So viel ist sicher. Das interessenbasierten Anzeigenprogramm (Interest Based Ads, kurz IBA), von Google, dessen Betatest gerade begonnen hat, könnte noch für viel Aufregung und Bewegung am Markt sorgen. Nunmehr können auch Werbekunden mit geringerem Budget denkbar einfach ihre Zielgruppen mit relevanter Werbung ansprechen. Voraussetzung ist, dass die Anwender nicht allzu sehr vom datenschutzrelevanten Plug-in-Gebrauch machen, der ein Beobachten des Surfverhaltens durch Google dauerhaft verhindert.
Der Googlemat erweitert sein Targeting
Bevor Google in Hamburg den Pressevertretern erklärte, wozu sie überhaupt eingeladen waren, drückte Benjamin Faes, Head of YouTube und Display EMEA, ein wenig auf die Tube: „Allein auf YouTube erreichen wir mehr Menschen als das gesamte Yahoo!-Netzwerk zusammen.“ Aber Reichweite allein zählt eben nicht, wie Faes bestätigt. „In Deutschland bekommen die monatlich 25 Mio. Unique User durchschnittlich 700 Ad Impressions auf ihren Bildschirm. Das sind gut 20 Ad Impressions am Tag und wir wissen, dass sich die User durch nicht relevante Werbeeinblendungen belästigt fühlen.“ Außerdem seien die hohen Streuverluste durch unpassende Werbeeinspielungen für jeden Medienplan tödlich, so Faes weiter. Spätestens jetzt ahnte man, wohin die Reise in der Google-Pressekonferenz gehen wird. Google hat das Targeting auf der Agenda.
Googles IBA
Bisher kannte Googles Netzwerk nur Contextual und Placement Targeting (Auswahl der Publisher und deren Umfelder). Das ist nun seit dem 11. März anders. Seit diesem Tag erhalten alle User, die sich im Google Content Network und auf YouTube bewegen einen Google Tracking Cookie, der sich nicht einfach manuell löschen lässt, da er trotz Cookie Deletion immer wieder neu gesetzt wird. Das Ziel von IBA ist der richtige Match zwischen Zielgruppe und Werbeeinblendung und damit ein Return on Investment für Werbetreibende bei höheren Erträgen für die Webseiten-Betreiber.
Alle Publisher, die am Google-AdSense-Programm teilnehmen und Inventar für Text und/ oder Displayanzeigen freigegeben haben, gehören zu diesem Google Content Network. Man kann davon ausgehen, dass Google heute schon mehr als 90 % der Internetnutzer in Deutschland mit seinen Content-Partnerseiten erreicht. Jeder Besucher, der eine Seite des Google Netzwerks ansteuert, erhält einen Google Tracking Cookie. Mit dem Cookie lässt sich das Surfverhalten beobachten, was es Google ermöglicht, auch ohne Zutun des Anwenders ein anonymes Interessenprofil vom User oder besser vom Browser anzulegen. Dabei ordnet Google dem User Interessenkategorien zu, die aus der Auswertung seines Surfverhaltens resultieren. Der Anwender kann die Interessenkategorien einsehen und selbstständig verändern, wenn er dann Lust dazu hat. Das ist neu und klingt charmant, da es den Anwender am „Steuer“ lässt. Google nennt das User Interface „Ads Preference Manager“. Soweit der User den Ad Manager nicht nutzt, kategorisiert Google die Interessen aber auch ohne Einwirken des Users.
Bei der hohen Anzahl der besuchten Seiten durch die Nutzer stellt sich die Frage, nach welchen Gesichtspunkten Google eigentlich die Interessen der Anwender kategorisiert. „Die Tiefe des Interesses werden wir nach Häufigkeit der Browsernutzung, nach der Seitenverweildauer und der gezählten Seitenaufrufe innerhalb einer Kategorie feststellen. Wir befinden uns gerade am Anfang des Betatests und werden diese Vorgehensweise bis zur Beendigung der Testphase Ende des Jahres kontinuierlich optimieren, um die höchste Relevanz gewährleisten zu können “, sagt Stefan Tweraser, Country Director Deutschland.
Re-Targeting für Jedermann
Neben der Interessenkategorisierung will Google mit dem IBA-Programm aber noch mehr bieten. Denn Werbetreibende können die Besucher ihrer Website nun im Google-Netzwerk mit gezielter Werbung ansprechen. Also ein Re-Targeting für Jedermann? Ja, denn wir glauben, dass Werbung eine relevante Information für den User darstellt. Das Re-Targeting System ist ein fester Bestandteil unseres IBA Programms und kann von jedem Werbetreibenden unabhängig seiner Unternehmensgröße oder der Höhe seines Marketingbudgets eingesetzt werden. Auch der kleine Pizzabäcker um die Ecke kann nun als Werbekunde mittels Re-Targeting einen ehemaligen Seitenbesucher mit Werbung ansprechen. Die Ausspielung der Anzeigen hängt dabei nicht allein von dem Preis ab, den ein Werbetreibender bereit ist zu zahlen, sondern auch von der Qualität der Anzeige. So kann die Anzeige des Pizzabäckers trotz kleinerem Budgets der Werbung eines 5 Sterne Restaurants vorgezogen werden, wenn sie für den User eine höhere Relevanz hat“, erklärt Tweraser. Damit wird eine Folge des neuen IBA-Programms deutlich. Nunmehr kommen bald auch kleine Werbungtreibende sowohl für ihre Text- als auch Display Banner in den Genuss, Nutzern Werbung gemäß ihrer Interessen auszuliefern.
Viele ungeklärte Fragen
Unzweifelhaft ist, dass Google vor allem das Display-Geschäft mit dem IBA-Programm forcieren will. Denn heute nehmen Textanzeigen den Großteil der ausgelieferten Ads im Google-Content-Netzwerk ein, bestätigte Google auf der Pressekonferenz. Leider bleiben noch viele Fragen zum IBA-System ungeklärt. „Die Testphase mit einer kleinen Anzahl von Werbetreibenden aus den USA und Europa hat erst begonnen. In Zusammenarbeit mit ihnen, werden wir die beste Art und Weise entwickeln , wie aufseiten der Werbetreibenden die buchbaren Kategorien aussehen und in welcher Form die Keywords bei Auslieferung der Anzeigen berücksichtigt werden“, sagt Tweraser. Ebenfalls ungeklärt ist die Frage, ob der Werbekunde die Werbemittel in das Google-System aufspielen muss oder eine Weiterleitung vom eigenen Adserver möglich sein wird.
Hat Google den heiligen Gral des Datenschutzes gefunden?
Auch wenn es kein Google-Vertreter es zugeben würde, handelt es sich bei IBA um eine Art Behavioral Targeting mit Mitmachoption für den User. Aber Google meidet den Begriff Behavioral Targeting. Zuviel Unruhe strahlt der Begriff Behavioral Targeting derzeit wegen der kritischen Auseinandersetzungen in den USA aus. Während der Pressekonferenz äußerten Pressevertreter Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes. Hier sprach Google von absoluter Transparenz gegenüber dem User. „Es werden keine persönlichen Daten gesammelt und keine Verknüpfung zu einem Google-Konto hergestellt“, erklärte Kay Oberbeck, Leiter der Kommunikation bei Google Deutschland, auf Nachfrage der Presse. Allein um Missverständnisse vorzubeugen, wird Google hierzulande noch viel Aufklärungsarbeit leisten müssen.
Unklar ist zum Beispiel, ob alle Google-Werbebanner einen besonderen Hinweis über das User-Tracking erhalten oder ob es weiterführende Informationen hinter dem Werbemittel-Zusatz „Ads by Google“ gibt. In den USA wird bereits ein Hinweis am Werbebanner gefordert. Dies bleibt eine wichtige Frage, da der User eigentlich immer vor der Sammlung von Daten über eine Opt-out-Möglichkeit informiert werden sollte. Google hat aber im Hinblick des Datenschutzes proaktiv gehandelt und das System den Hamburger Datenschutzbeauftragten vorgestellt. „Vor einer Woche lud uns Google ein und stellte uns das neue System vor. Wir konnten keine Verletzungen des Datenschutz feststellen, wir können aber auch keine endgültige Bewertung darüber abgeben“, erklärt Helga Naujok, Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit. Ab dem 30 März wird Google mit einer Roadshow die Vorzüge der „Interest Based Ads“ der Werbeindustrie vorstellen.
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