich nicht immer einfach. „Das Problem ist, dass diese beiden Abteilungen nicht nur eigenverantwortlich und eigenständig arbeiten, sondern oft auch noch unterschiedliche Agenturen beauftragen. Dann wird es wirklich schwierig“, erläutert Simons. Die Agenturen erhalten automatisch separate Ansprechpartner. Zudem haben sie untereinander noch weniger miteinander zu tun als die beauftragenden Abteilungen. „In diesen Fällen kennt die eine Agentur nicht die Zielsetzungen der anderen. Im schlimmsten Fall kommt es für den Kunden zu Kannibalisierungen der verschiedenen Kampagnen“, so Simons.

Abteilungsdenken bremst Performance

Im Idealfall sitzen die Experten aus Vertrieb und Marketing zusammen, um gemeinsam Ziele zu definieren und ganzheitliche Strategien zu entwickeln. „Aus unserer Sicht ist das leider noch viel zu selten der Fall, weil oftmals Abteilungsdenken vorherrscht und an sich kongruente Ziele mit unterschiedlichen Schwerpunkten verfolgt werden“, bestätigt Ronald Paul, CEO bei QUISMA aus München. Auch seiner Meinung nach sollten Branding- und PerformanceMarketing niemals isoliert, sondern immer gemeinsam betrachtet und ausgesteuert werden. „Kenngrößen wie CpO oder CpL als alleinige Kriterien anzusehen, ist ebenso kurz gedacht wie reines Streben nach einem positiven Image“, so Paul.

Laut Ligatus-Chef Kröner gibt es aber eine zunehmende Anzahl an Unternehmen, welche die werblichen Aktivitäten ihrer Marketing- und Vertriebsabteilungen miteinander abstimmen, „weil sie erkannt haben, dass sich durch das Zusammenspiel von Branding- und Performance-Kampagnen der ganzheitliche Werbeerfolg für das Unternehmen steigern lässt.“ Allerdings werde derzeit bei der überwiegenden Mehrheit der Unternehmen das Budget für Branding-Kampagnen und Performance Marketing noch ohne vorherige interne Koordination eingesetzt. „Wir weisen in solchen Fällen unsere Ansprechpartner im Vertrieb immer darauf hin, dass Brandingwerbung den Erfolg einer Performance-Kampagne nachhaltig begünstigt und daher bei leistungsorientierten Kampagnen nicht außer Acht gelassen werden sollte – und dieser Hinweis wird auch immer häufiger aufgegriffen“, so Kröner.

Optimaler ROI gesucht

Doch selbst wenn dies in einigen Unternehmen schon der Fall ist, bleibt eine Frage offen: Wie viel Branding benötigt ein Produkt oder eine Marke, damit das Performance-Marketing optimale Werte erzielt? Denn: Markenaufbau kostet Geld, Abverkaufskampagnen spielen es ein. Eine Faustformel, um ein optimales Verhältnis zu ermitteln, gibt es nicht.
„Der pragmatische Weg ist die Ableitung des Brand-Budgets aus dem Werbedruck konkurrierender Werbetreibenden als Basis“, erläutert Paul. „Wenn man im Share of Advertising untergeht, wird der Performance-Marketing-Bereich nicht die vorgestellten Volumen erzielen können, da man nicht in den Köpfen der Verbraucher ist, was zu einer geringeren Nachfrage für Marke und den damit verbundenen Produkten führt beziehungsweise ein Abverkauf nur über eine aggressive Preiskommunikation erfolgen kann.“ Ohne ausreichende Sichtbarkeit im Verhältnis zum Wettbewerb habe man in vielen anderen Branchen auch keine Regalfläche oder unmotivierte Verkäufer in den Filialen.
 
Ein aufwendigerer Weg führt laut Paul über Sales-Modelling. „Über einen längeren Zeitraum wird die Korrelation zwischen Marketing-Maßnahmen und Sales analysiert.“ Daraus lasse sich eine Prognosefunktion erstellen, die eine Budgetallokation nach Brand- und Performance-Marketing-Aktivitäten rechnet und Sales prognostiziert. Doch das dauert: In der Regel erstreckt sich eine solche Analyse über einen Zeitraum von einem Jahr für Branchen mit wenig Saisonalität und länger für Branchen mit hoher Saisonalität.

Stefan Längin, Planetactive/Neo@Ogilvy

Eine Frage der Dosis

„Wie viel Brandingbudget nötig ist, um die Transaktionen zu optimieren – diese Frage stellen sich die meisten Unternehmen nicht“, sagt Stefan Längin, Managing Director Germany and EMEA Hub, Planetactive/Neo@Ogilvy. „Sie haben in der Regel nicht die Möglichkeiten, es herauszufinden. Es fehlen die Mess-Kriterien und Tools.“ Aber dass es prinzipiell möglich ist, hat Neo@Ogilvy kürzlich in einer case study gezeigt. Deren Analytics-Spezialisten hatten über ein Jahr lang das Marketing von TD Ameritrade umfassend analysiert, einem großen Online-Broker aus den USA. In die quantitative Analyse flossen alle verfügbaren Daten ein: von Markt- und Wettbewerbsanalysen über Ergebnisse von strategischen Workshops bis hin zu Brand und Creative Trackings. Wie die Agentur in ihrem Kundenmagazin berichtete, wurden unterschiedlichen Zielgruppen detailliert betrachtet und typische Besucherwege identifiziert. Über ein Jahr lang liefen demnach die Tracking-Systeme und lieferten Daten.

In regelmäßigen Abständen wurde eine qualitative Marktforschung durchgeführt, um Veränderungen der Markenwahrnehmung zu verfolgen. Schließlich wurden quantitative und qualitative Daten zusammengeführt, ausgewertet und zu einer Empfehlung extrahiert. Das Ergebnis: Am Ende konnte Neo@Ogilvy eine der zentralen Frage eines jeden Marketing-Entscheiders beantworten: „Wie viel Prozent des Budgets muss in die Markenwerbung investiert werden und wie viel in direkte Sales-Maßnahmen, um eine maximale Conversion und damit den besten ROI zu erreichen?“ Mehr noch, man konnte sogar den besten Budget-Split für die unterschiedlichen Kanäle wie Print, TV und Online ermitteln. Das ist natürlich keine allgemein gültige Formel und gilt nur für diesen untersuchten Fall von TD Ameritrade. Es ist aufwendig, aber prinzipiell machbar.

Mit kleinen Schritten erfolgreich

Auch im kleinen Rahmen lassen sich Erfolge erzielen, wenn Branding- und Performance-Marketing richtig zusammenspielen. Dabei kommt es in der Displayvermarktung beispielsweise nicht so sehr auf die eingesetzten Werbemittel oder Werbemotive an. Eine Kampagne mit dem gleichen Motiv kann prinzipiell sowohl für Branding als auch für Transaktionen funktionieren. „Nur die Optimierung ist unterschiedlich“, erläutert Längin. Während man für eine transaktionsorientierte Wirkung mit kurzen Cappings arbeitet, macht es für Brandingzwecke Sinn, Motive und Platzierungen zu optimieren.
 
Doch Optimierer haben es mitunter schwer. Denn in vielen Firmen wird – bedingt durch das Abteilungsdenken – strikt zwischen Marketing- und Vertriebsbudget getrennt. Diese werden am Anfang des Jahres festgelegt. Fertig. Wenn eine Kampagne aber in die eine oder andere Richtung optimiert werden muss, sollte das möglichst nicht an der Budgetverteilung vom Jahresanfang scheitern. „Branding- und Transaktionsbudget müssen aus einer Hand kommen“, fordert deshalb Längin. Nur so könne man schnell umschichten, wenn bei einem Umsatzeinbruch reagiert und beispielsweise eine Online-Kampagne transaktionsorientiert optimiert werden muss. „Wenn diese Entscheidungen bei zwei verschiedenen Agenturen und auch beim Werbekunden in zwei verschiedenen Abteilungen angesiedelt sind, ist eine Optimierung äußerst schwierig.“ Längin hält daher eine neue Budgetverteilung für sinnvoll: nicht nach Sparten, sondern nach Produkten. „Dann könnte jeder Produktmanager entscheiden, welche Werbemaßnahmen die besten für seine Produkte sind.“ Folge: Die Verantwortung für Marketing- und Vertriebsbudgets wäre in allen Kanälen zentralisiert. Das würde es erheblich erleichtern, Branding-Kampagnen und Performance-Marketing so zu dosieren, dass ein optimaler Gesamt-ROI erzielt wird.

Über den Autor/die Autorin:

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